Wie viel ist zu viel?

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Überstunden bringen Geld und puschen die Karriere. Doch wer häufig länger als 40 Stunden arbeitet, riskiert unter Umständen seine Gesundheit.

Vielfältige Risiken

In Deutschland beschäftigte sich der Fehlzeiten-Report mit „Gesundheit in der flexiblen Arbeitswelt“. Die Ergebnisse:

  • Beschäftigte mit irregulären und komprimierten Arbeitszeiten (z. B. in 10-Stunden-Schichten) haben um bis zu 40 Prozent mehr Gesundheitsbeeinträchtigungen als Beschäftigte mit regulären Arbeitszeiten.
  • Eine zusätzliche Belastung durch Bereitschaftszeiten entsteht, wenn das Arbeitsaufkommen in der Bereitschaftszeit in der Arbeitszeitplanung nicht berücksichtigt wird.
  • Wer nach einem 12-Stunden-Arbeitstag nach Hause fährt, hat ein doppelt so hohes Unfallrisiko wie nach acht Stunden. Verstärkend wirken besonders fordernde, anstrengende Arbeitsbedingungen, unter anderem Nachtarbeit.

Gut erforscht sind die gesundheitlichen Risiken durch Schicht- und Nachtarbeit. Egal ob Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Verdauungsprobleme: Gesundheitliche Beschwerden sind bei Beschäftigten mit Schichtdienst schon ohne Mehrarbeit deutlich häufiger. Überstunden sind für diese Gruppe daher besonders belastend. Die jüngste Befragung „Gesundheitsrisiko Arbeitsplatz“ der Statistik Austria bestätigt, dass lange Arbeitszeiten die Psyche enorm belasten. Je mehr Überstunden geleistet werden, desto höher ist der Anteil der Erwerbstätigen mit mindestens einer psychischen Belastung. Bei Beschäftigten mit zehn oder mehr geleisteten Überstunden im Vormonat der Befragung gaben beinahe sieben von zehn Personen zumindest eine psychische Belastung in ihrer Arbeit an.

Ende 2016 veröffentlichte FORBA den Forschungsbericht „Flexible Arbeitszeiten – die Perspektive der ArbeitnehmerInnen“, in dem auch die Effekte von Überstunden untersucht wurden:

  • Befragte, die mindestens einmal pro Woche mehr als zehn Stunden arbeiten, geben doppelt so häufig arbeitsbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen an wie Personen, die nie länger als zehn Stunden arbeiten.
  • Mit zunehmendem Alter steigt die Belastung: 42 Prozent der über 50-Jährigen, die mehrmals pro Monat mehr als 50 Wochenstunden arbeiten, sehen einen Zusammenhang zwischen Arbeitszeit und (starker) gesundheitlicher Beeinträchtigung. Bei den 16- bis 35-Jährigen sind das nur 24 Prozent.

Durchhalten bis zur Pension?

Für Mehrarbeit und Überstunden gibt es neben finanziellen Motiven viele Gründe: Man identifiziert sich mit den Zielen des Unternehmens, verspricht sich bessere Karrierechancen, langfristige Projekte müssen abgeschlossen werden, KollegInnen fallen für längere Zeit aus etc. Nicht selten ist es auch Teil der Firmenkultur, seine Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft durch Sitzfleisch zu beweisen und die in All-in-Verträgen vereinbarte Stundenzahl noch zu toppen.

FORBA befragte VielarbeiterInnen, die mit ihrem Gesundheitszustand an sich (überraschend) zufrieden waren, nach der Wahrscheinlichkeit, dass sie die Tätigkeit bis zur Pensionierung ausüben. Hier ergab sich ein weniger positives Bild: 26 Prozent halten dies für wenig bis gar nicht wahrscheinlich. Dieser Anteil ist deutlich höher als bei den Personen mit gar keinen oder wenig Überstunden, wo er bei 14 Prozent liegt.

269 Millionen Über- und Mehrstunden wurden 2014 in Österreich geleistet, mehr als ein Fünftel davon gratis. Selbst bei Lehrlingen unter 18, für die Überstunden verboten sind, leistet laut Lehrlingsmonitor jede/r dritte regelmäßig Überstunden. Egal ob freiwillig aus Spaß an der Sache oder aus anderen Motiven: Ähnlich wie auch Hobbysport zu Verletzungen, Überbeanspruchung und Überlastung führen kann, kann freiwillige Arbeit irgendwann der Gesundheit schaden.

Linktipp:
FORBA-Studie „Flexible Arbeitszeiten – die Perspektive der ArbeitnehmerInnen“:
tinyurl.com/ycsusl7h

Von
Astrid Fadler
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/17.

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