Reportage: Weben am 1.500er-Stoff

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Die Textilindustrie ist eine jener Branchen, in denen sich die Sozialpartner kürzlich auf eine Anhebung der Löhne und Gehälter auf mindestens 1.500 Euro brutto geeinigt haben. Arbeit&Wirtschaft hat zwei Textilbetriebe besucht und mit BetriebsrätInnen über die neuen Entwicklungen gesprochen.

Rasanter Fortschritt der Technologie

Das Thema wird ja gerade breit diskutiert, angestoßen von der Forderung von Bundeskanzler Christian Kern, die Sozialpartner sollten einen Generalkollektivvertrag mit 1.500 Euro Mindestlohn für alle Branchen erarbeiten – und der Ankündigung, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu veranlassen, würde das nicht passieren. Doch aus Sicht des ÖGB ist die Sache klar: Einen gesetzlich verankerten Mindestlohn lehnt man ab. Stattdessen will man auf Verhandlungsebene in allen Branchen zu diesem oder einem noch besseren Ergebnis von zum Beispiel 1.700 Euro gelangen. Der Verhandlungserfolg in der Textilbranche schlägt damit aus Gewerkschaftssicht genau in die richtige Kerbe. Und es gibt noch weitere Branchen, in denen ein Verhandlungserfolg im Hinblick auf die 1.500 Euro Mindestlohn gelungen ist. Wer meint, die Textilindustrie in Österreich sei angesichts der Billigkonkurrenz aus Fernost und ost- und südeuropäischen Ländern längst abgewandert, irrt. Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass heute wesentlich weniger Menschen in der Branche arbeiten als früher, wo etwa Vorarlberg eine lebendige Textilindustrie hatte.

Seither hat sich vieles geändert, die Automatisierung ist stark vorangeschritten: „Die Technologie hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasend verändert.“ In der Nachkriegszeit haben laut Stellnberger in Linz noch 1.200 Menschen gearbeitet, 90 Prozent davon übrigens Frauen. Das Verhältnis hat sich gedreht, heute arbeiten hier nur noch 19 Frauen und mehr als 100 Männer. Ein Grund für diese Entwicklung war der Beginn des Vier-Schicht-Betriebs im Jahr 1983. Für Stellnberger, der die Kollektivvertragsverhandlungen für die Gewerkschaft geführt hat, ist das aktuelle 1.500-Euro-Ergebnis „ein großer Erfolg und eine Freude“, zumal er nicht damit gerechnet hat, dass die Gewerkschaft sich auch mit ihrer Forderung durchsetzen würde: „Ich persönlich habe nicht so recht daran geglaubt. Die Arbeitgeber hätten sich auch zurücklehnen und sagen können: Wir warten ab, was von Foglar und Leitl kommt.“

Aber nach wie vor gibt es hierzulande Textilunternehmen – der Fachverband Textil-, Bekleidungs-, Schuh und Lederindustrie der Wirtschaftskammer hat laut eigenen Angaben 282 Mitglieder, wovon aber 150 meist sehr kleine Unternehmen aus dem Stickereigewerbe sind. Im Juni 2016 waren in diesen Unternehmen insgesamt 12.000 Beschäftigte und damit 1,2 Prozent weniger als im Juni 2015 tätig, so der Fachverband. Zu den Größen der Branche gehören neben Huyck.Wangner und Linz Textil unter anderem auch Getzner Textilien aus Vorarlberg und die Sattler AG aus Graz. Laut Gerald Kreuzer, Branchensekretär für die Textilbranche beim ÖGB, spürt man besonders dort Druck, wo der Technologiegrad niedrig ist – hier kam es zu einem Verdrängungswettbewerb.

Die Textilbranche lebt

Wo die Branche nach wie vor in Österreich punktet, das sind vor allem die technischen Textilien. So werden Hightech-Textilien zum Beispiel in der Verkleidung von Fassaden, in der Autoproduktion, bei Funktionsbekleidung oder etwa Gastanks eingesetzt. Der Kollektivvertrag wurde übrigens nur für den Bereich Textilindustrie verhandelt, jenen Bereich also, wo Stoffe und Textilien hergestellt werden. In diesem Teilbereich sind rund 8.000 Personen beschäftigt. Der neue KV gilt dagegen nicht für die Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie – dort wird erst verhandelt. Die Hoffnung der Beteiligten: dass das Ergebnis der Textilindustrie positive Signalwirkung auch für jene hat, denen die Verhandlungen noch bevorstehen.

 

Von
Alexandra Rotter

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/17.

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