Interview: Die Transparenzdatenbank ist ein Waterloo

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Werner Muhm, Steuerexperte und bis 2016 Direktor der AK Wien, über den Strukturwandel in der Landwirtschaft, hypertrophe Förderungen, fleißige Bauern und moderne AgrarunternehmerInnen.

Auch im europäischen Vergleich oder global betrachtet?

Es stimmt, die durchschnittliche Betriebsgröße ohne Wald beträgt in den EU-Staaten 16 Hektar und in Österreich 18 Hektar. Nur wird der EU-Schnitt auch von kleinteiligen Strukturen wie in Polen oder Rumänien beeinflusst.

Also wir haben hierzulande nach wie vor eine Kleinstruktur und sind von der industriellen Landwirtschaft noch weit entfernt. Man sollte daher etwa jungen, gut ausgebildeten Bauern, die einen kleinen elterlichen Betrieb übernehmen wollen, die Möglichkeit zum Vergrößern auch in Form von Pacht geben.

Die ÖVP hat viel zu lange Sozialpolitik statt Strukturpolitik betrieben, die Entwicklung vom Bauern zum Agrarunternehmer wurde so eher behindert. Wir haben ja heute die am besten ausgebildeten Bäuerinnen und Bauern sowie Betriebsleiter, die agrarischen Schulen sind ausgezeichnet mit einer günstigen Schüler-Lehrer-Quote.

Umso unverständlicher ist es, dass wir heute noch Pauschalierungen bei der Gewinnermittlung eines bäuerlichen Betriebes brauchen, wenn die Landwirte ohnehin doppelte Buchhaltung und entsprechende Computerprogramme beherrschen. Vor allem für größere Betriebe ist das Prinzip der Pauschalierung nicht mehr gerechtfertigt.

Foto (C) Michael Mazohl
„Die größeren Vollerwerbs­betriebe haben in Österreich schon ein gutes Auskommen, daher sollten sie auch entsprechend Steuer zahlen.“

Zusätzlich ist die Landwirtschaft ja ohnehin ein hoch subventionierter Sektor.

Wir haben hier 1,2 Milliarden EU-Förderungen, außerdem Landes- und Bundesförderungen, insgesamt 1,926 Milliarden. Außerdem: Von jedem Euro für Bauern-Pensionen kommen 80 Prozent aus dem Budget. Denn derzeit besteht ein grobes Missverhältnis zwischen Zahlenden und Pensionisten. Alles in allem sind das gewaltige Ausgaben für eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe.

Zudem gab es in den vergangenen Jahren Subventionen von mehreren Hundert Millionen für Biomasse. Was die Förderungen betrifft, so ist meine These, dass noch etwas mehr Strukturpolitik in die Agrarpolitik hineinkommen muss, wir müssen weg von der Flächenförderung. Auch im Hinblick auf Wetterkapriolen oder mit dem Klimawandel einhergehende Probleme wäre es durchaus sinnvoll, auf eine Art Versicherungssystem umzustellen, das Risiken wie Ernteausfälle abdeckt und weniger Flächenprämien nach dem Gießkannenprinzip. Förderungen sollte es nur in besonderen Fällen geben, in besonders benachteiligten Regionen oder für kleine Bergbauernhöfe.

Die meisten Gelder kommen aber aus der EU, wo Österreichs Einfluss eher bescheiden ist.

40 Prozent des EU-Haushaltes gehen derzeit in die Landwirtschaft. Mit dem Brexit werden Einnahmen wegfallen, denn Großbritannien war ein starker Nettozahler. Da wird es eine ganz schwierige Diskussion geben: Wie können diese Verluste ausgeglichen werden, können sie überhaupt ausgeglichen werden? Welche Reformschritte sind nötig?

Die EU-Agrarpolitik ist ja schon einige Male an ihre Grenzen gestoßen. Nach dem Wegfall der Milchquoten kam deutlich mehr Milch auf den Markt, es folgte ein Preisverfall von Milchprodukten. Als Reaktion darauf wurden Sonderstützungen ausbezahlt. Oder nehmen Sie nur die aktuelle Migrationsdebatte: Auch hier muss die EU mehr nachdenken, welche weitreichenden Konsequenzen ihre Agrarpolitik haben kann. Denn die kleinbetrieblichen Strukturen in vielen schwarzafrikanischen Ländern wurden zerstört durch den Import von billigen, durch die EU geförderten Waren. Und die Menschen dort haben kaum mehr Perspektiven.

Positiv in Bezug auf die EU ist, dass unsere Agrarwirtschaft den Trend zu Nachhaltigkeit und biologischer Landwirtschaft gut bewältigt hat. Heute ist schon fast jeder fünfte Hektar im Bioanbau. Hier wurden Marktchancen gut genutzt. Auch die österreichischen Exportzahlen sind durchaus positiv.

Von Bauernseite kommen immer wieder Klagen über bürokratische Hürden bei Förderungen etc.

Der Agrarsektor ist der am höchsten subventionierte Bereich und ich glaube, es ist unbestritten, dass Bürokratie und Verwaltung hier eine große Rolle spielen. Das geht von den Bezirksbauernkammern über den Agrarlandesrat, die AMA und das Ministerium – wobei die Landwirtschaft eigentlich Ländersache ist – bis zur EU. Die Bauern sind extrem verwaltet.

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