Interview: Die Transparenzdatenbank ist ein Waterloo

Foto (C) Michael Mazohl

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Werner Muhm, Steuerexperte und bis 2016 Direktor der AK Wien, über den Strukturwandel in der Landwirtschaft, hypertrophe Förderungen, fleißige Bauern und moderne AgrarunternehmerInnen.
Zur Person
Werner Muhm begann nach dem Studienabschluss in der wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer, wo er Mitglied des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen war. Ab 1976 war der Betriebswirt im volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB tätig. 1990 kehrte er in die Arbeiterkammer zurück, ab 2000 war er Direktor der Arbeiterkammer Wien. Offiziell ist Muhm seit Juni 2016 in Pension, aber nach wie vor regelmäßig für die AK tätig.

Arbeit&Wirtschaft: Welchen Bezug hat die Arbeiterkammer eigentlich zum Thema Landwirtschaft beziehungsweise zu den Bauern?

Werner Muhm: Historisch betrachtet ist die Landwirtschaft ein zentraler Teil der Sozialpartnerschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Sozialpartnerschaft entstanden ist, war die Landwirtschaft ein bedeutender Sektor mit vielen Beschäftigten. In der damaligen Situation, als es darum ging, die gesamte Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen, spielte die Landwirtschaft natürlich eine wichtige Rolle. Später ist der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten deutlich zurückgegangen, genauso wie der Anteil des primären Sektors am Bruttosozialprodukt.

Heute kann man die Landwirtschaft praktisch als die Interessenvertretung des ländlichen Raumes bezeichnen. Und so betrachtet handelt es sich nach wie vor um einen räumlich und bevölkerungsmäßig großen Bereich. Denn schließlich kommen viele Bürgermeister in kleinen ländlichen Gemeinden vom Bauernbund und im neu gewählten Nationalrat stellt allein die ÖVP 16 Abgeordnete des Bauernbundes.

Dann kommt dazu auch noch der Einflussbereich des Raiffeisen-Konzerns – dazu gehören ja nicht nur die Lagerhäuser, sondern auch die Zuckerindustrie oder Molkereien. Hier gab es lange Zeit eine enge Vernetzung der Sozialpartner in Form von Agrarfonds, Marktordnungsgesetzen, Preisregelungen usw. Eine bedeutende Zäsur war dann der EU-Beitritt. Last but not least sind AK und ÖGB nach wie vor daran interessiert, dass die Verarbeitungsbetriebe gut funktionieren. Und abseits der Sozialpartnerschaft ist es außerdem durchaus sinnvoll, wenn es eine Organisation wie die AK gibt, die beim wichtigen Thema Agrarpolitik und Landwirtschaft mitreden kann. Denn in der Landwirtschaft gibt es eine Art Herrschaftswissen darüber, wie alles läuft. Allein das Thema Förderungen ist höchst komplex und für Außenstehende kaum zu durchschauen.

Und wer sich etwas mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigt, bemerkt bald eine gewisse Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von den fleißigen, aber armen Bauern und der Realität …

Das Bild der Bäuerinnen und Bauern, die für wenig Geld tagaus, tagein schuften und die Landschaft pflegen, stimmt so nicht wirklich. Aber es wird von den Lobbyisten der Landwirtschaft seit vielen Jahren erfolgreich transportiert und gepflegt. Da gibt es eine starke Interessenvertretung und diese ist auch international gut vernetzt, ganz zu schweigen von der Bedeutung des Raiffeisen-Konzerns mit wichtigen Industriebetrieben, Banken etc. Hier dagegenzuhalten, da holt man sich – bildlich gesprochen – manchmal schon blutige Köpfe.

In puncto Interessenvertretung sind die Bauern also gut aufgestellt. Über Jahre und Jahrzehnte wurde ein Bild geprägt, das nicht mehr der Realität entspricht. In Österreich gibt es derzeit rund 160.000 landwirtschaftliche Betriebe, davon nur ca. 60.000 im Vollerwerb. Berechnet man hier das Durchschnittseinkommen, mit dem in der Regel argumentiert wird, dann ist es natürlich nicht erstaunlich, dass hier ein eher niedriger Betrag herauskommt, wenn die meisten Nebenerwerbsbauern sind. Die Vollerwerbsbetriebe verdienen eigentlich sehr gut.

Es lohnt sich also noch, in Österreich einen Bauernhof zu führen?

Als Vollerwerbsbauer auf jeden Fall. Ich muss vorausschicken, dass es in Österreich eine grundsätzliche Auseinandersetzung im Agrarsektor gibt: Die einen sind hauptsächlich fokussiert auf die Bergbauern und kleine Betriebe, die gefördert werden müssen. Ich war allerdings immer der Ansicht, dass umso mehr Subventionen gebraucht werden, je kleiner die Betriebsstrukturen sind.

In gewissen Regionen ist das sicher sinnvoll, aber prinzipiell sollten auch in Österreich die Betriebe eher wachsen, damit jeder, der einen landwirtschaftlichen Betrieb führen möchte, auch davon leben kann. Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes in Österreich ist in den vergangenen Jahren bereits gestiegen, aber es ist durchaus sinnvoll, wenn dieser Trend weiter anhält. So können wir langfristig überlebensfähige Strukturen schaffen. Im internationalen Vergleich sind die großen landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich ohnehin noch eher klein.

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