Hintergrund: Flexibilisierung gescheitert, Sozialpartnerschaft lebt

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Die große Lösung bei der Arbeitszeit gibt es vorerst nicht, denn sie müsste den ArbeitnehmerInnen mehr Selbstbestimmung und Planbarkeit bringen.

Arbeitszeit verkürzen

Von der Erhöhung der Mindestlöhne auf 1.500 Euro profitieren direkt 300.000 ArbeitnehmerInnen. Die Umsetzung erfolgt stufenweise über die Kollektivverträge der betroffenen Branchen, und der Preis dafür, dass die unteren Mindestlöhne außerordentlich erhöht werden, wird natürlich in den Verhandlungen dadurch bezahlt, dass andere Forderungen der ArbeitnehmerInnen, etwa im Rahmenrecht, die sonst erfolgen würden, schwerer auszuhandeln sein werden.

Wir gehen davon aus, dass über die kommenden Jahre in einigen der betroffenen Branchen ohnehin höhere Mindestlöhne in den KV-Verhandlungen durchgesetzt worden wären. Von der Flexibilisierung, wie sie die Arbeitgeber gefordert hätten, wären aber so gut wie alle ArbeitnehmerInnen negativ betroffen, zum Beispiel durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen. Das könnte nach Berechnung der AK ein Volumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr ausmachen – und das dauerhaft, während im KV-Bereich natürlich jedes Jahr weitere Erhöhungen auf dem Verhandlungsweg erreicht werden müssten. Alles in allem also ein schlechter Tausch.

Unser Zugang war wie immer bei Arbeitszeitverhandlungen jener, den Arbeitgebern dort, wo notwendig, mehr Möglichkeiten zu geben, im Gegenzug aber für die ArbeitnehmerInnen bessere Planbarkeit, mehr Selbstbestimmtheit und im Optimalfall auch eine Arbeitszeitverkürzung zu erreichen. Als fairen Deal hätten wir zum Beispiel gesehen, die tägliche Höchstarbeitszeit bei Gleitzeitvereinbarungen auf 12 Stunden auszudehnen, dafür aber die 6. Urlaubswoche für alle ab dem 43. Lebensjahr umzusetzen. In zähen Verhandlungen war es zwar möglich, die Forderungen der Arbeitgeber auf ein realistischeres Maß zu reduzieren. Leider war es aber nicht möglich, auch Verbesserungen im Sinne der ArbeitnehmerInnen durchzusetzen.

In der Sozialpartnerschaft ist es aber guter Brauch, Lösungen zu finden, von der beide Seiten profitieren. Das hat in diesem Fall jedoch leider nicht zu einer Lösung geführt, zumindest nicht innerhalb der von der Regierung gesetzten Frist. Damit bleibt das Thema Arbeitszeitflexibilisierung auf dem Verhandlungstisch der Sozialpartner. Es spielt Tag für Tag bei Verhandlungen über Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen eine Rolle. Sicher wird es auch auf Eben der Dachverbände bald wieder verhandelt. Grundlagen dafür gibt es nach den vielen intensiven Verhandlungsrunden genügend.

Foto (C) Michael Mazohl
SOZIALPARTNERSCHAFT ERMÖGLICHT FLEXIBILISIERUNG BEREITS IN KOLLEKTIVVERTRÄGEN UNDBETRIEBSVEREINBARUNGEN

Lösungen auf KV- und Betriebsebene

Die Sozialpartner arbeiten vor, während und nach diesen Verhandlungen an Hunderten Themen, und in einem davon wurde aus den geschilderten Gründen zu einem von außen gesetzten Termin keine Lösung erreicht. Das heißt aber nicht, dass die Sozialpartnerschaft nicht mehr lösungsfähig ist.

Das Gegenteil ist der Fall, wie tägliche Erfolge auf Betriebs-, Branchen- und Bundesebene zeigen. Viele dieser Einigungen beinhalten übrigens auch Lösungen für flexible Arbeitszeiten, als Beispiele seien nur der Handel genannt oder der neue Kollektivvertrag für die Beschäftigten in den Bahn-Speisewägen. Gerüchte vom Ableben der Sozialpartnerschaft sind also nicht nur verfrüht, sondern entbehren jeder Grundlage.

Von
Bernhard Achitz
Leitender Sekretär des ÖGB

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/17.

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