Österreich ist Spitzenreiter bei der Vermögensungleichheit

Ein reicher Geschäftsmann geht an einem Obdachlosen vorbei. Symbolbild fürVermögensungleichheit in Österreich.
Nirgendwo sonst in Europa ist die Vermögensungleichheit so groß, wie in Österreich. | © Adobe Stock/elavuk81
In keinem anderen europäischen Land ist Reichtum so ungleich verteilt wie in Österreich. Die Reichtumskonferenz will Lösungen für das Problem der Vermögensungleichheit finden.
Das Einkommen, vor allem aber das Vermögen, sind in Österreich extrem ungleich verteilt. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt rund 40 Prozent des Vermögens, rechnet Julia Hofmann vor.  Sie ist Referentin für soziale Ungleichheit und Verteilungsfragen an der Arbeiterkammer Wien (AK). Den oberen zehn Prozent gehören insgesamt 90 Prozent. Die Vermögensungleichheit in Österreich ist Europaspitze. Wie es dazu kam und was dagegen wird in der 4. Reichtumskonferenz debattiert. Sie steht unter dem Motto „Was tun gegen Überreichtum und Vermögenskonzentration?“

Vermögensungleichheit in Österreich

Österreich steht in Europa an der Spitze in Sachen Vermögensungleichheit. Während die hundert reichsten Österreicher:innen zwischen 2020 und 2021 ihr Vermögen um 15 Prozent erhöht haben, sind 1,29 Millionen Menschen armutsgefährdet. Ohne Hilfen vom Sozialstaat können viele ihren Alltag nicht mehr finanzieren. Die Coronakrise und die extreme Inflation verstärken die Situation noch weiter. Lohnrunden, aktuell die Metaller KV-Verhandlungen 2022, sollen die Lage etwas entspann.

Mutter, Vater und zwei Kinder stehen am Gartenzaun ihres Eigenheims. Symbolbild für die Vermögensungleichheit in Österreich.
Egal, was Ihnen Werbung und Politik erzählen: Dieses Bild ist Unsinn. Eine Familie mit Eigenheim gehört zur Oberschicht. Die oft beschworene Mitte kann davon nur träumen. | © Adobe Stock/Monkey Business

Dazu kommt, dass sich das Bild davon, wer zur Mittelschicht gehört, völlig verzerrt hat. Die Musterfamilie mit Haus, Garten, Auto und zwei Kindern gehört längst zum reichsten Drittel. Statistisch betrachtet besitzt die Mittelschicht ein Vermögen von gerade einmal 83.000 Euro. Das sind meist Rücklage für die Pension und ein Auto. Aber sicherlich kein Haus mit Garten. Wer zum reichsten Prozent gehört, besitzt im Schnitt 12,5 Millionen Euro. Also das 150-Fache des Durchschnitts. Die ärmsten 50 Prozent Österreichs – also die Hälfte aller Bürger:innen, um das zu betonen – hat keinerlei nennenswertes Vermögen.

Hat sich die Vermögensungleichheit verfestigt?

Bezieht man durch Schätzungen die Milliardär:innen in diese Rechnung mit ein, besitzen die reichsten 320 Menschen (!) genauso viel, wie die ärmsten 7,2 Millionen Menschen. Wobei diese Zahlen lediglich eine vorsichtige Schätzung sind. Denn während Menschen, die Hilfen vom Staat bekommen, alle Vermögenswerte bis ins kleinste Detail offenlegen müssen, genießen Überreiche sehr viel Diskretion. So ist vollkommen unklar, wie viel Vermögen diese Menschen tatsächlich haben.

Die Situation wird sich in Österreich in absehbarer Zeit nicht ändern. Dafür ist das System nicht gemacht. Vermögen generiert Vermögen. Wer Geld hat, kann eine Wohnung kaufen. Ohne Mietausgaben kann Geld in Aktion investiert werden. Wer Kapitalerträge hat, muss weniger Steuern zahlen als jemand, der sein Geld mit Arbeit verdient. Wer diese Sicherheiten hat, traut sich eher eine Firma zu gründen.

Öffentlicher Druck wächst: Vermögensungleichheit muss verringert werden

Auch fehlt es am politischen Willen und öffentlich Druck, die Vermögensverteilung in Österreich fairer zu gestalten. Denn wer viel Vermögen hat, kann sich politisch leichter Gehör verschaffen. „In Österreich verzichten im ökonomisch stärksten Drittel ihren Berechnungen zufolge nur 17 Prozent auf ihr Wahlrecht, im ökonomisch schwächsten Drittel sind es aber bereits 41 Prozent, die nicht zur Wahlurne gehen“, schreibt Hofmann. Dazu kommen Möglichkeiten wie Lobbying, Parteispenden und das Ausnutzen privater und beruflicher Netzwerke. Markus Marterbauer und Martin Schürz haben die Funktionsweise im Doppelinterview zusammengefasst.

Immerhin haben Coronakrise und Inflation zu einem Umdenken in der Gesellschaft geführt. „Über 80 Prozent der Bevölkerung empfinden die Unterschiede zwischen Arm und Reich mittlerweile als zu groß“, führt Hofmann aus. Längst wird auch vehement die Einführung einer Abgabe auf Übergewinne gefordert.  Weitere Lösungen und Strategien soll die 4. Reichtumskonferenz liefern. Das ist auch im Sinne der Bürger. „Über 80 Prozent der Bevölkerung empfinden die Unterschiede zwischen Arm und Reich mittlerweile als zu groß“, schreibt Hofmann.

Konkrete Lösungen gegen die Vermögensungleichheit

Auf der Reichtumskonferenz werden konkrete Lösungen für ganz spezifische Problemfelder diskutiert. Dazu gehören beispielsweise Medien, Wohnen, Umwelt, Bildung und Pflege. Für den Sozialstaat ist all das eine kritische Infrastruktur, deren Sicherheit aktuell durch private Investoren gefährdet wird.  Hoffnung mache, „dass Ungleichheitsentwicklungen keineswegs naturgegeben sind“, schließt Hofmann. Sie seien immer das Ergebnis politischer Entscheidungen.

Österreich ist dafür das beste Beispiel. Hierzulande gab es bis zum Jahr 1994 bereits eine Erbschafts- und Vermögenssteuer. Die auf Vermögen wurde 1994 abgeschafft, die auf Erbschaften 2008. Seitdem speisen sich 80 Prozent der Staatseinnahmen aus Löhnen und Gehältern. Das bedeute, dass sich der Wohlstand auch gerechter verteilen lasse. Mit den passenden Wahlergebnissen und politischem Willen.

Über den/die Autor*in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

Sie brauchen einen Perspektivenwechsel?

Dann melden Sie sich hier an und erhalten einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.

Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.