Was Beschäftigte im Handel wirklich brauchen

Inhalt

  1. Seite 1 - „Brutaler Turbokapitalismus“
  2. Seite 2 - Gute Arbeitsbedingungen bleiben Mangelware
  3. Seite 3 - Traumjob? Freilich nicht für alle
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Nach der Kika/Leiner-Pleite wittern Handelsunternehmen ihre Chance, dringend benötigte Beschäftigte zu bekommen. An den Arbeitsbedingungen selbst ändert sich derweil wenig.

Was Betriebsrät:innen zu den Handelsunternehmen sagen

„Die Außendarstellung passt Großteils“, erklärt Sabine Eiblmaier. Sie ist im Zentralbetriebsrat bei Interspar. Der Traumjob sei es freilich nicht für alle, aber so sei das im Handel. „Spar und insbesondere Interspar, macht sehr viel, um es den Mitarbeiter:innen so gut wie möglich zu machen.“ Betriebliche Mitbestimmung werde zugelassen. Spar sei ein sicherer, fairer Arbeitsplatz und familienfreundlich, „so weit es in der Praxis umsetzbar“ sei.

Das erwähnte Stimmungsbild sei allerdings aus einer kleinen Umfrage und kaum repräsentativ. Eine neue werde gerade durchgeführt. Auf Anraten des Betriebsrats mit mehr Beschäftigten. „Wir jammern auf hohem Niveau. Man glaubt, alle halten sich immer an alle KV-Vorgaben. Wir machen das. Aber ich kenne kleine Geschäfte, da wissen die Beschäftigten gar nicht, dass es Zuschläge am Abend oder am Samstag gibt.“

Auch Josef Hager, Zentralbetriebsratsvorsitzender bei dm, äußert sich zur Außendarstellung seines Unternehmens. „Wir haben mit der Geschäftsleitung grundsätzlich ein Verhältnis auf Augenhöhe.“ So arbeite man gerade gemeinsam am Projekt „total compensation“, um herauszufinden, was Mitarbeiter:innen – über das Gehalt hinausgehend – in Zukunft bräuchten, um nicht nur zu kommen, sondern auch zu bleiben. dm preschte letztes Jahr auch vor und ermöglichte schon vor Abschluss der KV-Verhandlungen ein sattes Lohnplus, das sich aus Hagers Sicht wiederholen werde. „Es ist ein ehrliches Bemühen!“

Planbarkeit darf keine Theorie bleiben

An gewissen Stellen reibe es aber, auch bei dm und Spar: „Die Realität ist oft anders als die Theorie“, weiß Eiblmaier. „Manchmal ist es so, dass der Vorstand Dinge möchte, die in der Praxis schwer umsetzbar sind. Sie wollten vier Wochen im Vorhinein einen Dienstplan.“ Das wäre doppelt so viel Zeit, als das Gesetz vorsieht. Doch wegen enger Personalplanung und Ausfallzeiten sei es schon schwer genug, überhaupt nur den gesetzlichen Dienstplan einzuhalten.

Bei dm gibt es laut Hager Überlegungen, den Dienstplan digital zu gestalten. Die Beschäftigten sollen sich irgendwann selbst eintragen können, ohne wie Bittsteller zur Filialleitung gehen zu müssen.

Es seien die Rahmenbedingungen, die die Handelsbranche in ein stressiges Korsett zwängen. Zum Beispiel, dass Überstunden oft nicht ab der ersten Stunde voll bezahlt würden. „Natürlich könnten das Unternehmen freiwillig machen, das ist im Wettbewerb schwieriger“, spielt Eiblmaier den Ball an die Politik. Dazu kommen die Öffnungszeiten, die oft komplexe Schichtpläne und Überstunden erfordern. In der Industrie sei das leichter, da gebe es eine Woche Früh- und eine Woche Spätschicht. Letztlich ist es aber auch ein gesellschaftliches Problem, weiß Hager. Es wäre begrüßenswert, wenn die Erwartungshaltung nicht wäre, von 8 bis 21 Uhr ins Geschäft gehen zu können.

Handelsunternehmen sollten auf Betriebsrät:innen hören

Neben einem fairen Lohn wünschen sich die beiden Wertschätzung und eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Planbarkeit der Arbeitszeiten. Gerade der Handel hinkt anderen Branchen hier hinterher. „Fairness bei Flexibilität“, fasst Eiblmaier die Forderungen in eine Formel zusammen. „Die Geschäftsführung muss die Grundvoraussetzungen schaffen“, meint Hager. Entsprechend intensiv laufen die KV-Verhandlungen im Handel derzeit ab.

Bei Verbesserungen haben Betriebsräte zwar eine tragende Rolle, doch ohne die Unternehmen und der Politik wird sich am Status Quo nichts ändern. Dabei wäre ein allgemeiner Kurswechsel im Handel besonders wichtig. Auch für jene 1.900 gekündigten Angestellten von Kika/Leiner, die dem Profit zum Opfer gefallen sind. Es wäre für sie das Mindeste.

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