Betriebsräte im Handel: Nur ein Unternehmen beantwortet Fragen

Ein Tag im IKEA. Betriebsräte im Handel sind hier keine Seltenheit. In der Herbstlohnrunde kommt es zu keiner Einigung.
Im Handel zeichnet sich immer noch keine Lösung in der Herbstlohnrunde ab. | © Adobe Stock/pololia
Betriebsräte sind im Handel nicht gern gesehen. Sie würden zu viele Missstände aufdecken. So auch im XXX-Lutz Zentrallager in Zurndorf, wo am Mittwoch 27.7.2022 die Gründung eines Betriebsrats verhindert wurde. Im Juni machte Arbeit&Wirtschaft einen Rundruf bei Möbelhäusern und Baumärkten. Das Ergebnis: Kaum Antworten.
Betriebsräte im Handel sind enorm wichtig. Denn gerade hier ist der Druck hoch und die Arbeitsbedingungen häufig schlecht. Doch ausgerechnet hier wehren sich Unternehmen oft vehement gegen die Gründung von Arbeitnehmer:innen-Vertretungen. Ein Thema, über das die Firmen nur ungern sprechen. Gerade einmal ein Unternehmen erklärte sich im Rahmen der Recherche bereit, Fragen zu beantworten.

Betriebsräte im Handel: Unerwünscht, aber nötig

Arbeit&Wirtschaft hat bei allen großen Möbelhäusern und Baumärkten in Österreich nachgefragt. Wir wollten wissen, ob es bei den jeweiligen Unternehmen Betriebsräte gibt. Geantwortet hat nur IKEA Österreich. Beim schwedischen Möbelriesen hat man Betriebsräte in fast allen Geschäftsstellen. „Es gibt bereits in elf von zwölf Units Betriebsräte. In der jüngsten Unit, bei IKEA am Wiener Westbahnhof, wurde noch kein Betriebsrat gegründet“, sagt Uwe Blümel. Er ist bei IKEA Österreich für die Pressearbeit zuständig.

Dabei bräuchte es gerade im Handel Betriebsräte. Denn die Branche ist kein Zuckerschlecken. Die Öffnungszeiten sind lang und die Tätigkeitsbereiche oft sehr anstrengend. Außerdem fehlt es meist an der Wertschätzung der Mitarbeiter:innen durch die Öffentlichkeit. Bei vielen Angestellten herrscht zudem das Gefühl, dass auch ihre Arbeitgeber:innen sie nicht ausreichend wertschätzen.

Personalmangel im Handel

In den Möbelhäusern und Baumärkten müssen Mitarbeiter:innen oft eine sehr große Fläche allein betreuen. Der Personalstand ist in vielen Abteilungen knapp bemessen. Bei Urlauben oder Krankenständen gibt es im Betrieb kaum Ersatz. Durch den Personalmangel werden einerseits die Arbeitstage stressig. Andererseits müssen Kund:innen teils länger warten, was das Arbeitsklima zusätzlich verschlechtert. „Natürlich ist der Handel eine Branche, in der der Arbeitsdruck aufgrund der oftmals eklatanten Unterbesetzung eine große Rolle spielt. Auch beim Einkommen ist Luft nach oben. Aggression und Gewalt haben in den letzten Jahren zugenommen, wie es gerade erst von einer IFES-Studie bestätigt wird“, sagt Karl Dürtscher, der Bundesgeschäftsführer der GPA. Die Gewerkschaft kämpft für die Rechte der Arbeitnehmer:innen in dieser Branche.

Ein Tag im IKEA ist nicht immer so ruhig. Betriebsräte im Handel sind hier keine Seltenheit.
Nicht immer geht es in Möbelhäusern so ruhig zu. | © Adobe Stock/ManuPadilla

Das Bewertungsportal Kununu ist Zeuge dieser Arbeitsbedingungen. Bei den entsprechenden Einträgen zu den österreichischen Möbelhäusern und Baumärkten gibt es viele negative Bewertungen. Von aktiven ebenso wie von ehemaligen Mitarbeiter:innen. Die Unzufriedenheit der Angestellten in diesem Sektor ist greifbar. Von der fehlenden Work-Life-Balance über schlechtes Vorgesetztenverhalten bis zu fehlenden Sozialleistungen ist fast alles dabei. Die Coronakrise hat die Situation verschärft. „Mehr Personal wird man finden, wenn man die Arbeitsbedingungen verbessert und mehr zahlt. Aber auch Rahmenbedingungen wie die Kinderbetreuung müssen zufriedenstellend geregelt sein“, so Dürtscher.

Betriebsräte im Handel: IKEA als Vorbild

Wer bei IKEA einen Job findet, dem präsentiert sich der Betriebsrat persönlich. Falls gewünscht. Aber auch bei der KIKA-Leiner Gruppe und in verschiedenen Baumärkten gäbe es Betriebsräte, wie Dürtscher klarstellt. Er betont jedoch die Mängel in der Branche. „Zum Teil hängt es mit einer bewussten Geschäftspolitik von Eigentümern zusammen, die nicht von einer Haltung abzubringen sind, die da heißt: So was brauchen wir bei uns nicht, wir regeln alles selbst.“ Die Chance in solchen Unternehmen Betriebsräte zu installieren seien nicht die besten.

„Oft merken die Betroffenen erst im Krisenfall, wie wichtig ein Betriebsrat etwa bei Sozialplanverhandlungen ist. Und dass es ohne Betriebsrat einfach keinen Sozialplan gibt“, meint Dürtscher. Bei manchen Unternehmen sind Betriebsratsgründungen nicht nur nicht erwünscht. Sie werden aktiv verhindert. „Das kann man in einigen Fällen bestätigen. Natürlich gibt das niemand offiziell zu, da alle Unternehmen sehr auf ihren Ruf bedacht sind“, so der Bundesgeschäftsführer der GPA. Die Angst dürfte sein, dass betriebliche Mitbestimmung die Geschäfte stören könnte. Dem widerspricht Dürtscher. „Große, sehr erfolgreiche Handelskonzerne zeigen, dass genau das Gegenteil richtig ist.“

Arbeitsbedingungen im Handel verbessern

Doch um die Arbeitsbedingungen im Handel zu verbessern, braucht es mehr, als nur Neugründungen von Betriebsräten. Die Arbeitszeiten für die Beschäftigten müssen attraktiver werden. Es braucht bessere Zuschlagsregeln bei Teilzeit-Angestellten, attraktivere Gehälter, bessere Planbarkeit des Arbeitseinsatzes und ausreichend Personal. „Die eklatante Unterbesetzung spüren ja oftmals auch die Kunden, wenn sie Beratung beim Einkauf benötigen“, so Dürtscher.

Nicht alle Möbelhändler und Baumarktketten sind schwarze Schafe. Und so schlimm wie bei Amazon in den USA ist es noch lange nicht. Doch manche bemühen sich mehr um ihr Personal als andere. Insgesamt handelt es sich um Branchen, in denen die Mitarbeiter:innen viel leisten. Gleichzeitig ist Mitbestimmung kaum möglich und die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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