Lohn allein reicht nicht

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Ein ganzes Bündel an Maßnahmen wird benötigt, um Menschen vor Armut und Ausgrenzung zu schützen.

Trotz Einkommen – kein Auskommen

Aber selbst wenn der Mindestlohn ein gutes Instrument zur Armutsbekämpfung ist, ist er kein Allheilmittel und reicht allein nicht aus, um das Problem der Armut zu lösen. Bestes Beispiel dafür sind die „Working Poor“. Mit diesem Begriff werden Menschen bezeichnet, die zwar Arbeit haben, deren Einkommen aber unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt und zum Leben nicht ausreicht. Sie arbeiten als LeiharbeiterInnen, Neue Selbstständige oder WerkvertragsnehmerInnen. Oder sie sind in Branchen tätig, die laut Kollektivvertrag schlecht bezahlt werden wie etwa in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungsbereich. Besonders betroffen sind alleinerziehende Frauen, die aufgrund der Kindererziehung entweder gar keiner Arbeit nachgehen können oder nur in eingeschränktem Ausmaß arbeiten, Menschen mit geringer Bildung und MigrantInnen. Gerade auf ArbeitnehmerInnen aus den anderen EU-Mitgliedstaaten wird gerne zurückgegriffen. Menschen aus Bulgarien, Ungarn oder der Slowakei wissen häufig zu wenig über ihre Rechte und sind damit gefährdet, ausgebeutet zu werden.

Weiters hat in den vergangenen Jahren die Zahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse zugenommen. Immer mehr Menschen sind in befristeten Arbeitsverhältnissen oder arbeiten auf Werkvertragsbasis und sind zudem oft nicht „durchversichert“. Fast die Hälfte aller berufstätigen Frauen arbeitete vergangenes Jahr in Teilzeit. „Das hat weitreichende Folgen wie etwa Einkommen, die nicht existenzsichernd sind, schlechte Aufstiegschancen und eine absolute Katastrophe in der Pension. Frauen sind deutlich häufiger von Altersarmut betroffen als Männer“, erklärt Renate Anderl, ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende.

Armut trotz Arbeit

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass auch eine schwierige Haushaltssituation zu Armut trotz Arbeit führen kann. Nämlich dann, wenn mehrere Personen von einem einzigen Einkommen leben müssen. „Working Poor“ hängt somit nicht nur von der Einzelperson, sondern von der Erwerbssituation und dem Einkommen der Familienmitglieder ab. Auch die bereits erwähnte Lebenssituation wie etwa Betreuungspflichten, die individuellen Möglichkeiten wie Bildung sowie Herkunft und die generelle Arbeitsmarktlage sind wesentliche Faktoren.

Bündel an Maßnahmen

Das zeigt, dass sich genauso wie Armut im Allgemeinem auch „Working Poor“ nicht mit einem einzigen Argument begründen lässt und entsprechend auch nicht mit einer einzelnen Maßnahme wie dem Mindestlohn abstellen lässt. Es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um Menschen vor Armut und Ausgrenzung zu schützen.

Diese sind in den Bereichen Arbeitsmarkt, Soziales, aber auch auf Bildungsebene zu setzen. So ist zum Beispiel alleinerziehenden Müttern auf Dauer nicht damit geholfen, dass das Kind nur einen Kindergartenplatz bekommt. „Wir brauchen dringend verbesserte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu gehören leistbare Kinderbildungseinrichtungen mit Öffnungszeiten, die eine Vollzeitbeschäftigung sowohl in der Stadt als auch am Land ermöglichen“, sagt Anderl. Außerdem müsse die Wirtschaft mehr Vollzeitarbeitsplätze für Frauen anbieten, von denen sie gut leben können. „Studien bestätigen nämlich, dass Frauen bei einem besseren Kinderbetreuungsangebot zu Vollzeitarbeit tendieren.“

Den Kindern aus sozial schwachen Familien wiederum wäre mit fairen Chancen vor allem in der Bildung geholfen, denn noch immer ist Bildung viel zu sehr von der sozialen Herkunft abhängig. „Mit dem Ausbau der Ganztagsschulen ist die Bildungspolitik auf dem richtigen Weg“, betont die ÖGB-Vizepräsidentin. Viele SchülerInnen sind mit den täglichen Hausaufgaben überfordert. Ganztägige Schulformen sind die beste Lösung, sagt sie, weil sie Kinder bestmöglich fördern, deren Eltern sich keine Nachhilfe leisten können. Daher ist auch die Ausbildungspflicht bis 18 eine wichtige Maßnahme zur Armutsbekämpfung.

Billigeres Wohnen

Nicht zuletzt gilt es, leistbaren Wohnraum zu schaffen. Die hohen Kosten für Miete, Energie und Heizung belasten die Geldbörsel der MieterInnen enorm. Vor allem junge Menschen und Familien mit wenig Einkommen tun sich besonders schwer, eine Wohnung zu finanzieren. AK-Präsident Rudi Kaske betont, dass es einen „Mix aus Maßnahmen braucht, um Wohnen billiger zu machen – ein einfaches, transparentes Mietrecht mit wirksamen gesetzlichen Mietpreisbegrenzungen und mehr geförderte Wohnungen, die langfristig leistbar bleiben.“

Linktipps
Statistik Austria
ÖGB Frauen
Arbeiterkammer

Von
Amela Muratovic
ÖGB Kommunikation

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/17.

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