Das ungleiche Spiel

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Kleinbäuerliche Betriebe in Entwicklungsländern, ArbeitnehmerInnen und die Umwelt zählen zu den VerliererInnen der weltweiten Öffnung des Agrarsektors.

Zweifelhafter Sonderstatus

Viele afrikanische Länder erhielten von ihren ehemaligen Kolonialherren aus Europa einen Sonderstatus: Sie durften ihre Waren weitgehend zollfrei ausführen, während für Waren aus Europa Zölle zu zahlen waren. Die WTO urteilte später aber, dass diese einseitigen Zugeständnisse nicht rechtens sind und dass diese Vorteile durch „Freihandel“ zu ersetzen sind. Daher verhandelt die EU seit Längerem über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit West-, Ost-, Zentral- und Südostafrika. Diese Abkommen werden kurz WPAs oder EPAs genannt – die TTIPs für die armen Länder Afrikas. Der Widerstand vieler afrikanischer Länder ist groß. Auf Druck der Weltbank und im Zuge der Verhandlungen über die EPAs haben viele afrikanische Länder den Forderungen ihrer Gläubiger nachgegeben und ihre Zölle schon vor Abschluss der Verhandlungen erheblich gesenkt.

Verarmung

Über die katastrophalen Folgen wurde zwar immer wieder medial berichtet, doch fanden diese Berichte wenig Resonanz: Europäische Exporteure überfluteten die Märkte in Afrika mit Milchpulver, Gemüsekonserven oder Hühnerteilen. In Ghana etwa verarmten viele Tausend Bauern oder verloren ihre Existenz. Ghanaische Betriebe konnten ihre Tomatenernte nicht mehr vor Ort vermarkten, weil sie nicht mit den billigen Importkonserven aus Italien oder Spanien konkurrieren konnten.

Dieser Wettbewerbsvorteil ergibt sich durch das ungleiche Kräfteverhältnis: Auf der einen Seite ein hochspezialisierter, großflächiger Anbau sowie modernste Hightechfabriken, die sich seit der Nachkriegszeit zunächst durch hohe Zölle geschützt und mithilfe von umfangreichen Subventionen in den verschiedensten landwirtschaftlichen Sektoren entwickeln konnten. Auf der anderen Seite kleinste Äcker und veraltete Produktionsmethoden.

Öffentliche Investitionen oder Subventionen in die Entwicklung des Agrarsektors wurden in vielen Entwicklungsländern in Afrika und den am wenigsten industrialisierten Regionen Asiens in den letzten 30 Jahren vernachlässigt. Unbeeindruckt hält die EU-Kommission aber an ihrer Handelspolitik und Ideologie fest: Liberalisierung und Öffnung der Märkte bringe die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Ländern des Südens voran.

Diese Ansicht ist insbesondere für den landwirtschaftlichen Sektor vor dem Hintergrund der verheerenden Auswirkungen mehr als fraglich. Die EU oder USA schützen selbst den Agrarsektor zum Teil noch mit Zöllen, zudem ist die Landwirtschaft subventioniert. Diese Subventionen sollen ungleiche Produktionsvoraussetzungen (wie zum Beispiel im Fall der Bergbauernförderung) oder die Wettbewerbsnachteile aufgrund der Größe und der hohen Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards ausgleichen.

Neue Wege einschlagen

Solange das Kräfteverhältnis zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern unterschiedlich ist, sind der Landwirtschafts- und der Nahrungsmittelsektor jedenfalls aus Handelsabkommen auszuklammern. Entwicklungsländer dürfen nicht gezwungen werden, ihre Zölle zu senken, und es darf ihnen auch nicht verboten werden, durch Zollerhöhungen ihre Märkte zu schützen.

Zu bedenken ist, dass gerade für die Länder des Südens Zölle auch eine wichtige Einnahmequelle sind. Der Bedarf an öffentlichen Mitteln ist für die Schaffung von Institutionen bis hin zu entsprechenden Infrastrukturen – Brunnen, Straßen, Gesundheitsversorgung, Rechtsinstitutionen sowie Beratungs- und Bildungseinrichtungen – groß. Auch wo landwirtschaftliche Betriebe mehr produzieren könnten, passiert dies oft nicht, weil Lager- und Transportmöglichkeiten fehlen. Die schädliche Wirkung von Subventionen im Agrarhandel ist hinlänglich bekannt. Daher ist es der richtige Weg, direkte Ausfuhrsubventionen abzuschaffen. Was indirekte Subventionen betrifft, ist zu überlegen, wie dieser ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteil zum Beispiel durch Zölle seitens der Entwicklungsländer kompensiert werden kann.

Unternehmen dürfen nicht länger von menschenunwürdiger Arbeit und der Missachtung von Umweltschutz profitieren können. Abkommen brauchen daher klare Regeln für Betriebe sowie Klagemöglichkeiten für Geschädigte. Zudem sind Sozial- und Umweltstandards in Abkommen zu verankern, um Dumping weltweit zu verhindern – und um ArbeitnehmerInnen in Entwicklungsländern ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Von
Angela Pfister
Volkswirtschaftliches Referat im ÖGB

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.

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