Beschäftigt, weiblich, unterbezahlt

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Man trifft sie beim Haareschneiden, wenn sie den Kaffee servieren oder das Büro putzen: Beschäftigte, meist Frauen, die weniger als 1.500 Euro im Monat verdienen.

Arme Frauen, arme Familien

Mit 1.500 Euro brutto monatlich kommt man netto auf ca. 1.200 Euro. Das liegt halbwegs solide über der aktuellen Armutsgrenze von 1.000 Euro pro Monat (14-mal jährlich). Aber auch wenn es sich mit dem Lohn gerade noch ausgeht: Spätestens wenn man eine Sozialleistung braucht, kann es eng werden. Denn wichtige Leistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld oder eine Unfallrente berechnen sich aus dem vorangegangenen Einkommen. So beträgt beispielsweise das Arbeitslosengeld 55 Prozent des vorangegangenen Nettoeinkommens, das wären bei 1.500 Euro dann 660 Euro. Damit findet man sich deutlich unter der Armutsgrenze wieder. Von noch geringeren Löhnen gar nicht zu reden.

Brenzlig wird es auch, wenn das Einkommen für mehr als eine Person reichen muss – also Familien davon leben müssen. Dass Frauen viel öfter einen Niedriglohn erhalten, schlägt sich dabei unerfreulich nieder: Haushalte mit einer weiblichen Hauptverdienerin haben ein doppelt so hohes Armutsrisiko wie Haushalte mit einem männlichen Hauptverdiener. Bei den Alleinerziehenden ist ein Viertel arm trotz Arbeit. Wie weitgehend bekannt ist, sind 90 Prozent der Alleinerziehenden Frauen. Damit wird deutlich, was in der Mindestlohndiskussion wenig Beachtung findet: dass Kinder von Armut betroffen sind, weil ihre Eltern zu wenig verdienen.

Bei Paaren sollten auch die Männer ein Interesse daran haben, die Einkommensposition der Frauen zu verbessern. Denn nur ein ausreichend hohes Fraueneinkommen ermöglicht einen finanziellen Ausgleich, wenn ein Mann aufgrund von Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit als Verdiener ausfällt. Und auch im Falle einer Trennung geht es allen besser, wenn beide Teile ein Einkommen haben, von dem sie auch leben können.

Um Niedriglohn über verschiedene Länder hinweg vergleichbar zu machen, wurde ein eigener Indikator geschaffen. Niedriglohn ist hier definiert als weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen Einkommens. Laut Berechnung des WIFO liegt dieser Wert für Österreich bei 1.460 Euro und damit knapp unter der im ersten Schritt angepeilten Mindestlohngrenze. Vergleicht man Österreich dabei mit anderen EU-Ländern, so zeigt sich, dass hierzulande von Gendergerechtigkeit keine Rede sein kann. Zwar liegt Österreich beim Anteil der Niedriglohn-BezieherInnen insgesamt im EU-Ranking im mittleren Bereich – der Unterschied zwischen den Geschlechtern aber ist in Österreich am größten: So haben 25 Prozent der beschäftigten Frauen, aber nur 8 Prozent der beschäftigten Männer in Österreich einen solchen Niedriglohn. Nirgends in der gesamten EU ist der Abstand größer: ein bedenklicher Befund aus Sicht der Gleichstellung.

Ein genereller Mindestlohn von 1.500 Euro würde diese Situation zumindest entschärfen. Aber zweifellos darf dort nicht haltgemacht werden. 1.700 Euro müssen das Ziel bleiben, und das sicher nicht erst im Jahr 2025.

Fadenscheinige Begründungen

Geht es darum, dass Frauen weniger verdienen als Männer, werden gerne jede Menge von Begründungen gefunden: Sie machen schlechter bezahlte Ausbildungen, sie arbeiten in den falschen Branchen – und das nur in Teilzeit, und dann noch die Unterbrechungen wegen der Karenz … Aber auch wenn diese Faktoren eine Rolle spielen: Weniger als die Hälfte der Lohndifferenz kann laut neuesten Daten der Statistik Austria mit diesen „objektiven“ Faktoren erklärt werden.

Es braucht mehr

Denn selbst wenn Branche, Beruf, Bildungsniveau, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Vollzeit/Teilzeit, Art des Arbeitsvertrags, Region und Unternehmensgröße herausgerechnet werden, bleibt ein Nachteil von fast 14 Prozent für Frauen. Zur Veranschaulichung: 14 Prozent von 1.500 Euro sind 210 Euro. Es braucht nicht viel Fantasie, dass 200 Euro monatlich mehr oder weniger in dieser Einkommensgruppe einen spürbaren Unterschied machen. Deswegen müssen auch die 1.700 Euro im nächsten Schritt das Ziel sein, die Beseitigung des Gender Pay Gaps sowieso. Dabei geht es auch um erklärbare Faktoren. Egal ob nur ein Drittel der Lehrstellen mit jungen Frauen besetzt wird oder typische Frauenberufe wie Pflegefachkraft und Kindergartenpädagogin viel zu gering bezahlt werden – Gleichstellungspolitik braucht viel mehr als den Mindestlohn. Aber dieser ist ein wichtiger Aspekt.

Ein höherer Mindestlohn ist nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit dringend notwendig, er ist auch wichtig im Sinne der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern und der Vermeidung von Familienarmut. Und er ist auch wirtschaftlich sinnvoll: Haushalte mit niedrigen Einkommen müssen einen großen Teil ihres Geldes für Lebenshaltungskosten ausgeben, Lohnerhöhungen landen demnach nicht am Sparbuch, sondern direkt im Wirtschaftskreislauf. Gerade der Handel würde von der Erhöhung des Mindestlohns doppelt profitieren, weil das zusätzliche Geld in den Konsum fließen würde.

Arbeitgeber an der Reihe

Mit der Lohnsteuerreform wurden die geringen Einkommen durch die Anhebung des Einstiegssteuersatzes und mit der Anhebung der Negativsteuer von öffentlicher Seite entlastet. Davon haben überwiegend Frauen profitiert. Jetzt sind die Arbeitgeber an der Reihe, ihren Beitrag zu leisten.

Blogtipp
Trotz Vollzeit unter 1.500 Euro

Von
Sybille Pirklbauer
Abteilung Frauen und Familie der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/17.

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