Tödliche Straflust

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Der 10. Oktober ist der Tag der Todesstrafe. In der EU richtet der Staat nicht mehr über Menschenleben. Doch das Thema bleibt ein populistischer Stimmungsmacher.

INFOBOX

Die Todesstrafe: Fakten statt Emotionen

Die Todesstrafe wird gerne im Namen der Angehörigen der Opfer legitimiert. Doch es ist ein Fehlschluss, dass diese den Angehörigen tatsächlich ein Gefühl von Gerechtigkeit bringt. „Oft dauert der Prozess über zehn Jahre, es lässt die Betroffenen nicht los, traumatisiert sie zusätzlich. Selbst starke Befürworter der Todesstrafe empfinden keinen Seelenfrieden nach einer Hinrichtung“, weiß Patzelt von amerikanischen Fallstudien zu berichten. Das widerlegt ein besonders fragwürdiges Pro-Argument der Todesstrafe, sie käme billiger. So dauert in Staaten mit westlichen Rechtsstandards die Prozessfindung mit Berufungen zwischen sechs und acht Jahren und wird in Summe wesentlich teurer als lebenslängliche Haft.

Mehr als fragwürdig ist auch ihre abschreckende Wirkung. Im Jahr 2012 stellte der National Research Council in den USA fest, dass es „keine ausreichenden Informationen darüber gibt, ob die Todesstrafe die Mordrate verringert, erhöht oder überhaupt einen Effekt auf sie hat“. Im benachbarten Kanada sank die Mordrate seit Abschaffung der Todesstrafe (1976) kontinuierlich und liegt bis heute deutlich niedriger als in den USA. „Die moderne Strafrechts- und Menschenrechtswissenschaft hat schon lange bewiesen, dass die Todesstrafe keine abschreckende Wirkung entfaltet. Jene, die die Todesstrafe befürworten, auch wenn sie andere Argumente vorschützen, sind in der Regel beseelt von einem archaischen Strafrechts- und Gerechtigkeitsdenken, das natürlich stark von religiösem Denken beeinflusst ist“, stellt Manfred Nowak klar.

Todesstrafe weltweit

Zwei Drittel aller Staaten haben die Todesstrafe abgeschafft bzw. ausgesetzt. In Österreich wurde sie im Jahr 1950 zunächst für nicht militärische Verfahren abgeschafft, im Jahr 1968 wurde sie schließlich völlig aus den österreichischen Strafgesetzen gestrichen. Wie viele Menschen jährlich hingerichtet werden, ist laut Amnesty nur schwer zu zählen. So gibt die Menschenrechtsorganisation zwar an, dass China das Land mit den meisten Hinrichtungen sei, aber: „Das wahre Ausmaß der Todesstrafe bleibt Staatsgeheimnis.“ Auf der Liste der Länder, die am häufigsten die Todesstrafe vollziehen, folgen nach China der Iran, Saudi-Arabien, Irak und Pakistan.

„Für EuropäerInnen am irritierendsten ist, dass sogar demokratische Rechtsstaaten wie die USA oder Japan die Todesstrafe anwenden“, so Patzelt. Als „politisch hoch motiviertes Einschüchterungsinstrument“ wird die Todesstrafe in Syrien oder dem Iran eingesetzt. „Wenn es in der Bevölkerung unruhig ist, sieht man die Leute hängen.“
In Saudi-Arabien und dem Irak gibt es die Todesstrafe überwiegend aus religiösen Gründen. Tödliche Delikte sind Homosexualität, Ehebruch oder der Abfall vom rechten Glauben (Apostasie). Am schwierigsten zu fassen ist der traurige Weltmeister. „China ist ganz langsam in Richtung Rechtsstaat unterwegs, aber mit wenig Vertrauen in die Wirksamkeit des eigenen Rechtsdurchsetzungssystems. So wenden sie die Todesstrafe nicht nur bei Mord an, sondern auch bei Steuerhinterziehung, Korruption und bei der Manipulation von Lebensmitteln (Babymilchskandal).“

In Europa ist die Todesstrafe in allen Ländern bis auf eine einzige Ausnahme abgeschafft: Weißrussland. Da die Zahlen über Hinrichtungen als Staatsgeheimnis gelten, weiß man mit Gewissheit nur, dass zuletzt im Jahr 2014 jemand exekutiert wurde.

Von
Beatrix Beneder
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/17.

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