Pandemiebekämpfung und Patente auf Impfstoffe: Nur eine globale Lösung beendet die Coronakrise

Inhalt

  1. Seite 1 - Die Pandemie, die spaltet
  2. Seite 2 - Privatisierung der Gewinne
  3. Seite 3 - Globale Gemeingüter statt bloßer Wohltätigkeit
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Nach zwei Jahren ist klar: Die COVID-19-Pandemie muss für alle auf dieser Welt enden – oder sie endet für niemanden. Die reichen Industrieländer und ihre Pharmakonzerne stehen in der Pflicht. Eine Analyse von Lisa Kreutzer, Lukas Oberndorfer und Oliver Prausmüller.

Globale Gemeingüter statt bloßer Wohltätigkeit

Das Problem ist, dass sich alle privaten Unternehmen, die einen fertig entwickelten mRNA-Impfstoff haben, bisher weigern, ihr Wissen ärmeren Ländern zur Verfügung zu stellen. Deshalb fordert die WHO Unterstützung und Finanzierung eines Technologietransfers sowie den Aufbau von Produktionskapazitäten im globalen Süden. Nicht in Form von exklusivem Eigentum, sondern als Gemeingut. Wer an den Möglichkeiten einer Impfstoffproduktion unter öffentlicher Kontrolle zweifelt, könnte einen Blick nach Kuba wagen. Während die Anzahl der Infektionen mit dem Coronavirus in Deutschland und Österreich seit Ende Dezember rasant stiegen, flachte dort die Kurve nach hohen Ansteckungszahlen im Sommer, Anfang Dezember stark ab.

Hauptgrund ist der von dem öffentlichen Institut entwickelte Impfstoff Soberana, der nach aktuellem Stand eine Wirksamkeit von über 90 Prozent hat. Die Insel hat eine Durchimpfungsrate von 90 Prozent, die nicht zuletzt durch das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die öffentlich hergestellten Impfstoffe möglich wurde. Damit soll nicht relativiert werden, dass es in Kubas Einheitslisten-System keine freien Wahlen und erst Recht nur wenig Vertrauen in die staatliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit gibt – sondern ein Blick darauf geworfen werden, wie eine gemeinwohlorientierte Pharmaindustrie aussehen könnte.

Denn großen Teilen des globalen Nordens und Südens haben gemein, dass das Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie den Fortschritt der Impfkampagnen lähmt. In einem gemeinwohlorientierten Gesundheitssystem wiederum scheint die Skepsis gegenüber den Wirtschaftsinteressen großer Pharmakonzerne geringer.

Die anhaltende Blockade der Freigabe kritischer Gesundheitstechnologien in der Welthandelsorganisation zeige gerade, dass eine kleine Gruppe von reichen Ländern die „Interessen der Pharmakonzerne ausdrücklich vor die globale Gleichheit und Solidarität im globalen Gesundheitssektor“ stellt.

Dass dringend neue Wege in der globalen Gesundheitspolitik eingeschlagen werden müssen, machte zuletzt nochmals die Ökonomin Mariana Mazzucato deutlich. Sie ist Professorin für Economics of Innovation and Public Value am University College London und fordert, dass wichtige Gesundheitsinnovationen für alle verfügbar sein müssen. Die Bekämpfung der „schändlichen Ungleichheit“ bei Impfstoffen funktioniere unter der Kontrolle der Pharmakonzerne nicht und könne nicht bloß auf Wohltätigkeit beruhen. Die anhaltende Blockade der Freigabe kritischer Gesundheitstechnologien in der Welthandelsorganisation zeige gerade, dass eine kleine Gruppe von reichen Ländern die „Interessen der Pharmakonzerne ausdrücklich vor die globale Gleichheit und Solidarität im globalen Gesundheitssektor“ stellt. Ihr Appell lautet: „Gesundheitstechnologien dürfen nicht ausschließlich als private Eigentumsmonopole betrachtet werden, sondern müssen Teil des globalen Gemeinguts werden“.

Doch die globale Freigabe der Patente wird von Teilen der EU, wie etwa der Europäischen Kommission oder der deutschen und der österreichischen Bundesregierung, nach wie vor blockiert. In Österreich hat sich zwar Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Die Grünen) für eine Freigabe ausgesprochen, er konnte sich jedoch nicht gegen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck durchsetzen, die insbesondere auf die Interessen des österreichischen Pharmaverbands Pharmig achtet.

In Österreich hat sich zwar Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Die Grünen) für eine Freigabe ausgesprochen, er konnte sich jedoch nicht gegen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck durchsetzen, die insbesondere auf die Interessen des österreichischen Pharmaverbands Pharmig achtet.

Je länger die Pandemie andauert, mit jeder neuen Variante, mit jedem neuen Lockdown, desto offensichtlicher wird, dass Impfstoffpatente nicht nur aus moralischer, sondern auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive problematisch sind. Sie schaden der Pandemiebekämpfung. Denn „niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind“. Wer selbst nach zwei Jahren Pandemie unsolidarische Antworten vorzieht, wird keine finden.

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