Kavaliersdelikt auf Staatskosten

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Mit einer Reihe von Maßnahmen will der Staat den Sozialbetrug und die Steuerhinterziehung stärker eindämmen. Etappenerfolge wurden bereits erzielt.

Die Wirtschaft als Gewinnerin

Dabei geht der Sozialbetrug stets mit Abgabenhinterziehung einher: In den meisten Fällen sind das Lohnabgaben, aber auch oft Umsatz- oder Ertragsteuer, die hinterzogen werden.

In solchen Fällen versucht die Finanzpolizei, durch Sofortmaßnahmen das Geld für die Abgabenbehörde zu sichern. Eine finanzrechtliche Strafverfolgung dieser Steuersünder gestaltet sich laut Ministerium dann oft schwierig. „Die Ermittlung der Hintermänner ist oft kaum möglich“, räumt der Pressesprecher des Finanzministeriums ein.

Es sind oft Reinigungskräfte, HandwerkerInnen oder NachhilfelehrerInnen: Eine Rechnung wird nicht verlangt, dafür ist der Preis niedriger als offiziell. Die Schattenwirtschaft hat in Österreich auch ihre Profiteure: in erster Linie die Wirtschaft selbst. „Sogar 40 Prozent der Pfuscharbeiten sind komplementär“, stellt Friedrich Schneider fest. Diese Arbeiten würden nämlich in der öffentlichen Wirtschaft zu dem offiziellen Preis gar nicht nachgefragt. ProfiteurInnen sind aber auch die PfuscherInnen selbst: 66 Prozent aller Pfuscharbeiten kommen von Personen, die bereits selbstständig oder unselbstständig tätig sind. Nicht versteuert werden hier dann die Überstunden, die schwarz geleistet werden.

Dass in manchen Berufen der Pfusch immer noch floriert, verdankt man der Tatsache, dass er von der Bevölkerung immer noch oft als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Wenn es nach dem Staat geht, sollen auch diese „klassischen“ Schwarzarbeiten wie gelegentliche Haushalts- oder Gartenhilfe unterbunden werden, etwa durch den Dienstleistungsscheck, der laut Sozialministerium in den letzten Jahren zu einem Erfolg geworden ist. Auch ein Barzahlungsverbot in der Baubranche sollte die Schattenwirtschaft präventiv dämmen. In den letzten zwei Jahren hat man außerdem die Zusammenarbeit der Behörden – insbesondere der Polizei, Gebietskrankenkassen und der Finanzpolizei – verbessert. Auch eine Sozialbetrug-Datenbank, auf die alle relevanten Behörden zugreifen können, ist im Entstehen.

Selbstständig und armutsgefährdet

Der Sozialbetrug muss dabei gar nicht die Finanzpolizei beschäftigen. Im letzten Jahr wurden in Österreich rund 280.000 EinzelunternehmerInnen registriert – mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Wirtschaftskammer. Viele von ihnen wurden unfreiwillig in die Selbstständigkeit gedrängt. Dem wachsenden Problem der Scheinselbstständigkeit hat sich die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) besonders angenommen. 2015 startete sie das Projekt watchlist-prekaer.at. Diese Internetplattform soll Scheinselbstständige motivieren, über ihre prekären Arbeitsverhältnisse Auskunft zu geben.

Erfolge gegen Scheinselbstständigkeit

Manfred Wolf, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs Interessenvertretung in der GPA-djp, zieht nach fast zwei Jahren eine positive Bilanz: „Die Erwartungen wurden bislang voll erfüllt. Wir haben bisher knapp an die 200 Meldungen bezüglich Scheinselbstständigkeit erhalten. Dabei geht es einerseits um Einzelfälle, andererseits auch um Meldungen über systematisch durchgeführte Scheinselbstständigkeit“, so Wolf.

Insgesamt geht es dabei um 500 bis 700 fragwürdige Beschäftigungsverhältnisse, die dann zur Überprüfung bei den Gebietskrankenkassen auch gemeldet wurden. Gleichzeitig kann diese Maßnahme einen kleinen Teil der Fälle aufklären: Die Dunkelziffer der Scheinselbstständigen ist weitaus höher. Aus Angst vor dem Verlust der Aufträge entscheiden sich nur die wenigsten, prekäre Arbeitsverhältnisse zu melden. Laut GPA-Angaben haben viele Betroffene ein durchschnittliches jährliches Bruttoeinkommen unter 9.000 Euro.

Von diesen Missständen sind beinahe alle Branchen betroffen, vom Sozial- und Gesundheitsbereich über die Erwachsenenbildung bis hin zur Werbung und Kommunikation. Wolf bezeichnet diese Verhältnisse als unfair: „Die Folgekosten einer derartigen Vorgehensweise tragen Steuerzahler und die Versichertengemeinschaft bzw. die Betroffenen selber, während die Beschäftiger fein raus sind.“ Außerdem wirke sich die Scheinselbstständigkeit massiv auf die Kaufkraft, Wohlstandsentwicklung und künftige Pensionen aus.

Systematische Fälle aufdecken

Der GPA geht es deshalb vor allem darum, systematische Fälle von Scheinselbstständigkeit aufzudecken. Bisherige Bemühungen führten schon zu Erfolgen: „Immerhin merken wir, dass jetzt mit der Ausschreibung von freien Dienstverhältnissen und Werkverträgen vorsichtiger umgegangen wird“, betont Manfred Wolf.

Von
Nedad Memic
Freier Journalist

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/17.

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