Coverstory: Auf die Zukunft bauen

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Wien wächst enorm. Um einen massiven Anstieg der Mietpreise zu verhindern, müssten 9.000 geförderte Wohnungen im Jahr gebaut werden. Faktisch sind es 6.000. Aber auch die Infrastruktur muss mithalten. Ein Überblick über Baustellen der Großstadt.

Privat und unerschwinglich

Davon sind aber nicht allein die Neuankömmlinge betroffen. Der Engpass betrifft auch Alteingesessene, deren Lebenssituation sich verändert hat. Das können etwa eine Scheidung, Familienzuwachs oder eine schwere Krankheit sein. Doch private Wohnungen werden immer teurer und die Vormerklisten für Gemeindebauten immer länger – ähnlich sieht es bei geförderten Bauträgern aus. Trotz alledem sind die Mieten im Vergleich etwa zu München auch auf dem privaten Sektor noch preiswerter.

Im Bemühen um neuen Wohnraum setzt die Stadt Wien einerseits auf Nachverdichtung in innerstädtischen Vierteln, andererseits auf die Schaffung von Bauflächen. In den vergangenen Jahren konnten noch große, zusammenhängende Flächen innerhalb der Stadt bebaut werden (u. a. Sonnwendviertel auf dem Südbahnhofgelände).

Aktuell finden sich Stadterweiterungsprojekte auf ehemaligen Bahnhofsarealen oder dem einstigen Flughafen in Aspern. Gebaut wird auch in Bezirken, wo noch Platz ist – dazu gehören etwa die Donaustadt und Floridsdorf jenseits der Donau. Doch langsam wird auch hier der Platz knapp. Eines der grundlegenden Probleme der Stadt sind die stetig wachsenden Bodenpreise. „Selbst in schlechter städtischer Lage kostet der Grund rund 600 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche. In den städtischen Gunstlagen werden sogar Spitzenpreise von bis zu 2.000 Euro verlangt“, weiß Christian Pichler von der Abteilung Kommunalpolitik der AK Wien. Trotz bestehender Rekordpreise warten viele BesitzerInnen noch ab, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Preise in fünf Jahren noch höher sein werden. Düster sieht es auch für Neubauten geförderter Wohnungen aus – das preisliche Limit für den sozialen Wohnbau liegt nämlich bei bescheidenen 235 bis 300 Euro pro Quadratmeter. Um diesen Quadratmeterpreis werden private Grundbesitzer nicht verkaufen. Damit kann der freie Markt das Problem der Finanzierung von Baugrund für den sozialen Wohnbau nicht lösen – greift die Stadt Wien nicht ein, werden soziale Wohnbauten zur Rarität. Die Stadt könnte allerdings bei Grundstückswidmungen oder Baubescheiden Einfluss nehmen. „Es muss eine Bodenpolitik gemacht werden, die einen gewissen Anteil an geförderten Wohnungen sichert. Doch bisher hat man sich in Wien da nicht rangetraut“, erklärt AK-Experte Ritt. Immerhin stellen auch Gebiete, die nicht sofort mit staatlicher Lenkung verbunden werden, entsprechende Regelungen auf. In der Schweiz werden Umwidmungsgewinne zu einem großen Teil abgeschöpft.

Foto (C) Michael Mazohl

Verdichtung mit Qualität

In Südtirol gibt es befristete Widmungen, es wird auch vorgeschrieben, dass ein Anteil für den geförderten Wohnbau verwendet werden muss. Eine Lösung für den knapper werdenden Wohnraum in Wien ist auch eine dichtere Bebauung der Stadt – sie würde mehr Wohnraum schaffen. Denn wird auf bestehende Bauten aufgestockt, werden zentrale Lagen und bereits vorhandene Infrastruktur ausgenutzt. Wird im privaten Althausbestand verdichtet – Stichwort Dachbodenausbau –, stellt sich jedoch die Frage, wer sich diese Wohnungen leisten kann. Einer allgemein dichteren Bebauung kann Christoph Luchsinger, Professor am Institut für Städtebau der TU Wien, viel abgewinnen. Ist das Niveau des Konzepts gut, kann eine hohe Wohnqualität auch bei recht enger Bauweise erreicht werden. Dafür sind die Grundrisse der neu errichteten Wohnungen entscheidend – hier ortet Luchsinger einen Verbesserungsbedarf. Die Wohnanlage Simmeringer Haide des Architekten Franz Eberhard Kneissl bietet 26 Quadratmeter pro Bewohner – das ist eigentlich recht eng, doch dank eines spannungsvollen Spiels zwischen Innen- und Außenraum werde eine hohe Wohnqualität ermöglicht.

Geld für die Zukunft freischaufeln

Das zukünftige Wien muss nicht nur den geförderten Wohnraum erhöhen, sondern auch die dazugehörige Infrastruktur bereitstellen – u. a. Kindergärten, Schulen, Verkehrswege, Kanalnetze. Durch den starken Zuzug kommen viele junge Menschen nach Wien, dazu werden mehr Kinder geboren. Und die Stadt muss unabhängig von neuen Wohnvierteln auch mehr Schulen schaffen.

Dabei steckt Wien in einer finanziellen Zwickmühle, da die Stadt ein Nulldefizit erreichen muss. Wien würde zwar günstige Kredite bekommen, doch der Stabilitätspakt verhindert das. Denn darin werden die Bundesländer verpflichtet, Nulldefizite oder Überschüsse zu erreichen. Das gilt selbst bei enormem Bevölkerungswachstum und Krediten, die Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum fördern. AK-Experte Ritt: „In einer wachsenden Stadt ist das Nonsens.“ Mittlerweile gibt es Vorschläge, in diesem Punkt Ausnahmen zu vereinbaren: etwa durch die „goldene Regel der Finanzpolitik“, die jahrzehntelang Teil des deutschen Grundgesetzes war.

Diese nimmt fremdfinanzierte Investitionen, die auch künftigen Generationen nutzen, aus dem strikten Sparkorsett des Stabilitätspaktes aus. Freilich, die Umsetzung dieser Regel scheitert bisher am politischen Widerstand.

Von
Christian Resei

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/17.

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