Betriebsräte ohne Grenzen

Inhalt

  1. Seite 1 - Bedarf an grenzüberschreitender Interessenvertretung
  2. Seite 2 - Gemeinsame soziale Mindeststandards
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Wenn Unternehmen und Ländergrenzen immer mehr verschmelzen, braucht es eine internationale ArbeitnehmerInnenvertretung - den Europäischen Betriebsrat.

Mangelnde Akzeptanz

Tendenziell hängt die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Betriebsrat ohnehin von der Akzeptanz der Geschäftsführung ab. „Je mehr der soziale Dialog – die Kooperation zwischen Management und Betriebsrat – zum guten Standard der Unternehmenskultur in der Konzernzentrale gehört, desto produktiver zumeist auch die länderübergreifende Zusammenarbeit“, sagt Greif. So ist in skandinavischen, deutschen und österreichischen Konzernen zumeist eine bessere Kooperation gegeben als etwa in US-amerikanischen, britischen oder französischen Unternehmen. Denn wenn bereits auf nationaler Ebene Konflikte vorherrschen, stößt auch die EBR-Arbeit auf weniger fruchtbaren Boden. Langfristig gesehen, müssen Betriebsräte noch professioneller agieren und zu einem fixen Faktor der Unternehmensplanung werden, um gleichermaßen von der Geschäftsleitung akzeptiert und in Firmenentscheidungen miteinbezogen zu werden.

Der grenzüberschreitende Kampf für die Rechte der ArbeitnehmerInnen in der EU lohnt sich trotz alledem: In seinem fast zwanzigjährigen Bestehen konnte der Europäische Betriebsrat nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa schon einige Erfolge verzeichnen. In mehreren Fällen wurden bei Restrukturierungen mit sozialverträglichen Maßnahmen harte Einschnitte verhindert und die Auswirkungen auf die Belegschaft abgemildert. Österreich gilt dank einer guten Gesetzgebung vielerorts als Modell, in dem die Betriebsräte mit starken Instrumenten ausgestattet sind. So kann beispielsweise der Betriebsrat im Falle einer Werksschließung einen Sozialplan einklagen und können somit den ArbeitnehmerInnen Kompensationszahlungen ausgezahlt werden.

Wichtige Rolle

In vielen anderen EU-Ländern sind solche sozialen Maßnahmen in der Gesetzgebung nicht vorgesehen – daher ist es von umso größerer sozialpolitischer Bedeutung, wenn etwa auch über den Europäischen Betriebsrat Sozialpläne und -leistungen in Ländern ausgehandelt werden, in denen dies innerstaatlich nicht vorgesehen ist. Hinzu kommen Interventionen seitens des EBR bei Übernahmeverhandlungen bis hin zur Rettung ganzer Standorte. In zahlreichen Fällen war der EBR auch Ausgangspunkt zur Einrichtung von lokalen und nationalen Belegschaftsvertretungen in bislang vertretungsfreien Länderstandorten.

Im November 2018 bekannten sich die 28 EU-Staaten in einer Erklärung dazu, gemeinsame soziale Mindeststandards voranzutreiben, darunter faire Löhne, Unterstützung bei Arbeitslosigkeit und angemessene Pensionen. Auch bei der Umsetzung dieser Initiative kommt den Europäischen Betriebsräten eine wichtige Rolle zu. Denn es liegt auch an ihnen, mit spürbaren Projekten der Initiative Leben einzuhauchen – in erster Linie gegen Lohn- und Sozialdumping vorzugehen – und den Menschen damit auch zu beweisen, dass die EU entscheidend zu der Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen beiträgt.

Der Elefant im Porzellanladen

Ein weiteres Anliegen, das jeder EBR aktiv angehen sollte, ist, die Arbeitsmarktchancen Jugendlicher und Älterer gerade auch in der eigenen Unternehmensgruppe zu verbessern. „Der Elefant im Porzellanladen ist allerdings der bevorstehende Brexit, den es zu bewältigen gilt. Großbritannien muss sich rasch festlegen, welchen Weg es nun einschlagen will“, sagt Wolfgang Greif. „Davon hängt es letztendlich auch ab, ob EU-Recht auch künftig Rechtswirkung entfalten wird und wie es mit bestehenden Euro-Betriebsräten und britischen EBR-Mitgliedern nach einem formalen EU-Austritt weitergeht.“

Von
Maja Nizamov
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.

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