Angriffe auf leistbares Wohnen

Inhalt

  1. Seite 1 - Mietadel?
  2. Seite 2 - Unverhältnismäßige Erhöhungen und Mogelpackung
  3. Seite 3 - Für die mittleren und einkommensschwächeren Haushalte wird nichts getan
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Die bisherigen Pläne der Regierung sind vage, die Richtung aber ist eindeutig: Mehr Geld für die Immobilienwirtschaft, weniger Chancen für leistbares Wohnen.

Einige mietrechtliche Maßnahmen, die nach der Absicht der VP/FP-Koalition schon vor einer großen Mietrechtsreform umgesetzt werden sollen, lassen teils massive Verteuerungen für Wohnungssuchende sowie MieterInnen, deren befristete Verträge ablaufen, befürchten. Der Grund: Die Teile des Mietrechts, die der Verfassungsgerichtshof vor Kurzem als Ausdruck des öffentlichen Interesses an Mietzinsdämpfung und Erschwinglichkeit von Wohnraum bestätigt hat, sollen rasch beseitigt werden. Geplant ist etwa die Aufhebung des Verbots des Lagezuschlages in Gründerzeitvierteln. Damit werden die bestehenden Mietenbegrenzungen weiter aufgeweicht.

Das derzeitige gesetzliche System, das sogenannte Richtwertsystem, kann schon heute seine mietpreisdämpfende Wirkung nur sehr beschränkt entfalten. Zum einen gilt es nur für Altbauwohnungen in Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden. Zum anderen wird in diesem System für viele Wohnungen ein „Lagezuschlag“ berechnet, der sich in der Praxis anhand der explodierenden Grundstückspreise errechnet. Gebiete ohne Lagezuschlag sind in größeren Städten daher die einzigen Lagen, in denen die gesetzliche Mietobergrenze tatsächlich für die Erschwinglichkeit von Wohnraum für weite Bevölkerungskreise sorgt. Das Gesetz definiert bisher (noch) die Gründerzeitviertel, in denen noch immer viele Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Mietskasernen stehen, ausdrücklich als maximal durchschnittliche Lage. Das ist der Immobilienwirtschaft und den in- und ausländischen ImmobilienspekulantInnen ein Dorn im Auge.

Unverhältnismäßige Erhöhungen

Dazu ein Beispiel: Eine vierköpfige Familie bewohnt eine 85 m² große Altbauwohnung. Sie hat einen auf vier Jahre befristeten Mietvertrag. Die Wohnung liegt im 17. Wiener Gemeindebezirk, also einem sogenannten Gründerzeitviertel. Die Miete beträgt derzeit 660 Euro netto plus 180 Euro Betriebskosten plus 10 Prozent Umsatzsteuer, gesamt also 924 Euro (kalt, sprich ohne Heiz- und Energiekosten). Wenn die Regierung ihre Absicht umsetzt, dann droht der Familie bei Verlängerung des Vertrages eine Erhöhung des Mietzinses für diese Wohnung um mehr als 200 Euro. Allein in Wien kann die „Aufhebung des Verbots des Lagezuschlages in Gründerzeitvierteln“ Verteuerungen bei circa 100.000 Wohnungen um bis zu 60 Prozent bewirken, wenn diese neu vermietet oder befristete Verträge verlängert werden. Offensichtlich ist nicht Wohnsicherheit der Bevölkerung das Ziel, „ein selbstbestimmtes, abgesichertes Leben“, wie im Regierungsprogramm behauptet wird. Das bisherige Bekenntnis – im Sinn des Wohls der Familien – zum unbefristeten Mietvertrag und zu seiner Attraktivierung gilt nicht mehr.

Bezieht man die Wahlprogramme in die Auslegung dieser Formulierung mit ein, bedeutet dies die Abschaffung oder eine erhebliche Verminderung der derzeitigen gesetzlichen Regelung, wonach befristete Mieten um 25 Prozent niedriger sein müssen als unbefristete. Damit können in Zukunft viele befristete Mietverträge im Altbau bei ihrer Verlängerung mit einem Schlag um bis zu ein Viertel teurer werden, ebenso die Neuverträge. Die Konsequenz: Das Angebot von kostengünstigem Wohnraum wird noch kleiner.

Foto (C) fotolia.com / Tom Baye
Die Regierung hat die Forderungen der Immobilienwirtschaft zu den ihrigen gemacht. Die Nöte der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen spielen offensichtlich keine Rolle.

Mogelpackung

„Mehr Gerechtigkeit im sozialen Wohnbau sicherstellen“ – unter diesem Titel werden regelmäßige Mietzinsanpassungen für BesserverdienerInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau gefordert. Dies ist allerdings eine Mogelpackung. Denn wenn man schon argumentiert, dass jemand „nicht ein Leben lang von einer Wohnbauförderung profitieren darf, wenn er nicht ein Leben lang bedürftig bleibt“, dann müsste man die „soziale Treffsicherheit“ jedenfalls auch bei der Förderung von Eigentum regelmäßig überprüfen. Denn wie ist es zu rechtfertigen, dass jemand – gefördert aus den Mitteln der SteuerzahlerInnen – vor Jahren eine geförderte Eigentumswohnung um einen Bruchteil des heutigen Marktwertes erworben hat und weiter in den Genuss dieser günstigen Wohnmöglichkeit kommt, obwohl er oder sie als mittlerweile BesserverdienerIn die Fördervoraussetzungen schon lang nicht mehr erfüllt?

Ob beim geförderten Einfamilienhaus, bei der geförderten Eigentumswohnung oder bei den Mietkaufwohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen: Hier trifft es noch mehr zu, dass die EigentümerInnen lebenslang von der Wohnbauförderung (also durch die SteuerzahlerInnen) profitieren, als bei MieterInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau. Ja, es profitieren sogar noch die unter Umständen bestverdienenden ErbInnen von der Förderung durch die SteuerzahlerInnen. Wenn man also Maßnahmen im Sinn des Regierungsprogramms ergreift, dann auch im geförderten Eigenheim- und Eigentumswohnbau.

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  1. Seite 1 - Mietadel?
  2. Seite 2 - Unverhältnismäßige Erhöhungen und Mogelpackung
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