Angriffe auf leistbares Wohnen

Foto (C) CHRISTIAN M. KREUZIGER / picturedesk.com
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Inhalt

  1. Seite 1 - Mietadel?
  2. Seite 2 - Unverhältnismäßige Erhöhungen und Mogelpackung
  3. Seite 3 - Für die mittleren und einkommensschwächeren Haushalte wird nichts getan
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Die bisherigen Pläne der Regierung sind vage, die Richtung aber ist eindeutig: Mehr Geld für die Immobilienwirtschaft, weniger Chancen für leistbares Wohnen.
In Österreich steigen die Wohnkosten rasant, vor allem in den Städten. Überproportional davon betroffen sind vor allem jene Haushalte im privaten Mietwohnungssegment, die einen neuen Mietvertrag abschließen oder deren abgelaufener befristeter Mietvertrag verlängert werden soll. In Wien sind jährlich rund zwei Drittel der jeweils neuen Mietverträge diesem Segment zuzuordnen, in anderen Städten und Ballungsgebieten ist es ähnlich. Die aktuellen privaten Mieten sind in der unteren Einkommenshälfte vielfach nicht oder nur kaum erschwinglich. Nicht selten beläuft sich die Belastung des monatlich verfügbaren Einkommens auf mehr als 40 Prozent, und zwar ohne dass Heiz- und sonstige Energiekosten berücksichtigt wären.

Reagiert die neue Regierung auf diese Herausforderungen? Zum Thema Wohnen finden sich im VP/FP-Regierungsprogramm unter der Überschrift „Modernisierung des Wohnrechts“ und vereinzelt an anderen Stellen einige mehr oder minder konkret ausformulierte Änderungsvorhaben. So will die Regierung ein neues Mietrecht schaffen, das Regierungsprogramm ist dabei jedoch recht vage. Die Rede ist von einem „verständlichen, anwenderfreundlichen, gerechten und transparenten Mietrecht, das ausgewogen die berechtigten Interessen von Mietern und Vermietern als mündige Vertragspartner widerspiegelt“. Über die Interpretation dieses Satzes ergeben sich jedenfalls erhebliche Auffassungsunterschiede, je nachdem, ob man ihn aus MieterInnen- oder VermieterInnensicht betrachtet.

Problematisch ist jedenfalls die Ankündigung, dass das neue Mietrecht ausdrücklich eine „marktkonforme Miete“ ermöglichen soll. Eine solche führt unweigerlich zur Abbildung der Überhitzungen des Marktes. Da zahlt man dann schon einmal 300 Euro Miete für ein 8 m² großes Zimmer mit Gemeinschaftsdusche oder 1.300 Euro für eine 75-m²-Wohnung. In Ballungsgebieten, in denen es einen Nachfrageüberhang bei den niedrig- bis mittelpreisigen Wohnungen gibt, sind dann für Durchschnitts- und GeringverdienerInnen unleistbare Mieten die Regel.

Unfaire Logik

Fair ist es sicher nicht, wenn sich die Höhe der Miete nicht an den Kosten von baulichen Investitionen orientieren muss. Der Marktwert von Immobilien und ihre Marktwertsteigerungen resultieren nämlich nicht nur aus der eigenen Leistung der EigentümerInnen, sondern auch aus den Investitionen und Entscheidungen der Allgemeinheit. Wohnungen können zumeist nur dort lukrativ vermietet werden, wo die öffentliche Hand für die Infrastruktur, für die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen und die Attraktivität des Wohnumfeldes sowie den sozialen Frieden sorgt. Auch die Finanzkrise und die Flucht in Betongold haben Wert- und Mieterhöhungen am Markt bewirkt. So stellt sich die Marktmiete eher als Profit aus Spekulation statt als Rendite auf Investition dar.

Mietadel?

Als Maßnahme nennt das Regierungsprogramm ausdrücklich die „Abschaffung des Mietadels“, und zwar durch eine „zeitgemäße Ausgestaltung der Eintrittsrechte“. Dies bedeutet offensichtlich eine gesetzliche Einschränkung der Rechte von MieterInnen, unter bestimmten Voraussetzungen den Mietvertrag der Eltern/Großeltern zu übernehmen, etwa bei deren Tod. Damit werden noch weniger jüngere, nicht wohlhabende Wohnungssuchende Zugang zu günstigen Wohnungen haben, insbesondere in zentralen und innenstadtnahen Lagen. Doch es ist sehr kurzfristig gedacht: Zwar werden die betreffenden Wohnungen frei, zugleich drängen aber Tausende Haushalte mehr auf den Wohnungsmarkt – und erhöhen damit die Nachfrage, was wiederum preistreibend wirkt. Dazu kommt, dass die frei gewordenen Wohnungen für einen Großteil der Wohnungssuchenden trotzdem nicht leistbar sind.

Ist es für die Gesellschaft wirklich erstrebenswert und von der Regierung tatsächlich gewollt, dass etwa in Wien Wohnungen innerhalb des Gürtels praktisch nur mehr vom obersten Einkommensdezil bewohnt werden können? Wollen wir, dass PolizistInnen, KrankenpflegerInnen oder KindergärtnerInnen zwar dort arbeiten, aber ohne Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie dort auch wohnen können? Nebenbei bemerkt ist es geradezu grotesk und beschämend, dass die Regierung und die Immobilienwirtschaft Menschen, die oft (weit) unter dem Medianeinkommen verdienen, als „Mietadel“ bezeichnen.

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  1. Seite 1 - Mietadel?
  2. Seite 2 - Unverhältnismäßige Erhöhungen und Mogelpackung
  3. Seite 3 - Für die mittleren und einkommensschwächeren Haushalte wird nichts getan
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