Weshalb geringeres Einkommen eine schlechtere Gesundheit bedeutet

Ein Stethoskop liegt auf einer Geldbörse. Symbolbild für die Verbindung von Einkommen und Gesundheit.
Das Einkommen beeinflusst die Gesundheit. | © Adobestock/Nattapol_Sritongcom
Einkommen und Gesundheit hängen zusammen. Je weniger Lohn oder Gehalt jemand bekommt, desto kränker ist die Person. Wer mehr verdient, kann mit einer bis zu acht Jahren längeren Lebenserwartung rechnen, zeigt sich am Beispiel der Bundeshauptstadt Wien.
Die mondänen Bezirke Wiens Innere Stadt, Döbling, Hietzing oder Währing sind Spitzenreiter, wenn man in Wien ein hohes Alter erreichen möchte. Im 1. Bezirk darf man im Schnitt eine Lebenserwartung von 82,7 Jahre erwarten und auch in den anderen drei genannten Bezirken wird man in der Regel über 80 Jahre alt. In diesen Bezirken wohnen die Wiener:innen mit den höchsten Einkommen der Stadt. Mit einem früheren Sterbealter muss man hingegen in Floridsdorf, Favoriten oder Rudolfsheim rechnen. Im drittbevölkerungsreichsten Bezirk von Wien, in Floridsdorf, ist man beim Ableben im Schnitt 74,5 Jahre alt – eine Differenz von über acht Jahren zu den Bewohner:innen der Inneren Stadt, zeigen Berechnungen des Momentum Instituts.

Während das Durchschnittsgehalt im 1. Bezirk bei 2.470 Euro netto monatlich liegt, sind es im 21. Bezirk nur 1.680 Euro. Laut Momentum Institut ergeben 100 Euro mehr Einkommen pro Monat ungefähr eine höhere Lebenserwartung von acht Monaten. Die Auswertungen zeigen außerdem, dass diese Ungerechtigkeit nicht erst in den letzten Lebensjahren auftritt, sondern schon viel früher. Nur 3,5 Prozent des reichsten Einkommensfünftel in Österreich haben laut Auswertung der Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat einen ‚schlechten‘ oder ‚sehr schlechten‘ Gesundheitszustand. Dreht man die Daten um und sieht sich das ärmste Fünftel an, dann steigt die Zahl auf 14 Prozent an.

Eine Reinigungskraft geht einen Gang entlang.
Reinigungskräfte sind oft giftigen Stoffen ausgesetzt. | © Adobestock/mtrlin

„Die Komponente Arbeit spielt eine Rolle bei der Gesundheit. Einerseits sind es häufig die geringer entlohnten Jobs, die aufgrund von körperlichen Anstrengungen oder schädigenden Stoffen Gesundheitsbelastungen für Arbeitnehmer:innen mit sich bringen. Aber auch die Existenz von finanziellen Ängsten führt zu einer starken Dauerbelastung und verursacht etwa permanenten Stress“, sagt Claudia Neumayer-Stickler, Leiterin des Referates für Gesundheitspolitik im ÖGB. Besonders Jobs in den Bereichen Gastronomie, im Tourismus, der Reinigung oder als Friseur:innen sind nicht gut bezahlt, aber dafür äußerst anstrengend. In der Reinigung oder auch als Friseur:innen kommen die Beschäftigten beispielsweise mit giftigen Stoffen in Berührung, die Hautkrankheiten auslösen oder auch Asthma verursachen können.

Klimaschutz und Gesundheit gehören zusammen

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) lassen sich 90 Prozent der gesundheitlichen Ungleichheit anhand fünf Faktoren erklären: die Qualität der Gesundheitsversorgung, finanzielle Unsicherheit, schlechte Wohnqualität, soziale Ausgrenzung und schlechte Arbeitsbedingungen. Die körperlichen Probleme, die durch eine geringe Entlohnung entstehen, sind vielfältig und reichen von einem erhöhten Risiko auf einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bis zu einer höheren Wahrscheinlichkeit Lungen- und Magenkrebs zu bekommen. Doch nicht nur bei den Arbeitnehmer:innen lässt sich ein gesteigertes Risiko messen, auch für Kinder von Eltern mit niedrigeren Einkommen gibt es negative Konsequenzen. Sie müssen sich oft ungesünder ernähren und leiden daher häufiger an Übergewicht. Eine Tiefkühlpizza im Supermarkt ist um einiges günstiger als ein frisch gekochtes Essen mit Bio-Gemüse und Bio-Fleisch.

„Es ist wichtig, dass wir die Korrelation zwischen der Einkommenssituation und der Gesundheit sehen und deren wechselseitige Beziehung: Das Einkommen beeinflusst die Gesundheit, aber der Gesundheitszustand beeinflusst auch die Verdienstmöglichkeiten“, so Neumayer-Stickler.  Laut der Expertin braucht es einen Ausbau der Primärversorgung und Kinderprimärversorgung, die Aufstockung von Kassenarztstellen, insbesondere in der Allgemeinmedizin und der Kinder- und Jugendheilkunde, sowie der Kassentherapieplätze. Zudem sei eine Ausdehnung der psychosozialen Versorgungsangebote, der Ausbau von kostenfreien und gut zugänglichen Angeboten zur Gesundheitsförderung und Prävention sowie die Einführung einer Obergrenze von privaten Zuzahlungen wie Selbstbehalte (u.a. für Heilbehelfe, Hilfsmittel etc.) notwendig, um Gesundheit sozial gerecht zu gestalten.

Klimaschutzmaßnahmen können außerdem positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben. „Bessere Wohnverhältnisse durch Gebäudesanierung, weniger Straßenverkehr und mehr Grünflächen (in der Stadt), nachhaltige, ökologische und leistbare Lebensmittel sowie die Forcierung der aktiven Mobilität, also zu Fuß gehen oder Rad fahren können dabei helfen, die Gesundheit zu verbessern“, erklärt Neumayer-Stickler weiterhin.

Trend zum privatisierten Gesundheitssystem stoppen

Bei der Gesundheit spielt allerdings nicht nur das Einkommen, sondern auch das Geschlecht eine Rolle. Frauen werden im Schnitt zwar um fast fünf Jahre älter als Männer (84,0 Jahre zu 79,3 Jahre), müssen jedoch von weniger gesunden Lebensjahren ausgehen. „Die Ursachen dafür können einerseits in der Einkommenssituation gesucht werden – Frauen haben ein geringeres Einkommen und vor allem eine geringere Pension – und andererseits in der oft jahrelangen, teils jahrzehntelangen Mehrfachbelastung durch bezahlte und unbezahlte Arbeit“, erklärt Neumayer-Stickler.

Obwohl Österreich viel Geld für das Gesundheitssystem ausgibt (11 % des BIP, Anm.) steigt die Ungleichheit an, die Tendenz geht immer mehr in Richtung einer Zweiklassenmedizin. Eine private Zusatzversicherung bedeutet auch einen deutlich schnelleren Zugang zu einer umfassenderen Gesundheitsversorgung. Neumayer-Stickler warnt vor dieser Entwicklung und fordert einen Stopp dieses Trends. „Wir sehen, dass private Zahlungen im Zugang zur Gesundheitsversorgung zunehmend eine größere Rolle spielen. Diesen Trend gilt es dringend umzudrehen“.

Es gibt zwar viele Baustellen, aber auch einen positiven Aspekt des österreichischen Gesundheitssystems, so Neumayer-Stickler: „Die Abdeckung durch die soziale Krankenversicherung ist in Österreich mit 99,8 % fast flächendeckend gegeben. Damit ist zumindest der grundsätzliche Zugang zur medizinischen Versorgung abgesichert.“

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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