Tricks bei der Wasserqualität

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Österreichweit hat das Trinkwasser Spitzenqualität. In landwirtschaftlich intensiv genutzten Problemregionen hilft das den KonsumentInnen kaum.

Problem seit Jahrzehnten bekannt

Trotz strenger rechtlicher Vorgaben treten in Gebieten, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, wie im Osten und Südosten Österreichs sowie im oberösterreichischen Zentralraum, noch immer überhöhte Nitrat- und Pestizidwerte auf. Dieses Problem wäre mit gutem Willen seitens der Politik und der Agrarwirtschaft lösbar. Doch werde seit Jahren „einfach zu wenig getan“, bemängelt Strutzmann. Gerade mit dem (bundesweit geltenden) Aktionsplan Nitrat könne ein neuer Ansatz zum verantwortungsbewussten Umgang mit schädlichen Düngemitteln seitens der Landwirtschaft verfolgt werden. „In Problemgebieten braucht es strengere Überwachung. Die Bauern dürfen nicht so viel Dünger ausbringen. Denn ist das Nitrat einmal im Boden, kommt es sehr schwer wieder heraus“, weiß die AK-Expertin.

Der Anstieg der Belastung sei „umso mehr zu beanstanden“, kritisierte der Rechnungshof, „als das Problem seit mehr als 50 Jahren bekannt war“. Immerhin hatte es seinerzeit sogar zur Gründung einer eigenen Gesellschaft – EVN Wasser GmbH – geführt, um die Qualität des Trinkwassers zu garantieren. Die Förderungen hätten zu wenig quantitative Ziele, kritisiert Agrarwissenschafterin Strutzmann. „Somit wird Geld ausgeschüttet, ohne den messbaren Effekt zu kennen. Man könnte in einer gemeinsamen Agrarpolitik viel radikaler ausschließlich das fördern, was Umwelt und Grundwasser nicht beeinträchtigt.“ Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gibt das Erreichen bzw. Bewahren eines guten chemischen Zustandes des Grund- bzw. Trinkwassers vor. „Bei der Umsetzung der WRRL in Österreich wurde – im gesetzlichen Rahmen – einfach ein wenig getrickst“, sagt Iris Strutzmann. So wurde für die Planung eine neue Unterteilung der Grundwasserkörper vorgenommen. „Die gewählte Einteilung erschwerte die Fokussierung auf wesentliche Problembereiche“, stellt auch der Rechnungshofbericht 2015 fest, „und führte zu einer Nivellierung von Belastungen bei unterschiedlich stark verunreinigten Wasserkörpern.“ So war etwa das Grundwassergebiet Zayatal in Niederösterreich bei Nitratwerten bis zu 120 mg/l bis 2006 als voraussichtliches Gebiet zur Anwendung von Schutzmaßnahmen ausgewiesen. Durch die Einbindung in die Gruppe der Grundwasserkörper „Weinviertel MAR“ löste sich das Problem ohne weiteres Zutun großräumig auf.

Dabei ist es alles andere als geringer geworden: Der „Nitratbericht 2016“ weist vier Grundwasserkörper (mit einer Gesamtfläche von 1.570 km2) aus, die in keinem guten chemischen Zustand sind. Bei mindestens 50 Prozent der Messstellen wird der Schwellenwert von 45 mg/l überschritten, nämlich: Marchfeld, Parndorfer Platte, Ikvatal und Südliches Wiener Becken – Ostrand.

Im Sommer meldete der Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland (WLV NB) zu hohe Belastung durch Nitrat im Grundwasser. Eine gesetzliche Regelung für den Einsatz von Düngemitteln sei unbedingt notwendig, forderte Helmut Herlicska, Technischer Betriebsleiter des WLV. Rund 20 Prozent des Grundwassers seien stark belastet. Nur aufwendige Maßnahmen könnten die gute Qualität des Trinkwassers garantieren. Immer wieder beklagen die Wasserversorger Verstöße gegen das seitens der EU geforderte Verschlechterungsverbot und Verursacherprinzip durch die Landwirtschaft. Der WLV NB reichte Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. „Irgendwann“, prophezeit Strutzmann, „werden dann die durch notwendige Aufbereitung des Wassers erhöhten Kosten an die Konsumenten abgegeben. Das heißt: Wir alle zahlen.“

Mit Problemen hat auch Oberösterreich zu kämpfen. Hier werden über 20 Prozent der Haushalte durch Hausbrunnen versorgt. Seit vielen Jahren führt daher die AK OÖ Brunnenwassertests in den Problemgebieten Eferdinger Becken, Machland bzw. Traun-Enns-Platte durch. 2016 wurden 278 Proben ausgewertet, 26 davon wiesen Nitratwerte über dem Schwellenwert von 45 mg/l auf, der Spitzenwert lag bei 171 mg/l.

Es geht auch anders

Jahrelang war das Gebiet südlich von Graz als Grundwasserschongebiet verzeichnet. Denn seit den 1990er-Jahren hatte es viel zu hohe Nitratwerte im Grundwasser aufgewiesen. Schließlich beauftragte das Land Steiermark das Forschungsinstitut Joanneum Research mit der Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen. Seit 1. Jänner 2016 ist das „Regionalprogramm zum Schutz der Grundwasserkörper Grazer Feld, Leibnitzer Feld und Unteres Murtal“ gesetzlich bindend. Die Bauern und Bäuerinnen müssen Anbau, Düngung, Pestizideinsatz etc. genauestens aufzeichnen. So kann überprüft werden, welche Schutzmaßnahmen wirken und wo die Verursacher sind. Die Düngung im Herbst wurde verboten, da sie laut Studie wenig bringt und sehr belastet. „Diese Möglichkeit hätten alle anderen Bundesländer, die Probleme mit dem Grundwasser haben, auch“, sagt Iris Strutzmann. Handlungsbedarf ist nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels dringend geboten. So ist bei Abnahme von Niederschlägen im Winter in einigen Regionen Österreichs eine Zunahme der Nitrat- und Pestizidbelastung des Grundwassers zu befürchten.

AW-Blog:
blog.arbeit-wirtschaft.at/?s=Strutzmann
Wirtschaft und Umwelt – Zeitschrift für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit:
www.ak-umwelt.at
Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES):
www.ages.at

Von
Gabriele Müller
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.

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