Kommentar: Sprache schafft Realität – auch im Betriebsrat

Im Betriebsrat sein, bedeutet, einen Teamsport auszuüben.
Mitglied im Betriebsrat sein, ist ein Teamsport. | © Markus Zahradnik
Mitglied im Betriebsrat sein bedeutet, einen Teamsport auszuüben. Ein Mitglied kann nur gemeinsam mit den anderen tätig werden. Ein Kommentar von Martin Müller, Leiter des Referats für Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB.
Homonyme sind Wörter, die sich gleichen und doch unterschiedliche Bedeutung haben. So kann „Tau“ ein Seil sein oder die kondensierte Luftfeuchtigkeit an den Blättern am Morgen. „Morgen“ kann die Zeit um den Sonnenaufgang wie auch den auf heute folgenden Tag meinen. Es gibt eine ganze Menge derartiger Begriffe: Schloss, Kiefer, Bank, Erde etc. Auch „Rat“ ist ein Homonym. Es kann eine Empfehlung meinen oder einen Amtstitel; es kann alleine, aber auch in Verbindung mit anderen Wörtern auftreten. Etwa in „Hofrat“, „Amtsrat“ oder im ehrenhalber verliehenen Berufstitel „Kommerzialrat“. Der „Rat“ kann auch ein Gremium sein, eine Personengruppe, die zusammenkommt und verschiedene Themen bespricht – so wie der Europarat oder einst der Reichsrat. Was für ein Rat ist nun der „Betriebsrat“?

Portrait von ÖGB-Rechtsexperte Martin Müller während des Interviews zur arbeitszeitverkürzung und Wohlstand.
Martin Müller, Leiter des Referats für Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB, über die Bedeutung des Wortes Betriebsrat. | © Markus Zahradnik

Nachdem wir „unternehmerische Empfehlung“ als Wortbedeutung ausschließen können, bleibt die Frage, ob es sich um einen Amtstitel handelt oder um ein Gremium. Mit einem Blick in das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) und in all seine Vorgängerbestimmungen ist das schnell geklärt. „Betriebsrat“ bezeichnet eine Personengruppe, die aus Mitgliedern (in diesem Fall den Betriebsratsmitgliedern) besteht. Es handelt sich also um keinen Amtstitel für eine Person.

„Betriebsrat“ ist ein Teamsport

Warum das so wichtig ist? Die richtige Verwendung von Begriffen kann Missverständnisse und Unklarheiten vermeiden. Das einzelne Mitglied des Betriebsrats kann etwa immer nur gemeinsam mit den anderen oder aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrats tätig werden. Alle Befugnisse, die das ArbVG dem Betriebsrat überträgt, können daher nur im Kollektiv wahrgenommen werden. Wenn wir „Betriebsrat“ aber für die einzelnen Betriebsratsmitglieder oder gar nur für den oder die Vorsitzende verwenden, dann unterstellen wir, dass eine einzelne Person Träger:in der Befugnisse, der Aufgaben und auch der damit verbundenen Verantwortung ist.

Sprache schafft, wie schon Wittgenstein festgestellt hat, Realität. Das falsche Verwenden von Begriffen kann zu einer Veränderung von deren Bedeutung führen. In diesem Fall tun wir damit weder dem Gremium noch seinen Mitgliedern etwas Gutes. „Betriebsrat“ ist ein Teamsport. Das geht nur gemeinsam.

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Über den/die Autor:in

Martin Müller

Martin Müller ist Jurist und Leiter des Referats Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB. Er ist Mitautor arbeitsrechtlicher Sachbücher und Ratgeber und Vortragender an der SOZAK, BRAK und Gewerkschaftsschule.

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