Nicht vergebens

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  1. Seite 1 - Soziale Kriterien als Kernelement der Vergaberechtsreform
  2. Seite 2 - Lohndumping ohne Konsequenzen
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Mit der Vergabe öffentlicher Aufträge kann der Staat viele soziale Aspekte beeinflussen. Die Regierung setzt stattdessen auf "Entbürokratisierung".

Nicht immer ist es fair

Fakt ist allerdings, dass es bei der öffentlichen Auftragsvergabe oft nicht fair zugeht. Vor allem bei einem hohen Auftragsvolumen werden lange und komplexe Subunternehmerketten gebildet, die besonders gut dazu geeignet sind, Lohn- und Sozialdumping im Baubereich zu verstecken. Gibt es Ärger, haben die Arbeiter einer Baufirma oft Probleme herauszufinden, wer überhaupt ihr Arbeitgeber ist. Da es sich dabei oft um ein Subunternehmen handelt, war es bis vor Kurzem sehr schwierig, den Auftraggeber des Arbeitgebers zu eruieren. „Wenn sich Arbeiter an die Arbeitsrechtsabteilung der AK gewendet haben, war es oft auch für unsere Experten schwierig, die Kette der Subunternehmen zu entwirren“, weiß Jurist Walter Gagawczuk von der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien.

In den letzten Jahren konnte die AK viel bei der öffentlichen Vergabe erreichen. Durch die Novelle des Bundesvergabegesetzes 2015 dürfen Subunternehmer nur mit vorheriger Zustimmung des Auftraggebers eingesetzt werden. Auch das heuer beschlossene Bundesvergabegesetz wurde noch unter Beteiligung der AK entwickelt. Es sieht vor, dass wichtige Daten zu Bauaufträgen ab einem Wert von 100.000 Euro an die Baustellendatenbank der BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) weitergeleitet werden. Eine vollständige Erfassung aller Auftragnehmer sowie Subauftragnehmer soll erreicht und die Transparenz im öffentlichen Bausektor wesentlich erhöht werden. Dies ermöglicht auch den Beschäftigten, ihre Ansprüche schneller durchzusetzen, und erleichtert den Kontrollorganen die Überprüfung der Baustellen.

Lohndumping ohne Konsequenzen

Offen bleibt, ob die neue Regierung diesen Kurs weiter fortsetzen wird. Derzeit können Firmen in Europa ohne Beschränkungen grenzüberschreitend tätig sein. Verstoßen sie gegen Gesetze, ist eine Verfolgung über die Landesgrenzen hinaus für die Behörden schwierig. Das wird von vielen Unternehmen ausgenutzt. Wenn etwa ein slowenisches Unternehmen in Österreich tätig ist und beim Lohndumping erwischt wird, ist es trotzdem oft problematisch, die Firmenchefs zur Rechenschaft zu ziehen. In der Steiermark wurden Bauarbeiter einer slowenischen Firma eingesetzt, die nur den slowenischen Lohn erhielten. „Die AK Steiermark hat den ausstehenden Lohn eingeklagt und hatte damit vor Gericht Erfolg. Das ist aber mit viel Aufwand und Kosten verbunden“, erklärt AK-Experte Gagawczuk.

Kurz darauf ist die betreffende Baufirma in Konkurs gegangen – damit wurde das slowenische Insolvenzrecht gültig. Gagawczuk: „Aber der slowenische Insolvenzfonds sieht vor, dass sich die Entgeltsicherung nur auf die slowenischen Löhne bezieht. Die Arbeiter haben durch die Finger geschaut.“ Trotz bester juristischer Betreuung sind die ArbeitnehmerInnen manchmal chancenlos, wenn es um ihre berechtigten Ansprüche geht.

Europäische Arbeitsbehörde schaffen

Um diesen Missstand zu bekämpfen, hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Einführung einer europäischen Arbeitsbehörde angeregt. Wird in einem anderen EU-Land gearbeitet, soll diese EU-Agentur die Überwachung und Kontrolle von Mindestlohn und Sozialstandards sicherstellen. Ferner soll sie die Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden bei grenzüberschreitenden Angelegenheiten unterstützen und gewährleisten, dass EU-Regeln geschützt und Betrug sowie Missbrauch verhindert werden. Doch einige der neuen Mitgliedstaaten wehren sich gegen die Einführung dieser europäischen Arbeitsbehörde. „Österreich verhält sich zurückhaltend, dabei würde sich gerade Wien als Sitz für diese Europäische Arbeitsbehörde besonders eignen“, sagt Walter Gagawczuk. Der AK-Experte befürchtet, dass hier eine einmalige Chance verpasst wird.

Von
Sophia T. Fielhauer-Resei und Christian Resei
Freier JournalistInnen

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.

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