Diskriminierung im Gesundheitsbereich

Diskriminierung Gesundheit Illustration
Illustration (C) Natalia Nowakowska
Immer wieder kommt es im Gesundheitsbereich zu Diskriminierungen. Eine aktuelle Studie von SORA deckt diese auf und berichtet darüber, wer besonders davon betroffen ist.
Der gleiche und einfache Zugang zu Gesundheitsleistungen ist ein wesentliches Merkmal des österreichischen Gesundheitssystems. Dieses garantiert – zumindest theoretisch – Gesundheitsleistungen für alle – unabhängig vom Wohnort, dem Alter, der Herkunft sowie dem sozialen Status. Doch die Praxis zeigt, dass es dennoch auch im Gesundheitsbereich gelegentlich zu Diskriminierungen kommt. Das ergab die Diskriminierungsstudie von SORA, die im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt wurde und für die 2.300 Personen zwischen 14 und 65 Jahren befragt wurden. So gaben 8 Prozent der Befragten an, bei der medizinischen Versorgung in den letzten drei Jahren eine Schlechterbehandlung beispielsweise in Spitälern, bei Ärzten, aber auch bei Krankenkassen erlebt zu haben.

Wer ist von Diskriminierungen im Gesundheitsbereich betroffen?

Von jenen Personen, die im Gesundheitsbereich von Diskriminierungen betroffen waren, sind Menschen mit einer körperlichen Behinderung, Menschen über 60 Jahren, Personen, die sich der unteren Schicht zugehörig fühlen, sowie Menschen mit einem zuschreibbaren Migrationshintergrund signifikant häufiger von Ungleichbehandlung betroffen.

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Welche Arten von Diskriminierung kommen im Gesundheitsbereich vor?

Im Hinblick auf die Formen der Diskriminierung im Gesundheitsbereich wurden unterschiedliche Arten der Schlechterbehandlung genannt, die einerseits einer strukturellen, andererseits einer sozialen Diskriminierung zuzuordnen sind.

Zu strukturellen Diskriminierungen zählt beispielsweise der Zugang und die Leistbarkeit der Dienstleistungen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen bekam trotz mehrmaligem Nachfragen keinen früheren Behandlungstermin, die Hälfte erhielt eine benötigte Leistung nicht, und bei mehr als einem Drittel kam es zu einer Abweisung des Arztes bzw. der Ärztin oder des Spitals.

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Wenn es um die soziale Diskriminierung geht, berichten 55 Prozent der Betroffenen davon, dass sie eine kürzere oder schlechtere Behandlung als andere Personen erfahren haben. Ein benötigtes Medikament haben 28 Prozent nicht bekommen, und knapp ein Viertel wurde von einer privaten Versicherung abgelehnt oder höher eingestuft – aus für sie nicht nachvollziehbaren Gründen. Etwas weniger als die Hälfte der Betroffenen hat zudem die Erfahrung gemacht, dass die Krankenkasse eine Behandlung nicht übernommen hat oder die Behandlung zu teuer war.

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Diskriminierungen im Gesundheitsbereich können auch nach fachlicher, kommunikativer und finanzieller Schlechterbehandlung unterschieden werden. Unter fachlicher Diskriminierung werden die Abweisung beim Spital oder einem Arzt bzw. einer Ärztin, das Nichterhalten eines benötigten Medikaments sowie auch kürzere oder schlechtere Behandlungen zusammengefasst. Aber auch das Nicht-ernst-Nehmen von Beschwerden oder der Vorwurf, eine Krankheit nur vorzutäuschen, zählen dazu.

Unter fachlicher Diskriminierung werden die Abweisung beim Spital oder einem Arzt bzw. einer Ärztin, das Nichterhalten eines benötigten Medikaments sowie auch kürzere oder schlechtere Behandlungen zusammengefasst.

Unter kommunikativer Diskriminierung werden nicht vollständig verstandene Gespräche mit dem ärztlichen Personal, unzureichende Informationen über Gefahren und Nebenwirkungen, aber auch das Nichterhalten von Terminen verstanden. Unter finanzieller Diskriminierung wird subsumiert, wenn die Krankenkasse die Kosten einer Behandlung aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht übernimmt, Personen von einer privaten Krankenversicherung abgelehnt oder höher eingestuft werden oder nötige Behandlungen zu teuer waren, wie etwa bei Zahnbehandlungen oder einer Psychotherapie.

Wer diskriminiert im Gesundheitsbereich und wo fand die Diskriminierung statt?

Der persönliche Kontakt ist im Gesundheitsbereich ein essenzieller Bestandteil der Leistungen. Nicht verwunderlich also, dass 95 Prozent der Betroffenen die Diskriminierung im persönlichen Kontakt erfahren haben. Diskriminierungen online sind dementsprechend in diesem Bereich wenig verbreitet. Direkte soziale Diskriminierungen sind allerdings besonders unangenehm. So berichtet knapp ein Viertel der Betroffenen, dass sie bei einer Untersuchung in ihrer Würde verletzt wurden oder dass ihnen vorgeworfen wurde, eine Krankheit nur vorzutäuschen. Zu beleidigenden Äußerungen oder Handlungen ist es bei zwei Zehntel der Betroffenen gekommen.

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In 75 Prozent der Fälle ist es zu einer Diskriminierung gekommen, die von ÄrztInnen oder Pflegepersonal ausging. 32 Prozent gaben an, von anderem Personal diskriminiert worden zu sein. Diskriminierungen von anderen PatientInnen nehmen hingegen nur einen sehr geringen Anteil ein, wie auch die folgende Infografik zeigt:

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Umgang mit der erlebten Diskriminierung im Gesundheitsbereich

Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Betroffenen weiß nicht, wie sie auf Diskriminierungen im Gesundheitsbereich reagieren soll. Knapp die Hälfte versucht es zu ignorieren, ein Drittel zieht sich zurück. Nur etwas mehr als 40 Prozent suchen sich Unterstützung. Jene, die tatsächlich in die Offensive gehen, machen lediglich ein Drittel der Betroffenen aus.

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Die häufigste Reaktion auf Diskriminierungen im Gesundheitsbereich ist das Sprechen mit Familie oder Freunden, die um Rat gefragt werden (37 Prozent der Betroffenen). Immerhin 22 Prozent suchen direkt das Gespräch mit dem/der DiskriminiererIn. 14 Prozent wenden sich an die Krankenkassa, jedoch ist der Großteil dieser Personen nicht mit der dort angebotenen Unterstützung zufrieden und empfindet sie als nicht hilfreich. 12 Prozent beschweren sich bei einer offiziellen Stelle und ebenfalls 12 Prozent wenden sich an eine Beratungsstelle.

21 Prozent haben Angst vor negativen Konsequenzen.

Zudem gab ein Drittel an, gar nichts unternommen zu haben. Die Gründe dafür liegen bei 58 Prozent darin, dass sie denken, es würde sowieso nichts bringen. 21 Prozent haben Angst vor negativen Konsequenzen. In zehn Prozent der Fälle kommt zudem Scham dazu und die Tatsache, dass die Betroffenen nicht darüber sprechen möchten oder nicht wollen, dass andere davon erfahren. Auch die Unwissenheit ist ein Beweggrund dafür, nichts zu unternehmen. So teilten 17 Prozent der Betroffenen mit, nicht zu wissen, wie und wo sie das melden sollten bzw. kennen 14 Prozent keine Einrichtung, die ihnen helfen hätte können.

Der Informationsbedarf im Gesundheitsbereich stellt daher einen wichtigen Aspekt für viele Menschen dar. Jene, die sich sehr gut informiert fühlen, wenn es um ihre Ansprüche auf medizinische Versorgung und Gesundheitsleistungen, um ihre Rechte als PatientIn, um das österreichische Gesundheitssystem im Allgemeinen sowie um die Beratungsstellen der Gebietskrankenkassa geht, machen nur einen geringen Prozentteil aus, was auch in der folgenden Infografik ersichtlich ist:

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Gerade im Gesundheitsbereich fehlt oft das Wissen über die Möglichkeiten, gegen Diskriminierungen vorzugehen. Umso wichtiger sind qualifizierte AnsprechpartnerInnen, die Betroffene aufklären, beraten und unterstützen. Auch eine Erweiterung des Gleichbehandlungsgesetzes kann dazu beitragen, der heutigen Alltagsrealität vieler Betroffener gerecht zu werden und ihnen juristische Handlungsschritte zu ermöglichen. Vor allem im Gesundheitsbereich gehen viele Menschen bereits von einem umfassenderen Diskriminierungsschutz aus, als dies gegenwärtig tatsächlich rechtlich der Fall ist, gibt die SORA-Studie zu bedenken.

Über den/die Autor:in

Beatrix Mittermann

Beatrix Mittermann hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

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