Coverstory: 2 Seiten mit 1 Interesse

Inhalt

  1. Seite 1 - Vertretung vs. direktes Verhandeln
  2. Seite 2 - Zeit- und Ressourcenschonung
  3. Seite 3 - Offenheit, Kritik und Mut
  4. Seite 4 - Ständiger Veränderungsdruck
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Konflikte und Kampfmaßnahmen sind nur eine Seite der Betriebsratsarbeit. Allermeist läuft es zwischen Management und Betriebsrat gut und vertrauensvoll ab. Davon profitieren Belegschaft, Führungskräfte und oft auch das Geschäft.

Vorteil oder Nachteil am Markt

Sabine Mlnarsky, Personalchefin der Erste Bank und Erste Holding, hat schon in mehreren Unternehmen Erfahrung mit Betriebsräten gesammelt, unter anderem in ihrem letzten Job bei Austrian Airlines. Sie sieht den Betriebsrat im Allgemeinen positiv, unter anderem sei es in jeglichem Veränderungsprozess hilfreich, wenn Betriebsrat und Human-Resource-Abteilung eng zusammenarbeiten. Denn: „Betriebsräte können entweder sämtliche Prozesse gut unterstützen oder dramatisch stören.“ Mlnarsky hat in ihrer beruflichen Laufbahn beides erlebt. Bei früheren Arbeitgebern habe sich etwa der Widerstand des Betriebsrates gegen eine Flexibilisierung von veralteten Arbeitszeitzeitmodellen sehr negativ ausgewirkt: „Das ging so weit, dass ich verzweifelt bin. Ich habe gute Leute ins Unternehmen gebracht und sie nach drei Monaten wieder verloren, weil sie gesagt haben: Mit so starren Systemen will ich nicht arbeiten.“ Gebe es auf Betriebsratsseite sehr starre Persönlichkeiten, könne das teilweise gegen die Wünsche der Belegschaft laufen – und das sei „ein echter Marktnachteil“.

Silvia Hruška-Frank (AK Wien) hält es für ein totales Missverständnis, zu glauben, Betriebsräte hätten kein Interesse am Unternehmenserfolg.

Offenheit, Kritik und Mut

Genauso könne ein Betriebsrat zum Marktvorteil werden, wenn er sehr offen ist. Die oft sehr kritische Haltung von BetriebsrätInnen sei eben auch wertvoll: „Auch wenn sie manchmal übervorsichtig sind, bringen sie oft einen neuen Blickwinkel ein und machen uns auf Dinge aufmerksam, auf die wir alleine nicht gekommen wären.“ Zwei Dinge sind Mlnarsky besonders wichtig. Erstens: Qualifikation. „Je besser der Betriebsrat arbeitsrechtlich ausgebildet ist, umso höher ist die Qualität in den Verhandlungen und umso besser das Resultat.“ Zweitens: Persönlichkeit. „Betriebsräte brauchen ähnliche Profile wie Mitarbeiter in anderen Schlüsselpositionen: Sie müssen Mut haben, Entscheidungen zu treffen, die manchmal Hunderte oder Tausende Personen betreffen.“ Da BetriebsrätInnen ehrenamtlich arbeiten, für ihre Wiederwahl kämpfen müssen und häufig mit unzufriedenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kontakt stehen, weil selten jemand komme, um Lob auszusprechen, hat Mlnarsky Respekt vor dieser Aufgabe: „Der Betriebsrat ist manchmal ein Kummerkasten – in dieser Rolle will ich nicht mit ihm tauschen. Die Aufgabe ist eine große Bürde, die ich sehr anerkenne.“

Und die Aufgabenbereiche der BelegschaftsvertreterInnen werden, wie die gesamte Wirtschaft, immer komplexer. Bettina Stadler von FORBA weist unter anderem auf das Thema Digitalisierung hin, das sich gravierend auf Unternehmen und MitarbeiterInnen auswirkt: „Es gibt viele Bereiche, wo tiefgreifende Veränderungen passieren. Betriebsräte müssen diese Entwicklungen bewerten.“ Hier tue sich für die Zukunft ein sehr weites Feld für BetriebsrätInnen auf, die sich weiterbilden und qualifizieren müssen. Zwar bieten Arbeiterkammer und Gewerkschaften viele Hilfestellungen an, doch „die Betriebsräte brauchen auch Ressourcen dafür“.

Dramatisch unterschiedliche Systeme

Arbeiten Betriebsrat und Management konstruktiv zusammen, können sie betriebswirtschaftlich bessere Ergebnisse erzielen, sagt Peter Edelmayer (Dussmann).

Ob es in Österreich tatsächlich einen direkten Einfluss von guter Betriebsratsarbeit auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gebe, dazu äußert sich Stadler zurückhaltend: Die Datenlage sei nicht ausreichend und klar genug, als dass kausale Zusammenhänge seriös wären. Auch ein Ländervergleich ist aus ihrer Sicht problematisch, schon aufgrund anderer Ausgangssituationen: „Die Systeme der Mitbestimmung sind dramatisch unterschiedlich.“

Auch wenn eine Belegschaftsvertretung nicht zwingend schnurstracks zum ökonomischen Aufschwung eines Betriebs führen mag, gibt es doch einiges, was ManagerInnen an ihr schätzen. Karl-Heinz Rauscher, Geschäftsführer Ressort Personal bei MAN Truck & Bus Österreich, schätzt in seinem Unternehmen, wo es schon seit der Gründung 1990 einen Betriebsrat gibt, dass dieser ein tiefgreifendes Verständnis für die betrieblichen Zusammenhänge und die Bereitschaft hat, sich an der Weiterentwicklung des Unternehmens aktiv zu beteiligen. Auch Rauscher erlebt den Betriebsrat teils als Bremse, aber das sei nicht nur schlecht: „Aufgrund der engen Einbindung des Betriebsrates verzögern sich gelegentlich Entscheidungen, dafür können von beiderseitiger Akzeptanz getragene Entscheidungen durchwegs als nachhaltiger bezeichnet werden.“ Der Betriebsrat begleite und unterstütze aktuelle Themen rund um die Neuausrichtung des Unternehmens, zum Beispiel den Aufbau neuer Fertigungsfelder wie etwa eines Truck Modification Centers oder einer Kunststoffteile-Lackierung: „Die Wirtschaftlichkeit und die Beschäftigungssicherung stehen dabei im Einklang.“ Wichtig sind Rauscher eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit, ein Verständnis für die Interessen der jeweils anderen Seite sowie Wertschätzung: „Letztlich sind es die gemeinsamen Ziele, die auch tragfähige Vereinbarungen möglich machen.“

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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