Reichhaltiges Österreich

Orangen in einem Korb vor einem Bäumchen. Symbolbild für die ungleiche Vermögensverteilung und vererbte Bildung und Karriere.
In Österreich werden Bildung und Karriere vererbt. Das führt zu einer starren und ungleichen Vermögensverteilung. | © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Bildung, Vermögen und Wohlstand werden vererbt. Die Energiekrise dürfte die Kluft zwischen Arm und Reich noch vergrößern. Notwendig sind jetzt faire Lösungen – von der Lohn- über die Energie- und Steuer- bis zur Europapolitik. Und die bitte dringend!
Ob blond, ob braun, das Aussehen eines Menschen wird vererbt. Ähnlich verhält es sich mit Bildung und Vermögen. Das gilt jedenfalls für Österreich und viele andere Länder. Entsprechend ungerecht und starr ist die Vermögensverteilung. Die Coronapandemie und die Energie- und Teuerungskrise als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben das deutlich gezeigt. Reparaturen sind aber möglich und dringend notwendig. Zu diesem Ergebnis kommen nationale wie internationale Studien.

Reichtum – oder eben der Mangel daran – hat große Auswirkungen auf die Lebenschancen einer Person. Und EU-weit klafft ein enormes Vermögensgefälle, das geht aus einer bereits vor Beginn der Pandemie durchgeführten Untersuchung des Bruegel-Instituts hervor. Die wirtschaftspolitische Denkfabrik in Brüssel hat dazu die Verteilung des Haushaltsvermögens in den EU-Mitgliedsstaaten sowie die Rolle des Vermögens bei der sozialen Mobilität – ob es also zu einem gesellschaftlichen Auf- oder einem Abstieg kommt – analysiert. Österreich ist bei der Ungleichverteilung europäischer Spitzenreiter.

Millionäre und vermietete Personen

Die Resultate bestätigen, dass der Hintergrund der Eltern über Bildung und Vermögen der Kinder und späteren Arbeitnehmer:innen entscheidet. Für die Reichsten in der EU werden beträchtliche Einkommen durch selbstständige Geschäfte, Finanzvermögen und Immobilien erwirtschaftet. Am wenigsten wohlhabend sind eher junge, einkommens- und vermögensschwache, arbeitslose und „vermietete“ Personen (durch Arbeitskräfteüberlassung, Anm.) mit laufenden Krediten. Weniger als ein Fünftel der Menschen mit negativem Nettovermögen sind Hausbesitzer mit Hypotheken. Das verschärft die ungleiche Vermögensverteilung.

Die Politik müsse faire und effiziente Möglichkeiten zur Erhöhung des Wohnungsangebots in Städten unterstützen, den öffentlichen Verkehr verbessern und Anreize für Telearbeit schaffen, um die Nachfrage in überfüllten Stadtzentren zu verringern, heißt es in der Bruegel-Studie. Ein Gleichgewicht zwischen der Förderung von Wohneigentum und der Bereitstellung von Sozialwohnungen sei unerlässlich. Schließlich ist der Sozialstaat das größte Vermögen der Bevölkerung. Angeregt wird zudem eine verpflichtende Vermögenserklärung und die Förderung der Finanzkompetenz.

Vermögensverteilung: Wohlstand unter Druck

Die EU-weiten Ergebnisse decken sich mit aktuellen Analysen von Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Der bisher relativ hohe Wohlstand hierzulande gerät durch die internationalen Verflechtungen seit 24. Februar 2022 ganz besonders unter Druck. Das zeigt auch der Wohlstandsbericht 2022 überdeutlich. Die allgemeine Lebenszufriedenheit und physische Sicherheit im Land sind nach wie vor hoch. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer:innen ist einzigartig. Hinsichtlich Bildung, Gesundheit und leistbaren Wohnens muss Österreich jedoch seine Anstrengungen erhöhen, finden auch die Arbeitnehmervertretungen. Kopfzerbrechen bereitet ihnen vor allem die Armutsgefährdung.

Massive staatliche Hilfen sowie funktionierende Sozialpartnerschaft und Zivilgesellschaft konnten zwar negative Folgen der Covid-19-Krise stark abfedern, aufgrund des Energiepreisschocks drohen jedoch breite Wohlstandsverluste. Besorgniserregend sind laut der Studie das Sinken der real verfügbaren Haushaltseinkommen ebenso wie die Vermögenskonzentration. Das verschärft die bisherigen strukturellen Probleme wie die ungleiche Verteilung von Einkommen zwischen Frauen und Männern. Oder die gesamtgesellschaftliche, ungleiche Vermögensverteilung.

Fossile Energien werden nun einmal überwiegend von autoritären
Regimen kontrolliert, und diese sind unzuverlässig wie das Wetter. 

Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger

Zu den Lösungsansätzen zählen staatliche Eingriffe in den Markt wie gezielte Preiskontrollen (wie sie etwa Ökonomin Isabella Weber fordert) und etwa ein Rechnungsdeckel auf Strom und Heizkosten. Eine Übergewinnsteuer sollte für Energiekonzerne eingeführt (in vielen europäischen Ländern gibt es bereits eine Übergewinnabgabe), die internationale Preisbildung auf dem europäischen Energiemarkt müsste neu geregelt werden. Da der sozial-ökologische Umbau in der Vergangenheit verabsäumt wurde, müsste er jetzt umso rascher beschleunigt und speziell der Gewinn erneuerbarer Energien ausgebaut werden.

Schwere energiepolitische Fehler

Kritik an diesen Versäumnissen übte Ende September auch der US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz bei mehreren Auftritten in Wien. Eine Übergewinnsteuer befürwortet er eindeutig: Es könne nicht sein, dass Menschen oder Unternehmen bankrottgehen, weil Länder wie Deutschland und Österreich schwere energiepolitische Fehler gemacht haben – nämlich viel zu stark auf russisches Gas gesetzt haben.

„Fossile Energien werden nun einmal überwiegend von autoritären Regimen kontrolliert“, und diese seien unzuverlässig „wie das Wetter“. Diese Krise sollte endlich den Anstoß zum Ausbau von Erneuerbaren geben, um den Kampf gegen den Klimawandel zu verbessern, so der frühere Chefökonom der Weltbank.

Auf Beschäftigungsebene sollte die momentane Situation für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen genützt werden. AK und ÖGB nennen etwa eine Verringerung der Vollzeitarbeitszeit oder die Einführung einer Vier-Tage-Woche. Das erhöht die Arbeitszufriedenheit und -produktivität, wie mehrere Unternehmen bereits in der Praxis gezeigt haben. So könnte auch die unbezahlte Arbeit in Haushalt und Familie besser verteilt, und durch weniger Pendelverkehr könnten die Emissionen verringert werden.

Portrait von Bettine Csoka. Im Interview zur ungleichen Vermögensverteilung. Und über vererbte Bildung und Karriere.
„Es ist inakzeptabel, dass die Arbeitnehmer:innen für die gesamte Teuerungswelle
aufkommen müssen“, betont Bettina Csoka, AK Oberösterreich. | © Markus Zahradnik

Mit Lohnuntergrenze von 2.000 Euro gegen die ungleiche Vermögensverteilung

Eine wichtige Rolle werden wohl die laufenden Kollektivvertragsverhandlungen spielen. „Es ist inakzeptabel, dass die Arbeitnehmer:innen für die gesamte Teuerungswelle aufkommen müssen“, so Bettina Csoka, Referentin für Einkommensverteilung und Arbeitszeitpolitik in der AK Oberösterreich. Ein wichtiger Schritt wäre die Erreichung des neuen gewerkschaftlichen Mindestlohn- und Gehaltsziels einer kollektivvertraglichen Lohnuntergrenze von 2.000 Euro brutto in allen Branchen.

Der sozial-ökologische Umbau wird letztlich nur grenzüberschreitend sinnvoll sein. Deshalb braucht es eine neuerliche Reform der veralteten EU-Verträge. „Die Deregulierung der Märkte, Privatisierungswellen, die Orientierung am Shareholder-Value sowie Steuerwettbewerb und -sümpfe in der EU ab den 1980er-Jahren haben die Ungleichheit stark steigen lassen“, unterstreicht Lukas Oberndorfer, Europarechts- und Binnenmarktexperte in der AK Wien. „Die Wirtschaftspolitik der Union muss demokratisiert werden und Wohlstand und Wohlergehen in den Mittelpunkt rücken“, indem etwa auch in der Daseinsvorsorge die positive Rolle des öffentlichen Eigentums gestärkt wird.

Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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