Menschen verzweifeln an Inflation: Helene Schubert fordert Lösungen

Eine Mutter hält ihr Kind auf dem Arm und hat eine Hand über der Heizung. Symbolbild Lösungen Inflation.
Viele Menschen haben aktuell Angst davor, die Heizung aufdrehen. Es braucht Lösungen gegen die Inflation. | © Adobestock/Monkey Business
Die Regierung hat die Inflation nicht im Griff. Zielgerichtete Hilfsmaßnahmen setzt sie kaum um. Dabei gibt es sie, wie andere Länder beweisen. Helene Schuberth fordert, dass auch in Österreich endlich gehandelt wird.
Die Inflation ist in ganz Europa aktuell das größte Problem. In der Diskussionsreihe „Europa Club Live“ diskutierte Helene Schuberth, die Chefökonomin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), über Ursachen und konkrete Lösungen für die Krise. Diese gibt es nämlich. Sie werden nur in Österreich nicht in ausreichendem Maß umgesetzt. Mit Schuberth diskutierte vor allem Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Robert Holzmann, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OENB), war ebenfalls beteiligt. Dabei herrschte an vielen Stellen eine überraschende Einigkeit. So zum Beispiel bei der Gewinn-Preis-Spirale und den unzureichenden Hilfen.

Gezieltere Hilfen gegen Inflation notwendig

„Was viele Regierende in den europäischen Hauptstädten nicht wahrnehmen ist, dass es eine unglaubliche Frustration bei den Leuten gibt. Die sind verzweifelt“, fasst Schuberth die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung zusammen. Und weiter: „Es gibt Menschen, die trauen sich nicht, die Heizung aufzudrehen. Und das ist nicht nur ein Problem der Ärmeren.“ Und tatsächlich sprich Schuberth damit für alle in der Diskussionsrunde. So ergänzt Felbermayr: „Es ist vollkommen unstrittig, dass in einer Inflationskrise vor allem den Haushalten geholfen werden muss, die selbst wenig Mittel haben.“

Potrait von Helene Schuberth, Chefökonomin im Österreichischen Gewerkschaftsbund. Symbolfoto Lösungen Inflation.
Die Menschen verzweifeln an der Miet-Preis-Spirale, explodierenden Kosten für Grundnahrungsmittel und enormen Preisen für Wärme und Energie, mahnt Helene Schuberth, Chefökonomin beim ÖGB.

Doch bei der Frage nach den Lösungen gehen die Meinungen mitunter weit auseinander. So verweist Felbermayr darauf, dass die österreichische Regierung so viel in den Kampf gegen die Inflation investiert habe, wie keine andere Regierung in Europa. 40 Milliarden Euro seien es gewesen. Das sieht das Brussels European and Global Economic Laboratory (Bruegel) allerdings ganz anders. Mit 2,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt listet es Österreich im unteren Drittel, was die Ausgaben für den Schutz der Haushalte vor der Energiekrise betrifft.

Schuberth erklärt auch, woran das liege. So seien bei den kolportierten 40 Milliarden Euro Maßnahmen mit eingerechnet, die nichts mit der Inflation in Österreich zu tun hätten. Beispielsweise die Absenkung der Körperschaftssteuer oder die Abschaffung der Kalten Progression.

Inflationskrise: Makroökonomische Debatten statt Lösungen

Grund für die Kritik an den Maßnahmen war, dass sich die Debatte viel um makroökonomische Maßnahmen und Geldpolitik drehte. Doch handelt es sich dabei um langfristige Lösungen aus einem Lehrbuch. Doch die aktuelle Lage habe es in dieser Form noch nicht gegeben, so Schuberth. „Wir sind in einer komplett neuen Situation, in der man komplett andere Instrumente braucht.“ So sei die Ursache für die Inflation nicht allein auf die Geldmenge oder die Zinspolitik der EZB zurückzuführen. Sondern vor allem auf Lieferkettenprobleme, Energiepreisanstiege und die Klimakatastrophe. „Die Liste kann man beliebig weiterführen“, so Schuberth.

Wegen dieser umfassenden Krise, müssten die Lösungen auch auf europäischer Ebene gefunden werden, glaubt Felbermayr. Maßnahmen auf Ebene der Nationalstaaten seien nur die zweitbeste Lösung. Ein Argument, das Schuberth so nicht gelten lassen möchte. Zum einen, weil es in Europa bei der Inflationsrate eine enorme Spanne gibt. Während Österreich aktuell mit rund 10,5 Prozent zu kämpfen habe, liegt sie in Spanien bei 5,5 Prozent.

„Ich denke, wir haben noch so viele ungenutzte Möglichkeiten im Land, um die Preise zu senken.“ Sie verglich dabei die aktuelle Teuerungskrise mit der Finanzkrise. „Es gibt systemisch relevante Preise, die einen überproportionale Einfluss auf Inflation haben“, sagt Schuberth. So wie ab dem Jahr 2008 Regierungen vermeintlich systemrelevante Banken gerettet hätten, müsste dies jetzt mit den entsprechenden Produkten passieren. Also beispielsweise Energie oder Grundnahrungsmittel.

Konkrete Lösungen in der Inflation: Miete senken

Dass Nationalstaaten einen großen und treffsicheren Einfluss auf die Inflation nehmen können, zeigen vor allem Spanien und Frankreich. Eine der wichtigsten Maßnahmen der Länder war es, die Mieten einzufrieren. Etwas, das sich Schuberth auch für Österreich wünscht. „Ich verstehe nicht, dass man das Naheliegendste nicht tun. Nämlich preissenkende Maßnahmen im Mietbereich.“ Die Mieten seien seit dem Jahr 2008 doppelt so stark gestiegen wie allgemeinen Verbraucherpreise. „Es gibt Haushalte, die geben 50 bis 60 Prozent des Einkommens für die Miete aus“, bringt Schuberth das Problem auf den Punkt.

Erstaunliche Einigkeit herrscht beim Thema Gewinn-Preis-Spirale. „Wir haben mittlerweile begründete Verdachtsmomente, dass ein Teil der Inflation auf der Profitseite getrieben wurde. Das sieht man auch in den Bilanzen der DAX-Konzerne. Die Gewinnausschläge sind schuld an den Preissteigerungen. Wir müssen wieder den Wettbewerb stärken, damit die Profit-Preis-Spirale sich nicht weiter aufheizt“, diagnostiziert Felbermayr außergewöhnlich direkt.

Schuberth geht hier noch einen Schritt weiter. „Es gibt einen Konsens darüber, dass bei der Marktmacht etwas getan werden muss. Am deutlichsten ist das bei den Energieunternehmen. Hier hat eine gigantische Umverteilung von den Konsument:innen hin zu den Unternehmen stattgefunden.“ Die sehr zurückhaltende Abgabe auf Übergewinne habe nicht die benötige Hilfe gebracht.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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