Ecuador – auf dem Weg zur Bananen-Republik?

Porträt Daniel Noboa, dem neuen Präsidenten von Ecuador
Ecuador hat gewählt: Daniel Noboa wird das Land für die nächsten 18 Monate führen. | © AP Photo/Martin Mejia
Ecuador hat einen neuen Präsidenten, den jüngsten seiner Geschichte. Ob er frischen Wind in sozialpolitische Fragen bringen wird, ist fraglich. Daniel Noboa ist der Erbe eines gigantischen Bananenunternehmens, das von Arbeitsrechten nichts hält.
In der ersten Runde der vorgezogenen Präsidentschaftswahlen in Ecuador hatte niemand den Namen von „Daniel Noboa“ auf dem Zettel. Das sollte sich schnell ändern. In einem von Chaos, Gewalt und platten Sprüchen geprägten Wahlkampf stieg der 35-Jährige mit einer eher unpolitischen Strategie schnell auf. Angeleitet von seiner jungen Frau, einer erfolgreichen Influencerin, ließ sich Daniel Noboa im Fitnessstudio oder in Badehose am Strand in Szene setzen, und zog besonders jüngere Wähler:innen in seinen Bann. Erfolgreich. Am vergangenen Sonntag siegte Noboa gegen die erste weibliche Präsidentschaftskandidatin Luisa González, die für die Partei „Revolución Ciudadana“ (Bürgerrevolution) des ehemaligen linken Präsidenten Rafael Correa angetreten war. Ein Ende für Ecuadors dunkle Zeiten ist damit weiter nicht in Sicht.

Der Milliardenerbe

Im Wahlkampf selbst machte der Unternehmersohn Noboa eher vage und traditionelle Vorschläge wie die Förderung ausländischer Investitionen und Steuererleichterungen für Unternehmen zur Belebung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt und gab sich als Newcomer, der nach vorne schauen wolle. Aber Noboa stammt aus der gleichen dünnen Elite der Hafenmetropole Guayaquil wie sein amtierender Vorgänger, der neoliberale Bankier Guillermo Lasso. Und er ist der Erbe des reichsten Mannes Ecuadors: Álvaro Noboa, Milliardär, Herrscher über mehr als 100 Firmen und führend im internationalen Bananengeschäft.

Eine Frau auf einer Bananenplantage hält Bananen in der Hand. Symbolbild für die Einschränkung von der Branchengewerkschaftn in Ecuador.
Gewerkschaften werden in Ecuadors Bananenindustrie stark unterbunden. | © RODRIGO BUENDIA / AFP / picturedesk.com

2010 bis 2018 war der neue Präsident sogar im Top-Management des Familienunternehmens tätig. In seiner Zeit wurde auf der Plantage Los Álamos die letzte Gewerkschaft im Noboa-Imperium gezielt zerschlagen. Nicht nur die Plantagen der Noboas, der gesamte Sektor mit fast 200.000 Beschäftigten ist eine gewerkschaftsfreie Zone. Seit mehr als einem Jahrzehnt bemüht sich ASTAC, die Vereinigung der Land- und Bananenarbeiter, um den Aufbau einer Branchengewerkschaft, da Mitglieder einzelner Betriebsgewerkschaften stets sofort entlassen werden. Eine Branchengewerkschaft ist von Verfassung und Arbeitsrecht gedeckt, die International Labour Organization (ILO) forderte diese mehrfach ein. Ein Gerichtsurteil hat im Mai 2021 das ecuadorianische Arbeitsministerium zur Zulassung von ASTAC verpflichtet, die Regierung verschleppt die Umsetzung bis heute.

Morddrohungen gegen Gewerkschafterinnen

Schlimmer noch: Direkt vor den Wahlen erhielten die drei Regionalkoordinatorinnen von ASTAC Maricela Guzmán, Diana Montoya und Miriam Ternoz Morddrohungen per WhatsApp, in dem sich die Absender explizit auf das gewerkschaftliche Engagement der Kolleginnen in den Bananenplantagen bezogen. Bislang kannte man in Ecuador diese brutale Verfolgung, wie sie im Nachbarland Kolumbien seit Jahrzehnten üblich ist, nicht. Dutzende von Gewerkschaften und NGOs aus dem In- und Ausland haben deshalb in Briefen an den Präsidenten, Arbeitsminister und UN-Menschenrechtskommissar Schutz für die drei Gewerkschafterinnen gefordert.

„Narco-Generälen“

Solche Brutalitäten gehören nicht nur für Gewerkschafter:innen zum Alltag. Seit 2019 steigt die Mordrate rasant, Ecuador zählt heute zu den zehn gefährlichsten Ländern der Erde. In der Hafenmetropole Guayaquil kommen pro Woche mehr Menschen gewaltsam zu Tode als im etwa gleich großen Berlin in einem Jahr.

Über diesen Hafen verlassen viele Kokain-Sendungen das Land, nach Schätzungen mehr als die Hälfte in Bananenkartons. Ecuador ist in wenigen Jahren zum wichtigsten Lieferanten von Kokain für Europa aufgestiegen. Vor Ort wird zwar wenig produziert, doch mexikanische und kolumbianische Drogenkartelle nutzen das Land gerne als Transitland. Justiz und Sicherheitsbehörden sind ineffektiv, der US-Botschafter sprach offen von „Narco-Generälen“ und strich hohen Polizeioffizieren die Visa.

Die Drogenspur führt sogar in die Politik. Landwirtschaftsminister Bernardo Manzano, langjähriges Mitglied des Noboa-Managements, musste umgehend zurücktreten, als ein Verbindungsmann der albanischen Drogenmafia und der Schwager des Präsidenten Lasso seinen Namen in einem geleakten Telefonat erwähnten.

Armut und Gewalt

„Die Besorgnis über den Anstieg von Kriminalität und Gewalt in Ecuador, einschließlich des Mordes an Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio, sollte uns nicht von den grundlegenden Ursachen für diese Unsicherheit ablenken“, resümierte Olivier De Schutter, UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte, seinen Länderbesuch im September. „Das Fehlen von Arbeitsplätzen und ein schlechtes Bildungswesen macht es sehr einfach, dass junge Leute von kriminellen Banden rekrutiert werden. Dieser Teufelskreis kann nur unterbrochen werden, wenn das Land mehr in seine Menschen investiert.“

Ob damit unter einer Regierung Noboas zu rechnen sein wird?  Mit seinem Stil, nicht aber mit seinen Inhalten setzte sich Daniel im Wahlkampf bewusst von seinem grobschlächtigen Vater Álvaro ab, der fünfmal vergeblich für das Präsidentenamt kandidiert hatte. Der Sohn gibt sich smart, wirkt wie ein jungenhafter Filmstar, doch besteht das Risiko, dass er das brachiale Geschäftsmodell seines Familienunternehmens auf das gesamte Land übertragen möchte.

Die zukünftige Vizepräsidentin Verónica Abad, eine Anhängerin von Trump und Bolsonaro, hat im Wahlkampf gesagt, Bildung wäre kein Menschenrecht, der Staat müsse sich also nicht engagieren. Daniel Noboa hat sich zwar anders geäußert, doch Beobachter:innen meinen, Abad spreche nur aus, was er denke. In diesem Fall stehen dem Land bewegte 18 Monate ins Haus, bis bereits die nächsten regulären Wahlen stattfinden.

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Über den/die Autor:in

Frank Braßel

Historiker und Journalist. Langjähriger Mitarbeiter der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN und der Entwicklungsorganisation Oxfam. Von 2005-2011 Berater im unabhängigen Agrarforschungszentrum SIPAE in Quito/Ecuador.

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