Armut in Österreich: 1,5 Millionen Menschen betroffen

Ein alleinerziehende Mutter sitzt mit ihrem Sohn an einem Esstisch. Sie lebt in Armut in Österreich.
Alleinerziehende Frauen haben ein hohes Risiko in Armut zu leben. | © Adobestock/Halfpoint
Armut in Österreich ist ein wachsendes Problem. Aktuell sind 1,5 Millionen Menschen betroffen. Hier erfahren Sie, was Armut ist, wer Betroffenen hilft und woher die Probleme kommen.

Armut in Österreich bedeutet, dass die betroffenen Menschen nicht genug Essen im Kühlschrank haben. Oder weder heizen noch elektrische Geräte betrieben können. Armut in Österreich hat auf die Menschen gesundheitliche Auswirkungen, beschränkt die Bildungsmöglichkeiten und die soziale Teilhabe. In Österreich sind 17,5 Prozent der Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Das sind 1,5 Millionen Menschen. Kinder sind stärker betroffen. Hier sind es 22 Prozent ­– oder 353.000 Kinder im Alter von 0–17 Jahren.

Armut in Österreich: Wer gilt als arm?

In Österreich gilt als armutsgefährdet, wer 60 Prozent oder weniger des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens verdient. Für einen Einpersonenhaushalt liegt die Armutsgefährdungsschwelle damit aktuell bei 1.392 Euro pro Monat.

In der Wissenschaft wird allerdings nicht von Armut gesprochen, sondern von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung. Denn Armut wird von deutlich mehr Faktoren bestimmt. Wer etwa eine eigene Immobilie besitzt, lebt mit 1.392 Euro pro Monat deutlich besser als jemand, der zur Miete wohnt. Auch Gesundheit und soziales Netzwerk spielen eine Rolle.

Ein Straßenmusiker sammelt Kleingeld in einem Geigenkoffer. Er kämpft gegen Armut in Österreich.
IIn Österreich sind 17,5 Prozent der Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Das sind 1,5 Millionen Menschen. | © Adobestock/Vladislav Gajic

Einkommensgrenzen für Armutsgefährdung in Österreich

Haushaltsgröße Nettoeinkommen
1 erwachsene Person 1.392 Euro
1 erwachsene Person & 1 Kind 1.810 Euro
1 erwachsene Person & 2 Kinder 2.228 Euro
1 erwachsene Person & 3 Kinder 2.646 Euro
2 erwachsene Personen & 1 Kind 2.506 Euro
2 erwachsene Personen & 2 Kinder 2.924 Euro
2 erwachsene Personen & 3 Kinder 3.342 Euro

Der Wert erhöht sich pro weiterer erwachsener Person im Haushalt um 685 Euro und pro Kind unter 14 Jahren um 411,3 Euro.

So definiert die EU Armut

Statistik Austria – von der hier die meisten Zahlen stammen – orientiert sich bei der Armut in Österreich an der Definition der Europäischen Union (EU). Basis hierfür ist ein europäischer Mindestlebensstandard. Erreicht eine Person diesen nicht, besteht eine erhebliche materielle und soziale Deprivation. Als erheblich materiell und sozial depriviert gilt eine Person, wenn sie sich sieben der folgenden 13 Ausgaben nicht leisten kann:

  1. Einmal im Jahr auf Urlaub fahren
  2. Unerwartete Ausgaben tätigen
  3. Laufende Kosten pünktlich bezahlen
  4. Regelmäßig Fleisch/Fisch/vegetarisch essen
  5. Wohnung warmhalten
  6. Besitz eines Autos
  7. Abgenutzte Möbel ersetzen
  8. Internetverbindung haben
  9. Abgenutzte Kleidung ersetzen
  10. Besitz von mindestens zwei Paar Schuhen
  11. Kleiner Geldbetrag für sich selbst ausgeben
  12. Freizeitaktivitäten ausüben
  13. Freund:innen zum Essen treffen

Die ersten sechs Merkmale betreffen einzelne Haushaltsmitglieder, die letzten sieben den gesamten Haushalt

Aktuelle Zahlen zu Armut in Österreich

Die aktuellen Zahlen zur Armut in Österreich lassen aufhorchen. 1,5 Millionen Menschen galten in Österreich im Jahr 2022 als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Das sind 17,5 Prozent der Bevölkerung.

Zahlen zur Armut in Österreich in der Übersicht:

  • Armuts- und ausgrenzungsgefährdet: 17,5 Prozent – 1.550.000 Menschen. Das bedeutet, ihr Einkommen liegt unter der Armutsschwelle oder die Personen sind erheblich materiell depriviert.
  • Armutsgefährdet: 14,8 Prozent – 1.314.000 Menschen. Ihr Einkommen liegt unter der Armutsschwelle.
  • Erheblich materiell depriviert: 2,3 Prozent – 201.000 Menschen. Diese Personen sind so arm, dass sie sich wesentliche Merkmale des europäischen Mindeststandards nicht leisten können.

Wer ist armutsgefährdet?

Armut in Österreich ist eine Gefahr für viele Menschen. Besonders stark betroffen sind von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen, Frauen im Alter, Kinder, Alleinerziehende (vor allem Frauen) und Menschen mit chronischen Erkrankungen.

Besonders auffällig ist die Armutsgefährdung von Menschen in Arbeitslosigkeit. Die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld beträgt lediglich 55 Prozent. Das ist im europäischen Vergleich enorm niedrig. Das Momentum-Institut hat gemeinsam mit SORA insgesamt 1.200 Jobsuchende befragt. 97 Prozent von ihnen bekamen weniger als 1.400 Euro netto im Monat. Noch 90 Prozent unter 1.200 Euro. Das bedeutet, dass die Versicherungsleistung nicht ausreicht, um über der Schwelle zur Armutsgefährdung zu leben.

Ebenfalls dramatisch ist die Lage von Frauen – vor allem Alter. Die Pension wird für Frauen zur Armutsfalle. Hintergrund ist, dass sich die Höhe der Pension nach dem verdienten Geld richtet. Frauen verdienen aber weniger Geld als Männer, arbeiten häufiger in Teilzeit und leisten überdurchschnittlich viel unbezahlte Care-Arbeit.

Kinderarmut in Österreich

In Österreich lebt jedes fünfte Kind in Armut oder Ausgrenzung – insgesamt 353.000 Kinder und Jugendliche (22 Prozent). Besonders von Kinderarmut betroffen sind Kinder aus Familien mit mehreren Kindern, alleinerziehenden Elternteilen oder ohne österreichische Staatsbürgerschaft.

Kinderarmut in Österreich in Zahlen:

  • 353.000 Kinder leben in einem Haushalt, der sich unerwartete Ausgaben (Reparatur der Waschmaschine) nicht leisten kann.
  • 278.000 Kinder leben in Haushalten, die es sich nicht leisten können, auf Urlaub zu fahren.
  • 175.000 Kinder leben in Wohnungen mit feuchten oder schimmligen Wänden.
  • 123.000 Kinder leben in einem Haushalt, der mit Zahlungen im Rückstand ist.
  • 103.000 Kinder können sich eine Teilnahme an Freizeitaktivitäten, die mit Kosten verbunden sind, nicht leisten.
  • 78.000 Kinder leben in Haushalten, die es sich nicht leisten können, jeden 2. Tag Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen.
  • 40.000 Kinder leben in Haushalten, die ihre Wohnung nicht angemessen warmhalten können.

Kindergrundsicherung gegen Kinderarmut

Wichtige Institutionen in Österreich fordern deswegen eine Kindergrundsicherung. Dabei handelt es sich um eine Art der sozialen Staffelung der Familienbeihilfe. Die Kindergrundsicherung würde Familienbeihilfe und dem Kinderabsetzbetrag ersetzen. Alle bekämen 285 Euro monatlich – so zumindest der Plan der Volkshilfe. Ergänzt würden die Zahlungen durch eine nach dem Einkommen gestaffelte Komponente. Armutsgefährdete Familien, deren Haushaltseinkommen unter 25.000 Euro pro Jahr liegt, würden so 872 Euro pro Kind bekommen. Das betrifft 23 Prozent aller Kinder.

Grundlage für die Berechnung ist das sogenannte „Referenzbudget der Schuldner*innenberatung“. Es zeigt auf, welches Einkommen ein Haushalt braucht, um die Bedürfnisse von Kindern bezahlen zu können. „Die Kindergrundsicherung würde 4,6 Mrd. Euro kosten“, rechnet Michael Fuchs vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung vor. Die Kosten fallen auch deswegen vergleichsweise gering aus, weil die Kindergrundsicherung nicht nur die Familienbeihilfe, sondern auch Alters- und Geschwisterstaffelung, den Mehrkindzuschlag, das Schulstartgeld und den Kinderabsetzbetrag ersetzen würde.

Auswirkungen von Armut

Armut in Österreich hat enorme Auswirkungen auf die betroffenen Menschen. Armutsbetroffene Menschen haben oft Schwierigkeiten, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Das kann zu Mangelernährung und gesundheitlichen Problemen führen kann. Auch die Wohnsituation kann die Psyche und die Physis negativ beeinträchtigen. Wer von Armut betroffen ist, wohnt unter Umständen in beengten und unzureichend beheizten Wohnungen. Schimmelbildung und Feuchtigkeit sind in diesen Wohnungen keine Seltenheit.  Oftmals können sich armutsbetroffene Menschen auch keine geeignete Kleidung leisten. Dies kann zu Schamgefühlen und sozialer Ausgrenzung führen.

Armutsbetroffene Menschen leiden häufiger unter chronischen Krankheiten und haben eine geringere Lebenserwartung. Sie haben oft keinen Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung und können sich die Kosten für Medikamente und Therapien nicht leisten. Armut kann zu Stress, Depressionen und Angststörungen führen. Die ständige Sorge um die Existenzsicherung und die soziale Ausgrenzung können die mentale Gesundheit stark beeinträchtigen.

Kinder aus armen Familien haben oft weniger Bildungsmöglichkeiten als Kinder aus wohlhabenden Familien. Sie können sich Nachhilfeunterricht oder die Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten nicht leisten, was ihre Bildungschancen und ihre späteren Berufsaussichten verringert. Dazu kommt, dass sie häufig von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen sind. Also beispielsweise Freizeitaktivitäten oder die Mitgliedschaft in Vereinen. Das kann zu sozialer Isolation und Einsamkeit führen.

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Die wichtigsten Fragen zu Armut in Österreich:

Was ist Armut in Österreich?
In Österreich gilt als armutsgefährdet, wer 60 Prozent oder weniger des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens verdient. Für einen Einpersonenhaushalt liegt die Armutsgefährdungsschwelle damit aktuell bei 1.392 Euro pro Monat. In Österreich sind 17,5 Prozent der Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Das sind 1,5 Millionen Menschen.
Wie viele Kinder gelten in Österreich als arm?
In Österreich lebt jedes fünfte Kind in Armut oder Ausgrenzung – insgesamt 353.000 Kinder und Jugendliche (22%). Besonders von Kinderarmut betroffen sind Kinder aus Familien mit mehreren Kindern, alleinerziehenden Elternteilen oder ohne österreichische Staatsbürgerschaft.

Armut in Österreich: Direkte Hilfe für Betroffene

In Österreich gibt es eine Reihe von Hilfsangeboten für Menschen, die in Armut leben. Dazu gehören einerseits die Angebote des Sozialstaates:

Eine weitere wichtige Institution, um die Auswirkungen der Armut in Österreich zu mildern, ist die Caritas. Sie hilft bei der Zahlung von Mietrückständen, bei der Versorgung mit kostengünstigen Lebensmitteln. Außerdem unterstützen sie armutsbetroffene Frauen unter anderem mit Notschlafstellen, Mutter-Kind-Häusern und Frauenwohnprojekten. Hier finden Sie direkte Hilfe.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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