Stagflation in Österreich: Düstere Aussichten

Eine Frau steht im Regenmantel und Gummistiefeln im Hochwasser. Sym,bolbild für Stagflation in Österreich.
Trotz Hochkonjunktur für die Betriebe war 2022 ein schweres Jahr für Arbeitnehmer:innen. 2023 droht sogar eine Stagflation in Österreich. | © Adobe Stock/ Jürgen Fälchle
Österreich droht im kommenden Jahr eine Stagflation, prognostiziert das WIFO. Das bedeutet, dass die Wirtschaft auf der Stelle tritt, während die Preise steigen. Das ist deutlich besser, als viele Expert:innen befürchtet hatten.
Österreichs Wirtschaft wird im Jahr 2022 um 4,8 Prozent wachsen. Im kommenden Jahr wird ein minimales Wachstum von 0,2 Prozent prognostiziert. Das ist zwar deutlich besser als befürchtet, es bedeutet aber trotzdem, dass Österreich im kommenden Jahr eine Stagflation überwinden muss. Denn die Preise werden auch im Jahr 2023 weiter deutlich anziehen. Das hat zumindest das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) berechnet.

Weniger Wachstum, hohe Inflation: Österreich vor Stagflation

In der aktuellen Situation sind Prognosen schwer. Zu schnell ändern sich einzelne Aspekte. Das WIFO wagt sich dennoch an einen Ausblick für die kommenden eineinhalb Jahre. Der fällt zwar ernüchternd aus, aber lange nicht so schlimm, wie vorab von vielen befürchtet. Einem vergleichsweise hohen Wachstum im Jahr 2022 folgt ein Jahr mit geringerem Wachstum. Weil aber die Inflation nach einem prognostizierten Wert von + 8,3 Prozent im Jahr 2022 auch im kommenden Jahr mit + 6,5 Prozent weiter hoch bleiben wird, werde Österreich in eine Stagflation rutschen, so das WIFO in seiner Herbstprognose.

Ein Schild zeigt eine Sackgasse an. Symbolbild für die Stagflation in Österreich
Rein wirtschaftlich betrachtet, dürfte das Jahr 2023 Stillstand bedeuten, glaubt das WIFO. | © Adobe Stock/Quality by Simon

Die Wirtschaft profitiere im Jahr 2022 noch von einer Phase der Hochkonjunktur, die Österreich bereits seit dem Herbst 2020 beflügle, so das WIFO. Vor allem der Wegfall der Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus habe den Konsum angetrieben. Jetzt würden die enormen Rohstoffpreise und die Teuerungskrise allerdings durchschlagen und das Wirtschaftswachstum im kommende Jahr deutlich bremsen, so die Einschätzungen. Gleichzeitig attestierte WIFO Ökonom Christian Glocker im Rahmen der Pressekonferenz, dass die Unternehmensgewinne heuer noch kräftig steigen werden.

Auch zur Inflation in Österreich wagt das WIFO eine Prognose. Die werde im Jahresdurchschnitt 2022 8,4 Prozent betragen. Im Vorjahr lag sie noch bei 2,8 Prozent. Auch im Jahr 2023 werde die Teuerung mit 6,6 Prozent hoch bleiben, schätzt das Institut. Die Kombination aus Wirtschaftswachstum und hohen Preissteigerung ist eine sogenannte Stagflation. Sollte es so kommen, ist es die erste Stagflation in Österreich seit den 1970er Jahren.

Prognosen in Zeiten multipler Krisen

„Die Studie geht vom Wissensstand von Ende September aus. Jetzt haben wir schon wieder ganz neue Information. Beispielsweise geht die Studie von einem Ölpreis von 83 Dollar aus. Allerdings haben jüngst die OPEC plus Staaten angekündigt hat, die Ölförderung zu beschränken. Das heißt, dass sich die Parameter dauernd ändern und schwer ist, solche Prognosen zu machen“, analysiert beispielsweise Helene Schuberth, Leiterin der Volkswirtschaftlichen Abteilung im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), die Ergebnisse des WIFO in der Ö1 Sendung „Punkt eins“ am 7.10.2022

Das gilt selbstverständlich nicht nur für das WIFO. Christine Lagarde, die EZB-Präsidentin, gab zu, dass auf ihre Modelle kein Verlass mehr sei und die jüngsten Prognosen nicht besonders gut gewesen seien. Auch Tobias Thomas, Chef von Statistik Austria, erklärt im Januar, dass der Höhepunkt der Inflation (damals 4,3 Prozent) erreicht sei. Aktuell sind Entwicklungen nun mal schwer vorherzusehen.

Lohnverhandlungen und Preissteigerungen

Bei allen Herausforderungen, die Expert:innen aktuell mit Wirtschaftsprognosen haben, ist der grundsätzliche Trend natürlich sehr eindeutig. Und auch die Menschen in Österreich spüren ihn schon. Ein Reallohnverlust von derzeit 4,2 Prozent belastet die Menschen und erhöht die Armutsgefährdung. Doch es stehen Herbstlohnrunden an. Diese sollen zum einen die Preissteigerungen der vergangenen zwölf Monate ausgleichen – also laut WIFO in Österreich Hochkonjunktur herrschte – und zum anderen die gestiegene Produktivität mit einkalkulieren.

Für Gabriel Felbermayr, Direktor des WIFO, wären Lohnabschlüsse von 6,5 Prozent des Jahres 2023 ausreichend, um die Inflation des Jahres 2023 auszugleichen. Auf Nachfrage von Arbeit&Wirtschaft erklärte er, dass er keine Lohn-Preis-Spirale in Österreich sehe. Bislang galt diese aber als Königsargument gegen steigende Löhne in Zeiten hoher Inflation. Expert:innen sehen die Gewinn-Preis-Spirale als relevanter an.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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