Pleiten, Pech und Banken

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Gewinne werden privatisiert, Verluste verstaatlicht, besonders bei (drohenden) Rekordpleiten. Wie unser Staat in der Finanz- und Wirtschaftskrise für Stabilität und Schwung in der Wirtschaft gesorgt hat – zu einem hohen Preis.
Groß, größer, am größten, Alpine Bau: 15.000 Beschäftigte, 7.500 davon in Österreich. Beteiligt an Projekte wie dem Gotthard-Basistunnel oder Stuttgart21, aber auch über Europa hinaus in den Nahen Osten und Asien – mit einer Bauleistung von 3,2 Milliarden Euro im Jahr 2012.

Auf die internationale Expansion folge 2013 die größte Unternehmenspleite Österreichs seit dem Ende des zweiten Weltkriegs: Forderungen im Konkursverfahren von 4 Milliarden Euro. Dazu kommen hunderte Zulieferfirmen, die mit in die Insolvenz gerissen wurden.

Rekordpleite

Die Alpine stand seit 2006 im Mehrheitseigentum des spanischen FCC-Konzerns (Fomento de Construcciones y Contratas), mit seinen drei Standbeinen Bau, Müllentsorgung und Wasseraufbereitung und einer Bilanzsumme von . Was hat also die Republik Österreich also damit zu tun?

Alpine-Haftungen: Die Republik Österreich übernahm durch das sogenannte Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz Haftungen zu 50 % für Kredite über 290 Millionen Euro.

Haftungen. Die Republik Österreich übernahm durch das sogenannte Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz Haftungen zu 50 % für Kredite über 290 Millionen Euro. Das geschah freilich zu einem Zeitpunkt, als eine Pleite der Alpine noch nicht absehbar war. Zum Schaden für die Republik hinzurechnen kann man auch 7.500 Beschäftige der Alpine plus hunderte der Zulieferfirmen, von denen zumindest ein Teil nicht sofort von einem anderen Bauunternehmen übernommen werden konnten, und denen entsprechende Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zustanden.

Das Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz wurde als Reaktion auf die Wirtschaftskrise 2009 geschaffen. Insgesamt rund 50  Firmen gewährte die Republik Haftungen für Kredite in der Gesamthöhe von 1,4 Milliarden Euro – wobei die veranschlagte Höhe bei 10 Milliarden Euro lag. Roland Lang, Abteilung Wirtschaftsplotik der AK Wien, erklärt: „Im Gegensatz zu Förderungen, die an Investitionen gebunden sind, wurde hier die reine Liquidität gestützt, da viele Unternehmen durch die Krise große Umsatzeinbußen bei oft gleichzeitiger Streichung von Kreditlinien bei den Banken hinnehmen mussten.“ Den Unternehmen wurde es mit der Staatshaftung leichter gemacht, an frisches Geld zu kommen. Der Wirtschaft musste ein Schwung versetzt werden und das Gesetz wurde als wirtschaftspolitisches Kriseninstrument genau zu diesem Zweck geschaffen.

Im Gegensatz zu Förderungen, die an Investitionen gebunden sind, wurde hier die reine Liquidität gestützt, da viele Unternehmen durch die Krise große Umsatzeinbußen bei oft gleichzeitiger Streichung von Kreditlinien bei den Banken hinnehmen mussten.

Roland Lang, Abteilung Wirtschaftsplotik der AK Wien

Mit der Haftung für die Alpine-Kredite hat der Staat Pech gehabt (und noch eine Reihe von Gerichtsprozessen).Ein anderes Beispiel für eine schlagend werdende Haftung der Republik aus der Krise ist Baumax. Die Baumarktkette ging 2014 pleite, die Republik haftete für 18 Millionen Euro.

Für Österreich sind die Kosten aus der Alpine oder Baumax-Pleite aber nur Peanuts, richtig teuer wurde es zuvor 2008: Das Jahr der Bankenrettung.

Rekordhilfspakete

Die Stabilitätsabgabe („Bankenabgabe“) wurde 20011 eingeführt, um den Bankensektor an den Kosten der Stabilisierung zu beteiligen. Sie beträgt zwischen 0,024 % bis 0,029 % der unkosolidierten Bilanzsumme des Bankinstituts.

Was kann man alles mit dem Betrag von € 1.607 machen? In Österreich haben alle EinwohnerInnen von 2008 bis 2017 gemeinsam damit die Banken gerettet. Der Hypo Alpe Adria sei Dank ist ihr Beitrag damit mehr als doppelt so hoch wie der EU-Schnitt von 644 Euro pro Kopf uns Nase.

Der Zusammenbruch der New Yorker Investmentbank Lehmann Brothers gilt als Initialzündung dieser Finanzkrise. Der EU kosteten die Bankenpakete 219,3 Milliarden, Österreich: 14,1 Milliarden Euro. Österreich reagierte, schrieb den Banken höhere Eigenkapitalquoten vor und führte die Stabilitätsabgabe ein.

„Die Stabilitätsabgabe müsste noch über 90 Jahre lang eingehoben werden, um die Kosten des Bankenpakets wieder hereinzuspielen.“ kritisiert Thomas Zotter aus der Abteilung Wirtschaftswissenschaften und Statistik der AK Wien. Den Kosten von 14,1 Milliarden Euro aus dem Bankenrettungspaket stehen von 2011 bis 2017 lediglich 4,1 Milliarden Euro aus der Stabilitätsabgabe gegenüber.

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Rekorddividenden

Keine Sorge, die Banken haben sich mittlerweile von der Krise gut erholt. 2017 gab es ein hervorragendes Ergebnis für die drei heimischen Großbanken Erste Group, Raiffeisen Bank International und die Bawag, die unter den ATX Top 20 gelistet sind. Im Wirtschaftsjahr 2018 erwirtschafteten sie mit einem Jahresüberschuss von 2,9 Milliarden Euro (+31,7%) fast die Hälfte des Gewinns aller 20 ATX Konzerne.

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„Wir gehen für 2019 in unseren Analysen davon aus, dass die ATX-Unternehmen erstmals mehr als 3 Milliarden Euro an Dividenden ausschütten werden. Ein Drittel davon – etwa 1,1 Milliarden Euro – alleine die Erste Group, die BAWAG und die RBI“, so Markus Oberrauter, Analyst der Arbeiterkammer Wien.

Rekordfolgen

„Die Krise in Europa wurde vor allem über öffentliche Sparmaßnahmen an die große Mehrheit der Bevölkerung weitergegeben“, so Romana Brait, Referentin für öffentliche Haushalte in der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien und fügt hinzu: „Der Höhenflug der Finanzmärkte hat mit einer Bruchlandung geendet, ihre realwirtschaftliche Folgen sind bis heute spürbar.“

In Österreich liegt die Arbeitslosigkeit nach wie vor über dem Niveau von vor der Wirtschaftskrise. Kommt eine neue Krise, ist Österreich weniger gut gegen Arbeitslosigkeit gerüstet, schließlich liegt das Ausgangsniveau deutlich höher als 2007. Ökonomin Brait fasst die Folgen der Krise zusammen: „Es bleibt ein niedrigeres Wohlstandsniveau für breite Teile der europäischen Bevölkerung, und: wir haben eine politische Krise in Europa, wie der Brexit und der Aufstieg rechter und reaktionärer Parteien zeigen.“

Es bleibt ein niedrigeres Wohlstandsniveau für breite Teile der europäischen Bevölkerung, und: wir haben eine politische Krise in Europa, wie der Brexit und der Aufstieg rechter und reaktionärer Parteien zeigen.

Romana Brait, Referentin für öffentliche Haushalte in der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien

Als Fazit bleibt: „Das Bankenpaket war ein Faktor, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise ‚nur‘ als große Rezession in die Wirtschaftsgeschichtsbücher eingeht und nicht als zweite Weltwirtschaftskrise“, gibt Ökonom Zotter zu bedenken. Auch mit der Steigerung von Unternehmensliquidität hat der Staat stabilisierend eingegriffen.

Die Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen, über viele Jahre hinweg, während die betroffenen Unternehmen und Banken zum Teil wieder Rekordgewinne schreiben, muss kritisch betrachtet werden. Denn die Verursacher der Wirtschaftskrise – also jene, die in den Jahren zuvor vom ausufernden Finanzsektor überproportional profitiert haben – wurden nicht zur Kassa gebeten. Große Vermögen wurden nicht besteuert, eine Finanztranstraktionssteuer ist nicht gekommen. Oder auf Seiten der Banken: Ganz pragmatisch eine Trennung von Investmentbanking vom Geschäftsbankenbetrieb, um das Risiko zu minimieren? Fehlanzeige.

Österreich und die EU haben einen hohen Preis gezahlt, Geld, das jetzt für den Ausbau des Sozialstaats fehlt, den Sozialstaat, der unter anderem mit seinen automatischen Stabilisatoren (Stichwort Arbeitslosenversicherung) oder der Kurzarbeit Krisen abfedert. Gelernt wurde zu wenig für die nächste Krise – und die wird irgendwann kommen.

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Zehn Jahre Bankenpaket – eine Zwischenbilanz im europäischen Vergleich

Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erscheint ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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