Klimakrise abwehren und das Leben der Menschen verbessern

Lukas Oberndorfer im Interview mit Arbeit&Wirtschaft über die Klimakatastrophe.
Lukas Oberndorfer ist der neue Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer Wien. | © Markus Zahradnik
Lukas Oberndorfer ist seit kurzem Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr in der Arbeiterkammer. Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft spricht er untere anderem über die Angst vor einem Wohlstandsverlust.
Kaum ein Thema beherrscht die Medien und den Alltag der Menschen so, wie der Klimawandel. Die sich rasant wandelnden Bedingungen haben Einfluss auf alle Bereiche des Lebens – auch auf die Arbeit. Kurzum: Es steht ein Umbruch an. Die Gesamtwirtschaft muss sich genauso ändern, wie die Politik und die Gesellschaft. Doch natürlich dürfen dabei die Menschen nicht auf der Strecke bleiben. Für diese hochkomplexe Gemengelage ist bei der Arbeiterkammer seit kurzem Lukas Oberndorfer zuständig. Er ist der Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr. Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft erläutert er, wie die Zukunft gestaltet werden kann.

Arbeit&Wirtschaft: Sie sind seit Anfang Mai 2023 der Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr bei der AK Wien. Was ist das für eine Rolle, und worin besteht Ihre Arbeit?

Lukas Oberndorfer: Der Name verrät bereits, worum es geht. Nämlich einerseits umwelt- und klimapolitische Fragen zu betreuen und andererseits für ein Recht auf gute und nachhaltige Mobilität für alle zu arbeiten. Beides natürlich ganz stark aus der Arbeitnehmer:innenperspektive. Es geht vor allem um die Frage, wie sich ökologische und soziale Fragestellungen sinnvoll miteinander verbinden lassen. Wie schaffen wir attraktive Arbeitsbedingungen im Eisenbahnbereich und bei dem öffentlichen Nahverkehr, wo schon jetzt die Mobilitätswende beginnt? Und wie drängen wir gleichzeitig Lohn- und Sozialdumping im Bereich der Straße zurück, im Interesse der Beschäftigten und damit der Lkw-Verkehr im Vergleich zur Eisenbahn nicht mehr so konkurrenzfähig ist, und somit ein größerer Anreiz besteht, Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern? Auch in der Luftfahrt wird stark mit Lohndumping gearbeitet, um Billigflüge zu ermöglichen. Das muss sich ändern.

Vom 19. bis 21. April 2023 gab es in Wien eine Akademie für den ökologischen und sozialen Umbau, an deren Gestaltung Sie maßgeblich beteiligt waren. Was hatte es damit auf sich?

Unser Ansatz war zu sagen, die Klimakrise abwehren, und das Leben der arbeitenden Menschen zu verbessern, ja das geht. Und wir wollten die beiden buchstäblich brennenden Fragen, die soziale und ökologische Frage, fest miteinander verknüpfen. Vor allem vor dem Hintergrund der Teuerung, wo sich mittlerweile rund 800.000 Menschen in Österreich selbst kleine Wünsche nicht mehr erfüllen können. Sich also überlegen müssen, ob sie mal ins Kino gehen können oder sich ein Eis kaufen können. Gleichzeitig ist vor dem Hintergrund zunehmender Extremwetterereignisse in Europa, aber auch in Österreich klar, dass die Klimakrise mittlerweile auch vor Ort brennend und drückend wird. Diese beiden Aspekte müssen wir miteinander verknüpfen, um einen sozialen und ökologischen Umbau voranzubringen. Und das können wir nur, wenn wir die entsprechenden beteiligten Akteure, die für diese Fragen stehen, zusammenbekommen. Also unser Ansatz war, dass wir Klimabewegte, Wissenschaft und die Arbeitnehmer:innenbewegung, das bedeutet Betriebsrät:innen, Gewerkschaften und Arbeiterkammer, in einen Raum bekommen wollten, um darüber nachzudenken, wie so ein Umbau aussehen könnte.

Unser Ansatz war zu sagen, die Klimakrise abwehren, und das Leben der arbeitenden Menschen zu verbessern, ja das geht. | © Markus Zahradnik

Hat dieser Versuch der Durchmischung der verschiedenen Akteure auf der Akademie funktioniert?

Wir waren auf der Akademie insgesamt 20 Organisationen aus den genannten Bereichen, also wirklich fast alle Fachgewerkschaften, der ÖGB, die Arbeiterkammern, Umweltorganisationen wie Greenpeace und Klima-Aktivist:innen von „Fridays for Future“ bis „System Change not Climate Change“. Auch viele wissenschaftliche Institutionen waren mit dabei, darunter die Universität Kassel, die Wirtschaftsuni Wien und die BOKU. Wir haben auf der Akademie in Kleingruppen zu verschiedenen Themen gearbeitet, zum Beispiel zu der Frage: Wie kann ein gutes Leben für alle ausschauen? Dabei haben wir darauf geachtet, dass in den Kleingruppen immer je ein Drittel aus den Betrieben, Gewerkschaften und Arbeiterkammern kommt, ein Drittel aus der Wissenschaft, und ein Drittel aus den Gruppen der Klima-Aktivist:innen. Wir haben mit drei Säulen gearbeitet. Die erste Säule war der Versuch, ein gemeinsames Kennenlernen zu ermöglichen und eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln.

Bei der zweiten Säule haben wir uns angeschaut, wie eine Dekarbonisierung der großen Wirtschaftssektoren mit besonders hohen CO₂-Emissionen aussehen könnte, also beim Verkehr, der Industrie, Energie, Landwirtschaft oder dem Gebäudesektor. Ein zweiter Bestandteil dabei war begleitend die Frage: Was braucht es, um den Umbau möglichst gut zu begleiten? Was braucht es in er Wirtschaftspolitik, in der Verteilungsfrage, im Pflegebereich? Das wollten wir nicht nur abstrakt politisch diskutieren, sondern wir haben uns auch konkrete Fallbeispiele angesehen, wo Strategien des Umbaus schon jetzt funktionieren oder probiert worden sind. Das haben wir auch in einem interessanten Rahmen hinbekommen. Weil wir zu Wien Energie gegangen sind, also ganz konkret zum Kraftwerk Simmering, wo die größte Wärmepumpe der DACH-Region steht.

Ein Begriff, der hier sehr oft fällt, ist jener der Veränderung. Für die allermeisten lohnabhängigen Menschen hat Veränderung in den vergangenen 40 Jahren eine schlechte Bedeutung und ist mit Einschnitten und sinkenden Lebensstandards verknüpft. Wie wollen Sie da ansetzen, um Menschen mitzunehmen?

Das ist ein ganz zentraler Punkt. Tatsächlich gibt es diese Erfahrung. Man sieht auch in Umfragen, dass es einerseits ein wachsendes Bewusstsein zur Klimafrage unter Arbeiter:innen und Angestellten gibt. Andererseits ist da eine große Skepsis, ob eine Ökologisierung in die richtige Richtung geht. Man hat konkret Angst vor Wohlstandsverlust, und es wird stark davon ausgegangen, dass die Reichen sich aus den Maßnahmen herauskaufen können. Dabei sind global betrachtet die reichsten zehn Prozent für 50 Prozent der Emissionen verantwortlich. Hier müsste man zuerst ansetzen, dass man über eine entsprechende Verteilungspolitik wie Vermögens- oder Erbschaftssteuern deutlich macht, dass diese obersten zehn Prozent, und hier vor allem das oberste eine Prozent, für die Finanzierung eines Umbaus herangezogen werden. Hier lässt sich deutlich machen, wie Ungleichheit und Ressourcenverbrauch miteinander verknüpft sind. Darüber hinaus braucht es eine klimafreundliche Infrastruktur für die Vielen.

Unser Ansatz war zu sagen:
Die Klimakrise abwehren, und das Leben der
arbeitenden Menschen zu verbessern, ja das geht.

Lukas Oberndorfer

Das lässt sich zum Beispiel an der thermischen und energetischen Gebäudesanierung veranschaulichen. Da sehen wir, dass wir sehr große Investitionen brauchen. Grob geschätzt vier bis sechs Milliarden Euro pro Jahr allein in Österreich, um die Klimaziele zu erreichen. Damit gehen große Chancen für den Aufbau von Beschäftigung einher. Das sollte dann auch eine Beschäftigung sein, die mit guten Arbeitsbedingungen, guten Löhnen und starker gewerkschaftlicher Vertretung in den Betrieben verknüpft ist. Auch die Arbeiterkammer spielt eine wichtige Rolle. Es gibt ja das tolle System, dass alle Lohnabhängigen gesetzlich Teil der Arbeiterkammer sind. Sie sind somit auch bei Arbeiterkammerwahlen wahlberechtigt, egal welche Staatsbürgerschaft sie haben. Hier kann die Arbeiterkammer eine wichtige Rolle dabei spielen, Kolleg:innen aus Branchen zu vertreten, die vielleicht noch nicht so gut gewerkschaftlich organisiert sind.

Da kommen wir wieder sehr schnell in den staatlichen Bereich hinein, wo wiederum Machtfragen gestellt werden. Was können Gewerkschaften und Arbeiterkammer tun, um eine Industriepolitik im Sinne der Arbeitnehmer:innen, die für den sozialen und ökologischen Wandel nötig wäre, auch umzusetzen?

Ich glaube, es geht hier um viel mehr als Industriepolitik. Man müsste das breit denken und die verschiedenen Sektoren mitnehmen. Historisch war es lange die Strategie der Arbeiterkammer, auf die Sozialpartnerschaft zu setzen, und quasi über sozialpartnerschaftliche Mechanismen und nicht nur im Bereich der Lohnpolitik durch die Gewerkschaften, sondern auch im Bereich einer staatlichen Politik, entsprechende Dinge durchsetzen zu können. Vor dem Hintergrund der hohen Teuerungsraten und den Problemen der Ökologisierung sehen wir aber, dass vor allem die Wirtschaftskammer sehr oft Kompromissen nicht zugänglich ist und blockiert. Deshalb glaube ich, dass es über diese sozialpartnerschaftliche Interessenspolitik hinaus auch eine Orientierung braucht, die verstärkt in Richtung Handlungsfähigkeit unserer Mitglieder setzt. Auch deshalb hat die Vernetzung zwischen den Akteur:innen Klimabewegung, Arbeitnehmer:innen und Wissenschaft so eine große Bedeutung.

& Podcast:

Mehr zum Thema „Klima“ hören Sie im Podcast „Klassenkampf von oben“.

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