Zukunft der Jugend: Forderung nach Respekt, Bildung und Mitsprache

Jugend forderungen werden bei Protest kundgetan.
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Die Jugend weiß, was sie will und braucht. Auf der 177. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien, unter dem Titel „Jugend verdient Respekt“, bekam sie eine Stimme.

Ja, die Jugend hat in der Corona-Pandemie so viel geopfert, wie kaum eine andere Bevölkerungsgruppe. Der Klimawandel bedroht ihre Zukunft. Die enorme Inflation ihre Gegenwart. Auch der Krieg in Europa ist eine massive Belastung. Dennoch gibt die Jugend nicht auf. Im Gegenteil. Sie weiß, was sie will, und sie kennt Wege aus der aktuell so schweren Situation hinaus. Die Arbeiterkammer Wien verlieh der jungen Generation auf der 177. Vollversammlung eine Stimme. Unter dem Titel „Jugend verdient Respekt“ stellten sie entsprechende Forderungen.

Maria Marchici, Wiener Landesschulsprecherin, fasst das Grundproblem vielleicht am besten zusammen. „Während die Politiker:innen dieses Landes Milliarden in die Hand nehmen, um Unternehmen zu retten, werden die Kindergärten, Schulen, Lehrbetriebe und Universitäten vergessen.“ Das hat natürlich Auswirkungen darauf, wie Jugendliche die Politik und die entsprechenden Institutionen wahrnehmen. Drei Viertel der 16- bis 25-Jährigen fühlen sich von der Politik nicht gehört, wie Martina Zandonella vom Institut SORA betont.

Forderung der Jugend: Bildung darf nicht vererbt werden

Doch neben dem Gefühl, politisch abgehängt zu sein, benennt Marchici auch konkrete Probleme und Forderungen der Jugend. „Schon vor dem monatelangen Distance Learning, durch das unzählige junge Menschen den Anschluss verloren haben, gab es riesigen Handlungsbedarf in Sachen soziale Gerechtigkeit und leistbare Bildung. Es darf nicht sein, dass die Einkommen der Eltern darüber entscheiden, ob es Nachhilfe gibt oder man auf Schikurs mitfahren kann!“

Seit Jahrzehnten ist klar, dass Bildung in Österreich vererbt wird. Je mehr Geld die Eltern haben, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Kind Matura macht. Das österreichische Bildungssystem schafft es nicht, gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Das schlägt sich dann auch bei der Meinung zur Politik nieder. Kommen Jugendliche aus einem Haushalt, der über ausreichend Geld für ein bequemes Leben verfügt, vertrauen sie der Politik. Kommen die jungen Menschen aus ökonomisch schlechter gestellten Haushalten, vertrauen sie ihr nicht. Hier spielt auch die Migration eine Rolle. Das beste Beispiel ist hier die Stadt Wien. Ein Drittel der Menschen, die in der Hauptstadt wohnen, hat kein Wahlrecht.

Jugend Forderung im Bereich der Bildung wird vererbt. Teenager bei der Abitur-Prüfung
Jugendliche aus Familien, die keine Geldsorgen haben, machen sehr viel wahrscheinlicher Matura. | © Adobe Stock/JackF

Jugend hat wenig Vertrauen in die Demokratie

Das SORA Institut hat in der Studie „Junge Menschen und Demokratie in Österreich 2021“ erschreckende Zahlen ermittelt. Gerade einmal 18 Prozent der Jugendlichen aus ärmeren Haushalten halten die Demokratie in Österreich für stark. Aber 36 Prozent für schwach. In den vier Vergleichsjahren der Studie (von 2018 bis 2021) sind das die schlechtesten Werte. In reicheren Haushalten hingegen glauben aktuell vier von zehn Jugendlichen an eine starke Demokratie.

Einen besonderen Appell richtete Lorenzo Agbogbe an die Vertreter der Arbeiterkammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Er ist Bundeskoordinator der Berufsschüler:innen-Vereinigung. „Seien Sie Advokat für unsere Generation! Wann auch immer Sie die Chance haben, junge Menschen mitentscheiden zu lassen, ergreifen Sie sie!“ Die Forderungen der Jugend brauchen einen, der sie vertritt. Lehrlinge hatten während der Corona-Pandemie einen schweren Stand.

Ausbildung während Corona. Jugend Forderung nach besserer Ausbildung.
Homeschooling kann eine echte Ausbildungsküche nur schwer ersetzen. „Wir haben teilweise zu Hause gekocht, und das dann mit dem Handy aufgenommen“, erzählt Auszubildende Ina Kohl im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft.

Forderungen der Jugend: Sprachrohr Arbeiterkammer und ÖGB

Hintergrund ist ein Ergebnis der Jugendstudie vom Österreichischen Institut für Jugendkulturforschung. Das Jugendmarktforschungsinstitut tfactory fragte Jugendliche, welchen Institutionen sie vertrauen. Mit 56,1 Prozent landete die Arbeiterkammer auf Platz eins. Der ÖGB mit 40,1 Prozent auf einem guten fünften Platz. Damit lagen sie vor dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen (35 Prozent) und Greenpeace (32,6 Prozent). Lediglich 14 Prozent der Jugendlichen vertrauen politischen Parteien. Sie landeten auf dem vorletzten Platz.

Somit hat sich Agbogbe den richtigen Empfänger ausgesucht. „Es sind auch heute noch Gewerkschafter:innen, die uns dabei unterstützen, jungen Menschen zu zeigen, dass Demokratie und Mitbestimmung nicht am Wahltag enden.“ Engagement vor Ort und im eigenen Betrieb ist wichtig. Dort geht es um Themen, die Jugendliche direkt betreffen. Das betont auch Richard Tiefenbacher, ÖGJ-Vorsitzender, der die Probleme der Lehrlinge hervorhob. „Sie wurden bei den Förderpaketen der Regierung nicht erwähnt, bekamen keine Corona-Selbsttests. Unser Lehrausbildungssystem ist europaweit hoch angesehen, aber die Regierung schenkt der Lehre kaum Aufmerksamkeit.“

Integration, Bildung, Ausbildungen: Lösungen schaffen

Für die vielfältigen Probleme gibt es teils einfache Lösungen. So fordert das Wiener Arbeitnehmer:innenparlament, dass junge Menschen bereits nach fünf Jahren Aufenthalt die Möglichkeit bekommen sollen, die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die Probleme in der Bildung, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, benötigen ein entschlossenes Vorgehen der Bundesregierung. Die Arbeiterkammer fordert eine umfassende Initiative zur Schließung von Bildungslücken sowie eine Erhöhung der Studienbeihilfen. Außerdem müssten in Bildungseinrichtungen, in Lehrbetrieben und der Arbeitswelt Mitgestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen geschaffen und ausgebaut werden.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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