Die Menschen hinter den Paragrafen

Das Arbeitsverfassungsgesetz galt einst als Bollwerk gegen die Übermacht der Arbeitgeber:innen. Wie wir nach 50 Jahren das Machtgleichgewicht wiedererlangen.

Standpunkt

Irene Steindl
Chefredaktion

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Arbeitsrecht kam mir lange sehr trocken vor. Als ich vor ein paar Jahren für eine Arbeitsrechtsprüfung streberte, verzweifelte ich daran, die vielen Paragrafen in meinen Kopf zu bekommen. Mein damaliger Referent empfahl mir: „Frag bei jedem Paragrafen nach der Bedeutung für die Menschen in den Betrieben, nach den Auswirkungen auf ihr tägliches Arbeitsleben – denn Paragrafen sind in erster Linie politisch.“

Diese Ausgabe macht sich diese Maxime zu eigen: Wir analysieren den politischen Diskurs hinter den Paragrafen. Wir zeigen Schicksale, Arbeitsrealitäten, das Ringen um Mitbestimmung.

Das Arbeitsverfassungsgesetz feiert heuer seinen 50. Geburtstag. In den 1970er-Jahren geboren, war es damals ein innovatives Instrument, um das Machtgefüge zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen auszubalancieren. Heute gilt das nur mehr mit Einschränkungen. Neue Arbeitsformen und eine veränderte Betriebsstruktur haben das Machtverhältnis zugunsten der Arbeitgeber:innen verschoben.

Aus der aktuellen Mitbestimmungsstudie wissen wir: Viele Beschäftigte ohne Betriebsrat wünschen sich einen. Die Betriebsratswahl gestaltet sich jedoch oft sehr bürokratisch. Gewerkschaften und Arbeiterkammern fordern zu Recht Erleichterungen bei der Gründung eines Betriebsrats und einen früheren Kündigungsschutz für Anwärter:innen. Wie brisant die Thematik ist, wird deutlich, wenn wir die zahlreichen Betriebsratsverhinderungen betrachten. So viele Fälle von „Union Busting“ wie in den letzten fünf Jahren gab es in den zwanzig Jahren davor nicht. Kündigungen und Einschüchterungsversuche sind an der Tagesordnung, wenn Beschäftigte versuchen, ihre Rechte wahrzunehmen.
Worum geht es letztlich? Einerseits darum, das Arbeitsverfassungsgesetz zukunftsfit zu machen, zum anderen aber auch darum, die hart erkämpften Errungenschaften zu verteidigen. Die Vergangenheit lehrt uns, wie schnell arbeitnehmer:innenfeindliche Regierungen die Rechte der Beschäftigten einzuschränken versuchen. Wir erinnern uns noch gut: Schwarz-Blau wollte im Jahr 2019 die Jugendvertrauensräte abschaffen. Mit einer riesigen Kampagne und über 40.000 Unterschriften ist es der Österreichischen Gewerkschaftsjugend unter ihrer Vorsitzenden Susanne Hofer damals gelungen, diesen Versuch abzuwehren.

Ich verspreche Ihnen: In dieser Ausgabe menschelt‘s. Gute Lektüre!

In dieser Ausgabe:

  • Eine Meisterleistung
    50 Jahre Arbeitsverfassungsgesetz: Für Österreichs oberste Arbeitsinspektorin ist es „ein ganz besonderes Gesetz“, für PRO-GE-Chef Reinhold Binder etwas, „das gefeiert gehört“. Robert Misik wagt den Rundumblick.
  • Warum brauchen wir eine Arbeitsverfassung?
    Die große Frage beantwortet der Jurist Prof. Rudolf Mosler
  • Das Glück, am Recht zu arbeiten
    Im Gespräch mit der Verfassungsrichterin Sieglinde Gahleitner
  • Macht im (Un-)Gleichgewicht
    Wo die Arbeitsverfassung reformiert gehört
  • Betriebsräte unter Beschuss
    So viele Betriebsratsverhinderungen wie in den letzten fünf Jahren gab es noch nie. Besonders beliebt sind Kündigungen von Arbeitnehmer:innen, die einen Betriebsrat gründen wollen. Alexandra Rotter hat einige Fälle aufgespürt.
  • Gute Politik belohnen
    Mümtaz Karakurt vom Verein migrare im Interview
  • Rechtzeitig das Gras wachsen hören
    Wirtschaftliche Mitbestimmung beginnt lange vor dem Sozialplan. Oft werden Betriebsräte zu spät in wirtschaftliche Entscheidungen des Unternehmens einbezogen. Wie der Betriebsrat als Co-Management rechtzeitig reagieren kann, hat Alexia Weiß recherchiert.
  • Schlichten statt richten
    Schlichtungsverfahren können ein sinnvolles Instrument sein
  • Mitbestimmung – nicht Gnade, sondern Recht!
    Eine Analyse aus dem A&W-Blog
  • Von unten gegen Ausbeutung
    Plattformarbeit bringt das ArbVG an seine Grenzen
  • Demokratie für die Arbeitswelt
    Das Arbeitsverfassungsgesetz hat eine lange Vorgeschichte
  • Mehr Mitbestimmung wagen
    Über die Rechte von Europäischen Betriebsräten
  • Sprache schafft Realität
    Das letzte Wort hat Martin Müller
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