Coverstory: 2 Seiten mit 1 Interesse

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Es gibt auch „Good News“ zum Thema Betriebsräte. Der European Company Survey, eine europaweite Studie über Mitbestimmung in Betrieben, hat ergeben: Fast alle der knapp 1.000 befragten Führungskräfte vertrauen ihren Betriebsräten. Der Großteil denkt zudem, dass der Betriebsrat hilft, die Arbeitsleistung der MitarbeiterInnen zu verbessern.

Inhalt

  1. Seite 1 - Vertretung vs. direktes Verhandeln
  2. Seite 2 - Zeit- und Ressourcenschonung
  3. Seite 3 - Offenheit, Kritik und Mut
  4. Seite 4 - Ständiger Veränderungsdruck
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Konflikte und Kampfmaßnahmen sind nur eine Seite der Betriebsratsarbeit. Allermeist läuft es zwischen Management und Betriebsrat gut und vertrauensvoll ab. Davon profitieren Belegschaft, Führungskräfte und oft auch das Geschäft.
Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. So lautet ein bekanntes Bonmot aus der Medienwelt. Auf das Thema Betriebsrat trifft es allemal zu, wenn man die Mainstream-Medienberichterstattung studiert. Da ist von Konflikten und Kampfmaßnahmen zu lesen, von Unternehmensbossen wie Dietrich Mateschitz, die durch Drohgebärden die Gründung von Betriebsräten zu verhindern wissen, oder von Drogerie-MitarbeiterInnen, die gekündigt werden, weil sie einen Betriebsrat gründen wollen.

Sie sind zwar nicht so laut, aber es gibt auch die „Good News“ zum Thema Betriebsräte. Der European Company Survey (ECS), eine europaweite Studie über Mitbestimmung in Unternehmen, ergab für Österreich, dass die allermeisten ManagerInnen dem Betriebsrat positiv gesinnt sind. Befragt wurden sowohl BetriebsrätInnen als auch Führungskräfte. 95 Prozent der insgesamt fast 1.000 befragten ManagerInnen gaben demnach an, dem Betriebsrat zu vertrauen. 92 Prozent denken, die Einbindung des Betriebsrates führe zu mehr Engagement der MitarbeiterInnen. 86 Prozent sind der Ansicht, dass der Betriebsrat hilft, die Arbeitsleistung zu verbessern.

Vertretung vs. direktes Verhandeln

Ein für Österreich interessantes Ergebnis des ECS, da es hierzulande viele Klein- und Mittelbetriebe gibt: Rund ein Drittel der Führungskräfte vor allem aus kleineren Unternehmen gaben an, sie würden sich lieber direkt mit MitarbeiterInnen beraten als mit dem Betriebsrat. Und 20 Prozent der befragten VertreterInnen der Unternehmensführung sind der Ansicht, dass die Einbindung des Betriebsrats zu großen Verzögerungen führe. Die Zahl mag hoch klingen, doch Bettina Stadler, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsinstitut FORBA, relativiert. Sie hat im Auftrag der AK Wien die Österreich-Daten des ECS ausgewertet und hält die 20 Prozent sogar für überraschend wenig: „Natürlich dauert es länger, wenn der Betriebsrat in eine Entscheidungsfindung eingebunden wird, als wenn das Topmanagement etwas alleine entscheidet. Und auch wenn der Betriebsrat nur informiert wird, gibt es oft eine Verzögerung, weil es ja selten beim Informieren bleibt, sondern Diskussionen ausgelöst werden.“

Karl-Heinz Rauscher (MAN Truck & Bus Österreich) schätzt die Bereitschaft des Betriebsrats, sich an der Weiterentwicklung des Unternehmens aktiv zu beteiligen.

Auf eine wichtige Einschränkung weist Stadler bei der Bewertung der Studienergebnisse hin: „Es handelt sich um eine Unternehmensstichprobe.“ Es wurden knapp 1.000 Unternehmen kontaktiert und gefragt, ob sie – auf freiwilliger Basis – an der Erhebung teilnehmen wollen. „Die Stichprobe ist groß genug und die Auswahl der Unternehmen ist sicher seriös erfolgt. Trotzdem muss man dazusagen, dass Unternehmen, bei denen es gerade große Konflikte gibt oder die in einer akuten wirtschaftlichen Krise stecken, sicher nicht freiwillig an so einer Befragung teilnehmen.“ Anders gesagt: Wer Probleme hat, redet meist nicht gern darüber – jedenfalls nicht mit Außenstehenden.

Seltener Einblick

Dennoch sind die Studienergebnisse insofern interessant, als sie aufzeigen, dass Betriebsräte oft nicht nur bei MitarbeiterInnen, die sich ja vertrauensvoll an sie wenden können, einen guten Ruf genießen, sondern auch beim Management. Besonders wertvoll sind die Ergebnisse, weil die Sicht der Führung auf den Betriebsrat selten erhoben wird. Ursula Filipič, die für die AK sozialpolitische Grundlagenarbeit macht, sagt: „Es gibt sehr wenig Forschung zum Thema, wie das Management den Betriebsrat einschätzt. Die ECS-Ergebnisse füllen insofern eine Forschungslücke, als sie unter anderem auf die Einschätzung des Betriebsrats und seiner Arbeit durch die Führungskräfte fokussieren.“ Auch aus anderer Forschung sei aber bekannt, „dass das Zusammenwirken von Belegschaften, Betriebsrat und Management sehr oft sehr gut funktioniert“.

Sabine Mlnarsky (Erste Bank und Holding) würdigt die Aufgabe des Betriebsrats – und will in der Kummerkasten-Rolle nicht mit diesem tauschen.

Was die Studie aber nicht erhoben hat, sind qualitative Daten. Arbeit&Wirtschaft hat deshalb mit Top-Führungskräften gesprochen, wie sie die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat empfinden und inwiefern sie diese als sinnvoll oder als Hemmschuh empfinden. Aus Sicht von Peter Edelmayer, einem der beiden Geschäftsführer von Dussmann Service Österreich, ist es eine verkürzte Darstellung, zu glauben, dass die Geschäftsführung die Interessen des Unternehmens und der Betriebsrat jene der ArbeitnehmerInnen vertrete: Diese Reduktion sei „mehr als kurzsichtig und wird bei Dussmann nicht gelebt“. Das Gebäudemanagement-Unternehmen, das in Österreich rund 7.500 MitarbeiterInnen hat und Serviceleistungen wie etwa Reinigung, Gebäudetechnik, Catering und Energiemanagement anbietet, hat seit mehr als 30 Jahren einen Betriebsrat. Einmal pro Monat gibt es einen Jour Fixe, bei dem die Geschäftsführung und der Zentralbetriebsratsvorsitzende über aktuelle Themen und offene Punkte sprechen – und zwar „auf Augenhöhe“. Voraussetzung dafür ist laut Edelmayer „Wertschätzung auf beiden Seiten“. Daraus resultiere „eine offene Diskussion und konstruktive Lösungsfindung“.

Zeit- und Ressourcenschonung

Bei Dussmann habe man sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit dem Betriebsrat gemacht. So sei es etwa schwierig, wenn Betriebsratsmitglieder ihre Stellung für rein persönliche Ansichten missbrauchen oder Aktionen setzen, die dem Unternehmen nachweislich schaden, ohne im Vorfeld die Kommunikation zu leitenden MitarbeiterInnen zu suchen. Als positiv erlebt es die Geschäftsführung dagegen, dass Themen gebündelt an das Management herangetragen werden: „So muss nicht jeder Fall einzeln behandelt werden, was Zeit und Ressourcen im Unternehmen schont.“ Gäbe es keinen Betriebsrat, würden die Expertise und Sichtweise zu manchen Themen aus Sicht der ArbeitnehmerInnen fehlen, über die BetriebsrätInnen meist genau Bescheid wissen. Edelmayer: „Eine zusätzliche alternative Sichtweise ist einer konstruktiven Lösung oft zugetan und kann Lösungsansätze aufzeigen, die sonst nicht angedacht werden.“

Damit Betriebsräte die Aufgaben des Wandels erfüllen können, brauchen sie nicht nur Weiterbildung, sondern auch Ressourcen, so Bettina Stadler (FORBA).

Bei Dussmann wird der Betriebsrat von Beginn an miteinbezogen, was man als vertrauensbildende Maßnahme sieht. Wenn Dussmann etwa Dienstleistungen übernimmt, „die einen Betriebsübergang darstellen“, so Edelmayer, „werden in einem gemeinsamen Termin beim Kunden mit unserem Betriebsrat und den zu übernehmenden MitarbeiterInnen sämtliche offenen Fragen abgeklärt“. Dies zeige auf, dass im Unternehmen eine gute Zusammenarbeit von Management und Betriebsrat lange verankert sei. Edelmayer ist überzeugt: „Wo man konstruktiv zusammenarbeitet, kann man auch betriebswirtschaftlich bessere Ergebnisse erzielen: Das ist eine Win-win-Situation für Unternehmen und Mitarbeiter.“

Eine Wechselwirkung zwischen wirtschaftlichem Erfolg von Unternehmen und der Arbeit des Betriebsrates zeigte sich auch in der ECS, wenn auch nicht explizit für Österreich. Für Ursula Filipič ist aber bemerkenswert, dass die gesamteuropäischen Daten zeigen, „dass mitbestimmte Unternehmen erfolgreicher sind: Sie erzielen die besseren wirtschaftlichen Ergebnisse und generieren gleichzeitig ein höheres Wohlbefinden der Beschäftigten am Arbeitsplatz.“ Zentral dafür seien aber Kommunikation und Information, denn EU-weit würden jene Unternehmen am besten abschneiden, in denen Betriebsratskörperschaften ausreichende Ressourcen für ihre Arbeit haben und die Betriebsräte vom Management ausreichend, also auch frühzeitig informiert werden.

Vorteil oder Nachteil am Markt

Sabine Mlnarsky, Personalchefin der Erste Bank und Erste Holding, hat schon in mehreren Unternehmen Erfahrung mit Betriebsräten gesammelt, unter anderem in ihrem letzten Job bei Austrian Airlines. Sie sieht den Betriebsrat im Allgemeinen positiv, unter anderem sei es in jeglichem Veränderungsprozess hilfreich, wenn Betriebsrat und Human-Resource-Abteilung eng zusammenarbeiten. Denn: „Betriebsräte können entweder sämtliche Prozesse gut unterstützen oder dramatisch stören.“ Mlnarsky hat in ihrer beruflichen Laufbahn beides erlebt. Bei früheren Arbeitgebern habe sich etwa der Widerstand des Betriebsrates gegen eine Flexibilisierung von veralteten Arbeitszeitzeitmodellen sehr negativ ausgewirkt: „Das ging so weit, dass ich verzweifelt bin. Ich habe gute Leute ins Unternehmen gebracht und sie nach drei Monaten wieder verloren, weil sie gesagt haben: Mit so starren Systemen will ich nicht arbeiten.“ Gebe es auf Betriebsratsseite sehr starre Persönlichkeiten, könne das teilweise gegen die Wünsche der Belegschaft laufen – und das sei „ein echter Marktnachteil“.

Silvia Hruška-Frank (AK Wien) hält es für ein totales Missverständnis, zu glauben, Betriebsräte hätten kein Interesse am Unternehmenserfolg.

Offenheit, Kritik und Mut

Genauso könne ein Betriebsrat zum Marktvorteil werden, wenn er sehr offen ist. Die oft sehr kritische Haltung von BetriebsrätInnen sei eben auch wertvoll: „Auch wenn sie manchmal übervorsichtig sind, bringen sie oft einen neuen Blickwinkel ein und machen uns auf Dinge aufmerksam, auf die wir alleine nicht gekommen wären.“ Zwei Dinge sind Mlnarsky besonders wichtig. Erstens: Qualifikation. „Je besser der Betriebsrat arbeitsrechtlich ausgebildet ist, umso höher ist die Qualität in den Verhandlungen und umso besser das Resultat.“ Zweitens: Persönlichkeit. „Betriebsräte brauchen ähnliche Profile wie Mitarbeiter in anderen Schlüsselpositionen: Sie müssen Mut haben, Entscheidungen zu treffen, die manchmal Hunderte oder Tausende Personen betreffen.“ Da BetriebsrätInnen ehrenamtlich arbeiten, für ihre Wiederwahl kämpfen müssen und häufig mit unzufriedenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kontakt stehen, weil selten jemand komme, um Lob auszusprechen, hat Mlnarsky Respekt vor dieser Aufgabe: „Der Betriebsrat ist manchmal ein Kummerkasten – in dieser Rolle will ich nicht mit ihm tauschen. Die Aufgabe ist eine große Bürde, die ich sehr anerkenne.“

Und die Aufgabenbereiche der BelegschaftsvertreterInnen werden, wie die gesamte Wirtschaft, immer komplexer. Bettina Stadler von FORBA weist unter anderem auf das Thema Digitalisierung hin, das sich gravierend auf Unternehmen und MitarbeiterInnen auswirkt: „Es gibt viele Bereiche, wo tiefgreifende Veränderungen passieren. Betriebsräte müssen diese Entwicklungen bewerten.“ Hier tue sich für die Zukunft ein sehr weites Feld für BetriebsrätInnen auf, die sich weiterbilden und qualifizieren müssen. Zwar bieten Arbeiterkammer und Gewerkschaften viele Hilfestellungen an, doch „die Betriebsräte brauchen auch Ressourcen dafür“.

Dramatisch unterschiedliche Systeme

Arbeiten Betriebsrat und Management konstruktiv zusammen, können sie betriebswirtschaftlich bessere Ergebnisse erzielen, sagt Peter Edelmayer (Dussmann).

Ob es in Österreich tatsächlich einen direkten Einfluss von guter Betriebsratsarbeit auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gebe, dazu äußert sich Stadler zurückhaltend: Die Datenlage sei nicht ausreichend und klar genug, als dass kausale Zusammenhänge seriös wären. Auch ein Ländervergleich ist aus ihrer Sicht problematisch, schon aufgrund anderer Ausgangssituationen: „Die Systeme der Mitbestimmung sind dramatisch unterschiedlich.“

Auch wenn eine Belegschaftsvertretung nicht zwingend schnurstracks zum ökonomischen Aufschwung eines Betriebs führen mag, gibt es doch einiges, was ManagerInnen an ihr schätzen. Karl-Heinz Rauscher, Geschäftsführer Ressort Personal bei MAN Truck & Bus Österreich, schätzt in seinem Unternehmen, wo es schon seit der Gründung 1990 einen Betriebsrat gibt, dass dieser ein tiefgreifendes Verständnis für die betrieblichen Zusammenhänge und die Bereitschaft hat, sich an der Weiterentwicklung des Unternehmens aktiv zu beteiligen. Auch Rauscher erlebt den Betriebsrat teils als Bremse, aber das sei nicht nur schlecht: „Aufgrund der engen Einbindung des Betriebsrates verzögern sich gelegentlich Entscheidungen, dafür können von beiderseitiger Akzeptanz getragene Entscheidungen durchwegs als nachhaltiger bezeichnet werden.“ Der Betriebsrat begleite und unterstütze aktuelle Themen rund um die Neuausrichtung des Unternehmens, zum Beispiel den Aufbau neuer Fertigungsfelder wie etwa eines Truck Modification Centers oder einer Kunststoffteile-Lackierung: „Die Wirtschaftlichkeit und die Beschäftigungssicherung stehen dabei im Einklang.“ Wichtig sind Rauscher eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit, ein Verständnis für die Interessen der jeweils anderen Seite sowie Wertschätzung: „Letztlich sind es die gemeinsamen Ziele, die auch tragfähige Vereinbarungen möglich machen.“

Laut nachdenken können

Das sieht auch Silvia Hruška-Frank, stellvertretende Leiterin der Abteilung Sozialpolitik in der AK Wien, so: „Es wäre ein totales Missverständnis, wenn man glauben würde, dem Betriebsrat ginge es nicht darum, dass es dem Unternehmen gut geht.“ Um die Geschäfte gemeinsam voranzutreiben, ohne dass die MitarbeiterInnen auf der Strecke bleiben, ist die Vertrauensbasis essenziell – das betonen auch ManagerInnen. Erste-Personalchefin Mlnarsky: „Ich erachte es als wertvoll, wenn ich mich mit dem Betriebsrat unterhalten kann, ohne dass es sofort veröffentlicht wird.“ Sie schätzt es, „einfach einmal laut nachdenken zu können, ohne mich sofort einzementiert zu fühlen“. In einem Unternehmen zu arbeiten, in dem ein Betriebsrat verboten wird, kann sich Mlnarsky übrigens gar nicht vorstellen: „Das ist ein Armutszeugnis für ein Management.“ Es sei ihrem Wertempfinden nach falsch, wenn Geschäftsführer MitarbeiterInnen, die einen Betriebsrat gründen wollen, sagen: „Wehe, ihr traut euch das!“
Ist das Vertrauen zwischen Management und Betriebsrat gut und die Zusammenarbeit anstatt von permanenter Konfrontation von dem gemeinsamen Verfolgen von Zielen geprägt, kann Betriebsratsarbeit auch Spaß machen – und das sollte sie auch, sagt Silvia Hruška-Frank. Sie verschweigt aber auch nicht, dass die Arbeit immer herausfordernder wird. Nicht nur Alltägliches wie Arbeitsverträge, kollektivvertragliche Einstufungen, der Umgang mit erhöhtem Arbeitsdruck, hohen Teilzeitquoten und vielem mehr fordern Betriebsräten Durchhaltevermögen, Verhandlungsstärke und Fingerspitzengefühl ab. Dazu kommt laut Hruška-Frank, dass sich Menschen heute als viel individualisierter wahrnehmen und Betriebsräte deshalb eher auf die Interessen Einzelner eingehen müssen.

Offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Management und Betriebsrat hat einen Lohn: Der soziale Frieden im Unternehmen wird gesichert, das Betriebsklima positiv beeinflusst, Autonomie und Arbeits­zufriedenheit der MitarbeiterInnen steigen. Und Betriebsräte tragen beginnende Konfliktsituationen frühzeitig an die Führungsebene heran.

Ständiger Veränderungsdruck

Eine der größten Herausforderungen liegt im wirtschaftlichen Umfeld, das sich durch Globalisierung und Technologie so rasant wandelt, dass auch die meisten Unternehmen ständig im Veränderungsmodus sind. Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft in der AK Wien, beobachtet vor allem in größeren internationalen Unternehmen, dass Umstrukturierung zur Routinearbeit geworden ist – und damit auch zum Hauptjob vieler Betriebsräte. Sie müssen nicht nur dafür sorgen, dass die Auswirkungen der Veränderungen möglichst wenige negative Folgen für die Belegschaft haben, sondern auch vorausdenken und etwa rechtzeitig Umschulungsmaßnahmen anregen. Leitsmüller: „Früher war Umstrukturierung die Ausnahme, heute ist es eher die Regel.“ In manchen Branchen, etwa im Finanzsektor oder in der IT, sei permanentes Abfedern zur Hauptaufgabe des Betriebsrats geworden.

Ein großes Problem ist jedoch, dass viele strategische Entscheidungen mittlerweile nicht mehr frühzeitig mit dem Betriebsrat besprochen werden. Leitsmüller zufolge wird es die für Belegschaftsvertretungen immer schwieriger, rechtzeitig Informationen über gravierende Entscheidungen wie veränderte Standorte oder neue Produkte zu erhalten: „Diese Entscheidungen rücken in die Konzernsitze. Die Betriebsräte haben sie dann nicht mehr am Radar.“ Dabei macht es auch aus Sicht des Managements Sinn, frühzeitig zusammenzuarbeiten. Für Sabine Mlnarsky von der Ersten ist es sogar eine goldene Regel: „Involviere den Betriebsrat so früh wie möglich.“

Lohn der guten Zusammenarbeit

Eine offene, vertrauensvolle Zusammenarbeit von Management und Betriebsrat, hinter der gemeinsame Ziele stehen, hat einen Lohn, der gar nicht so klein ist: Der soziale Frieden im Unternehmen wird gesichert, das Betriebsklima positiv beeinflusst, Autonomie und Arbeitszufriedenheit der MitarbeiterInnen steigen. Betriebsräte helfen zudem, Konfliktsituationen frühzeitig zu erkennen, und tragen Informationen von der Mitte des Unternehmens bis zur höchsten Führungsebene. Wenn es nicht so rund läuft oder große Veränderungen ins Haus stehen, machen sie dem Management Vorschläge für konstruktive Lösungen. „Wir wissen, dass Unternehmen durch diese Umstände besser dastehen und produktiver sind“, hält Silvia Hruška-Frank fest. Um das sagen zu können, braucht es nicht nur knallharte wissenschaftliche Daten, dies zeigen auch die jahrelangen Erfahrungen mit den Betrieben und BetriebsrätInnen.

Von
Alexandra Rotter

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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