Schnellzug für den Ausbau der Elementarpädagogik notwendig

Demonstration für den Ausbau der Elementarpädagogik.
Beschäftigte im Bereich der Elementarpädagogik sind wegen der aktuellen Situation längst laut geworden. | © Helmut Föhringer/APA/picturedesk
Es braucht eine Budgeterhöhung für den Ausbau der Elementarpädagogik, um die Qualität zu heben und die flächendeckende Versorgung zu sichern. Doch es fehlt an Budget und politischem Willen.
Die ersten Bildungsjahres eines Kindes sind entscheidend. Was aber tun, wenn es zu wenige Elementarbildungs-Angebote wie in Österreich gibt? Im Vergleich zu anderen EU-Staaten sind für Kinder bis sechs Jahre in Österreich die Chancen auf Kompetenzentwicklung geringer. Denn im EU-Schnitt werden 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Elementarbildung, wie Kindergärten und Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder investiert. In Österreich sind es nur 0,7 Prozent. Dänemark, Schweden und das nicht EU-Land Norwegen wenden sogar 1,5 Prozent des BIP auf. Estland und Finnland 1,2 Prozent. Die skandinavischen und das baltische Land legen Wert darauf, dass Kindern bereits in ganz jungen Jahren ausreichend Bildung genießen. Österreich hinkt beim Ausbau der Elementarpädagogik im internationalen Vergleich hinterher.

Barcelona-Ziele verfehlt: Ausbau der Elementarpädagogik dringend nötig

In Österreich hat nur jedes vierte Kind im Alter bis drei Jahre einen Betreuungsplatz. Mit ein paar Ausnahmen. Wien erreicht eine Betreuungsquote von 44,3 Prozent. Bereits im Jahr 2002 legte der Europäische Rat die sogenannten Barcelona-Ziele fest. Sie geben vor, dass bis zum Jahr 2010 die Mitgliedsstaaten eine Betreuungsquote von 90 Prozent bei den Drei- bis Fünfjährigen erreichen sollen. Eine Vorgabe, die Österreich auch im Jahr 2022 nicht erfüllt hat. Vergangenen Herbst wurden von der EU-Kommission die überarbeiteten Barcelona-Ziele vorgestellt und Österreich tritt auf die Bremse. Bis zum Jahr 2030 soll laut neuer Zielsetzung eine Betreuungsquote von 50 Prozent aller unter 3-Jährigen sichergestellt werden.

Eine Kindergärtnerin mit Kindern. Symbolbild für den Ausbau der Elementarpädagogik.
Die Beschäftigten in der Elementarpädagogik fordern seit langem einen besseren Betreuungsschlüssel. | © St. Nikolausstiftung/OTS

„Dieser Vorschlag wurde im Europäischen Rat diskutiert und Österreich ist eines jener Länder, dass das Barcelona Ziel 2010 nicht erreicht hat und jetzt im Rat blockiert und sich für eine Lockerung des Ziels für 2030 einsetzt“, sagt Elke Larcher. Sie ist Referentin für Schulpolitik und Elementarpädagogik in der Abteilung Bildungspolitik der Arbeiterkammer Wien (AK). Dass es mehr Tempo beim Ausbau der Elementarpädagogik braucht und nicht weniger, meint auch Korinna Schumann. Die ÖGB-Vizepräsidentin und ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende fordert: „Wir brauchen jetzt einen Schnellzug in Richtung des ganz raschen Ausbaus der Kinderbildungseinrichtungen.“

Arbeit und Wirtschaft ziehen an einem Strang

Genau den wollen die Sozialpartner:innen auf die Schiene bringen. Die Regierung muss ihren Aufgaben nachkommen und die Quoten erfüllen. Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer und auch die Industriellenvereinigung ziehen dafür an einem Strang. Sie setzen sich für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplätze ein und kommunizierten das im Jänner 2023, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Neben einem Rechtsanspruch sind ihnen einheitliche Qualitätskriterien für die Kindergärten wichtig. Darunter fallen beispielsweise Gruppengröße und Öffnungszeiten. „Wir wissen aber auch, dass uns Beschäftigte in diesem Bereich fehlen, dass Beschäftigte diesen Arbeitsbereich verlassen oder viele nicht in dieses Berufsfeld gehen. Hier gilt es, nachzujustieren. Es braucht gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung, so Schumann. Pädagog:innen und Assistent:innen verlassen bereits seit vielen Jahren das Berufsfeld und das ist ein Problem. Bis 2030 will Österreich eine Betreuungsquote bei den unter 3-Jährigen von 31,9 Prozent erreichen. Dieser Wert liegt sogar unter dem Ziel aus dem Jahr 2010 – das sah vor, die Quote auf 33 Prozent zu steigern.

„Nicht zuletzt weisen die Sozialpartner:innen und die Industriellenvereinigung laufend auf die Notwendigkeit eines quantitativen und qualitativen Ausbaus der Elementarpädagogik hin, mit guten Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung“, sagt Larcher. Doch dafür brauche es mehr Geld. Zum einen eine Anhebung auf den EU-Schnitt von 0,8 Prozent des BIP. Und zum anderen eine Milliarde zusätzlich pro Jahr. „Es braucht die finanzielle Unterstützung vor allem kleinerer Gemeinden beim Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes. Ebenso braucht es eine Verknüpfung der Finanzierung mit dem tatsächlich bereitgestellten Angebot und Zuschüssen pro betreutem Kind und das differenziert nach Alter der Kinder, der Öffnungszeit und weiteren Kriterien“ so Larcher zum Ausbau der Elementarpädagogik.

Ausbau der Elementarpädagogik: Österreich droht an eigener Quote zu scheitern

Das österreichische Bildungsministerium hat sich für den Ausbau der Elementarpädagogik nun Unterstützung der EU geholt. Ein von der EU gefördertes Elementarpädagogik-Projekt soll eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Personal und eine Steigerung der Qualität in der frühkindlichen Bildung und Betreuung in Österreich erreichen. Ein zentrales Ziel ist es, dem Mangel an ausgebildeten Fachkräften entgegenzutreten und den Elementarpädagogikberuf attraktiver zu gestalten.

Weiters soll das Projekt Aufschlüsse bringen, wie Männer für das Berufsfeld gewonnen werden können. Diese sind in elementarpädagogischen Einrichtungen kaum vorzufinden. Darüber hinaus möchte das Ministerium Kenntnisse über die Fluktuation von Fachkräften erlangen. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum sich die österreichischen Behörden mit diesem Projekt erst jetzt umfassende Kenntnisse über den aktuellen Stand der Elementarpädagogik und die Auswirkungen auf die Personalsituation aneignen werden. Diese werden seit Jahren klar auch seitens der Betroffenen und der Sozialpartner:innen artikuliert“, meint Larcher.

Über einen solch umfangreichen Kenntnisstand zu verfügen, ist für die Elementarpädagogik-Expertin zentrale Basis und Aufgabe einer Behörde und des Sozialstaats. Denn auf dieser Grundlage beruht das politische Handeln. Das Projekt wird bis zum Jahr 2024 laufen. Bis die Erkenntnisse umgesetzt werden, ziehen wohl noch weitere Jahre ins Land. Mehr Geld aus dem Budget kann das Niveau aber schon mittelfristig steigern. Bewegt sich hier nichts, dann droht ein weiteres Scheitern der Betreuungsquote 2030, und das, obwohl sie von Österreich bereits nach unten korrigiert wurde.

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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