Harald Steer: Krokodile raus aus der Pflege
Man könne einem Krokodil nicht vorwerfen, dass es ein Krokodil sei, sagt Harald Steer, „aber man muss es nicht im Wohnzimmer halten!“ Der 51-Jährige arbeitet als psychiatrischer Krankenpfleger und ist Betriebsratsmitglied beim Anton-Proksch-Institut. Seit über 20 Jahren ist er in dem Wiener Therapiezentrum tätig, zum Teil auch auf der Station der Suchtpsychiatrie. Zudem ist Steer Betriebsratsvorsitzender des Gesundheitskonzerns VAMED AG und hat in dieser Funktion gerade alle Hände voll zu tun.
Mit dem Krokodil, von dem er spricht, meint er den französischen Finanzinvestor PAI Partners, der eine Möglichkeit sucht, Gewinne aus dem österreichischen Gesundheitssystem zu generieren. PAI kauft große Teile der VAMED auf, die Eigentümerin von mehreren Gesundheitseinrichtungen in Österreich ist. Das Anton-Proksch-Institut, das zu 60 Prozent der VAMED gehört, soll damit mehrheitlich in die Hände des Private-Equity-Fonds wandern. Die Befürchtung der Belegschaft: PAI will seine Anteile nur zur Profitmaximierung erwerben und nach einem Sparparket gewinnbringend weiterverkaufen. Bei einer Pflegeheimkette in Deutschland wurde ein ähnliches Vorgehen beobachtet. „Muss man diese Firmen an den österreichischen Sozialversicherungsgeldern partizipieren lassen?“, fragt Steer.
Geboren wurde Harald Steer 1973 in eine steirische Arbeiter:innenfamilie hinein. Seine Ausbildung absolvierte er auf der Baumgartner Höhe in Wien. „Schon in den 1980er-Jahren habe ich ein Gehalt bekommen, von dem ich mich selbst erhalten konnte“, erinnert er sich, was für Pflegeanwärter:innen heute nicht mehr der Fall sei. Ein höheres Ausbildungsgehalt könnte einen Umstieg in die Pflege erleichtern, sagt er.
Hohe Personalfluktuation in der Pflege
Der Betriebsratsvorsitzende kennt die Probleme der Belegschaft. „Eine psychiatrische Krankenpflegerin schrieb mir unlängst, dass sie uns verlässt, wenn ihre Tätigkeit auf Medikamentenausgabe und -kontrolle reduziert wird.“ Eine der größten Sorgen von vielen Pflegekräften: Die Arbeitsbereiche werden immer mehr verengt. Viele wollen den Personalmangel und die harten Arbeitsbedingungen in der Branche nicht mehr hinnehmen. Und je weniger diplomiertes Personal im Einsatz ist, desto mehr wird auf günstigere Hilfskräfte zurückgegriffen. Die hohe Personalfluktuation insbesondere im Anton-Proksch-Institut führt Steer darauf zurück, dass andere Kollektivverträge attraktiver seien. Ein:e diplomierte:r Gesundheits- und Krankenpfleger:in im 9. Dienstjahr verdiene in einer Privatkrankenanstalt wie im Anton-Proksch-Institut monatlich rund 500 Euro weniger als in einem Ordensspital.
„Die eklatante Gehaltslücke muss drastisch verringert werden, um konkurrenzfähig zu bleiben“, fordert Steer. Heuer wurden bereits um 9,15 Prozent höhere Löhne und Gehälter im Kollektivvertrag ausgehandelt, die künftigen Lohnrunden würden aber nicht leichter, meint Steer. Er wünscht sich auch deshalb „einen Träger, der nach fachlichen und nicht gewinnorientierten Grundlagen Entscheidungen trifft“, und eine finanzielle Ausstattung, mit der man die Kolleg:innen endlich leistungsgerecht entlohnen kann.