Kollektivvertrag: 98 Prozent aller Beschäftigten haben einen

Ein Geschäftsführer in schwarzem Anzug scließt einen Kollektivvertrag mit einer Gewerkscahft ab.
Ein Kollektivvertrag legt die Rechte und Pflichten der Beschäftigten in einer Branche fest. | © Adobestock/Rido
Ein Kollektivvertrag regelt zentrale Aspekte eines Arbeitsverhältnisses. Die Gewerkschaften handeln jedes Jahr hunderte davon aus. Warum das so ist, erklärt diese Übersicht.
Fast alle Österreicher:innen haben einen. Und das ist gut so. Denn ein Kollektivvertrag ist eine Vereinbarung zwischen der Arbeitgeberseite und den Gewerkschaften, in der Arbeitsbedingungen und Gehälter für die Beschäftigten in den verschiedenen Branchen festgelegt sind. Diese Verträge sind rechtlich bindend und gelten für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem bestimmten Wirtschaftszweig. Österreichs Gewerkschaften schließen in jedem Jahr über 450 Kollektivverträge ab. 98 Prozent aller Arbeitnehmer:innen in Österreich arbeiten unter einem Kollektivvertrag.

Ein Kollektivvertrag regelt wichtige Aspekte wie Arbeitszeiten, Urlaubsanspruch, Lohnniveaus, Kündigungsfristen und vieles mehr. Sie dienen dazu, faire und gerechte Arbeitsbedingungen sicherzustellen und einen Mindeststandard für Beschäftigte zu gewährleisten. Meist gehen Kollektivverträge über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus und bieten den Arbeitnehmer:innen so zusätzliche Vorteile. So ist in Österreich aufgrund der hohen Abdeckung der Kollektivverträge kein gesetzlicher Mindestlohn notwendig.

Diese Vereinbarungen sind ein wesentlicher Bestandteil des österreichischen Arbeitsrechts und der Sozialpartnerschaft. Sie tragen zur sozialen Stabilität bei, indem sie Arbeitskonflikte minimieren und die Rechte der Arbeitnehmer schützen. Rechtliche Grundlage der Kollektivverträge ist die Paragrafen 2 bis 21 des Arbeitsverfassungsgesetzes.

Was steht in einem Kollektivvertrag

Kollektivverträge sind ein essenzielles Instrument, um die Rechte und den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewährleisten. Da sich die einzelnen Branchen und Sektoren stark voneinander unterscheiden, tun dies auch die Kollektivverträge – sie sind branchenspezifisch. Grundsätzlich gilt, dass ein Kollektivvertrag sicherstellt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer innerhalb einer Branche gleiche Mindeststandards hinsichtlich des Lohns und der Arbeitsbedingungen genießen. Das bedeutet, dass niemand benachteiligt wird und Arbeitgeber nicht versuchen können, die Beschäftigten gegeneinander auszuspielen.

Weiterhin schafft ein Kollektivvertrag ein ausgewogenes Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dies gibt den Beschäftigten eine stärkere Verhandlungsposition und ermöglicht es ihnen, fairere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. So schafft ein Kollektivvertrag auch gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen einer Branche. Dies bedeutet, dass alle Unternehmen die gleichen Standards einhalten müssen, was einen fairen Wettbewerb fördert.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gibt es einige thematische Säulen, die in jedem Kollektivvertrag geregelt sind:

  • Arbeitszeitregelungen: Der Kollektivvertrag legt die wöchentliche Arbeitszeit, Pausen, Schichtarbeit und Überstundenregelungen fest.
  • Lohn- und Gehaltsbestimmungen: Fixierung von Mindestlöhnen, Gehaltsskalen, Zulagen, Prämien und Boni für verschiedene Berufe oder Qualifikationsstufen.
  • Urlaubsregelungen: Informationen über den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Urlaubsgeld und Sonderurlaub für bestimmte Anlässe.
  • Kündigungsfristen: Fristen für die Kündigung von Arbeitsverträgen, sowohl seitens des Unternehmens als auch der Beschäftigten.
  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz: Der Kollektivvertrag kann Sicherheitsrichtlinien, Schutzmaßnahmen und Regelungen für den Umgang mit Gefahrstoffen enthalten.
  • Sozialleistungen: Hierzu gehören Regelungen zu betrieblichen Zusatzleistungen wie Krankenversicherung, betriebliche Altersvorsorge und andere Sozialleistungen.
  • Ausbildung und Weiterbildung: Bestimmungen zur beruflichen Weiterbildung und Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
  • Arbeitskonfliktlösung: Der Kollektivvertrag kann Verfahren zur Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten, etwa durch Schlichtung oder Mediation, vorsehen.
  • Gewerkschaftsrechte: Die Rechte der Gewerkschaften und der Betriebsräte sind oft im Kollektivvertrag verankert.
  • Sonstige Bestimmungen: Je nach Branche können spezifische Regelungen wie Reisekosten, Dienstreisen oder branchenspezifische Zusatzleistungen enthalten sein.

So entsteht ein Kollektivertrag

Ein Kollektivvertrag entsteht durch Verhandlungen zwischen den kollektivvertragsfähigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden. Also zwischen der zuständigen Gewerkschaft und den Fachorganisationen der Wirtschaftskammer. Die Dauer eines Kollektivvertrags kann unterschiedlich sein. Die meisten Kollektivverträge haben eine Laufzeit von ein bis drei Jahren. Anschließend können die Vertragsparteien den Kollektivvertrag neu verhandeln oder kündigen. Während der Laufzeit des Kollektivvertrags sind die darin enthaltenen Bestimmungen für alle Unternehmen einerseits und die Beschäftigten andererseits verbindlich.

Die Verhandlungen beginnen damit, dass eine der beteiligten Parteien eine Forderung stellt. Üblicherweise sind das die Gewerkschaften, die für ihre Mitglieder aufgrund der hohen Inflation und der guten wirtschaftlichen Lage höhere Löhne wollen. Die anschließenden KV-Verhandlungen können einige Zeit dauern. Einigen sich die Parteien im Verlauf der Gespräche nicht, kann es zu einem Streik kommen.

Eine Gruppe Arbeiter legt kreisförmig die Hände aufeinander. Symbolbild für den Kollektivvertrag.
Arbeitszeit, Entgelt, Aus- und Weiterbildung… der Kollektivvertrag enthält wichtige Punkte für alle Arbeitnehmer. | © Adobestock/1st footage

Eine zentrale Rolle hierbei spielt die sogenannte Herbstlohnrunde. Die Herbstlohnrunde in Österreich bezieht sich auf die jährlichen Verhandlungen und Vertragsabschlüsse im Rahmen der Kollektivverträge (KVs) zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Während dieser Runde wird über Lohnerhöhungen und andere arbeitsbezogene Bedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in verschiedenen Branchen und Wirtschaftszweigen verhandelt. Die Ergebnisse der Herbstlohnrunde haben weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und Löhne der Beschäftigten in Österreich, da die meisten Kollektivverträge eine Laufzeit von einem Jahr haben und daher jährlich überarbeitet werden.

Dieser Kollektivvertrag gilt für Sie

Der Inhalt eines Kollektivvertrags ist entscheidend für Ihre persönlichen Arbeitsbedingungen. Entsprechend wichtig ist es, dass Sie wissen, was drinnen steht. Doch eine Übersicht ist gar nicht so leicht. Denn in Österreich gibt es über 800 Kollektivverträge. Da die Geltungsdauer variiert, werden jährlich etwa 450 neu verhandelt. Das Arbeitsverfassungsgesetz schreibt vor, dass der aktuelle Kollektivvertrag in Ihrem Unternehmen für alle Beschäftigten zugänglich sein muss. In Ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Dienstzettel steht, wo Sie ihn finden können und welcher Kollektivvertrag überhaupt für Sie gilt. Machen Sie sich also mit Ihrem Dienstzettel vertraut, damit Sie Ihre Arbeitsrechte verstehen und nutzen können.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) betreibt außerdem die Homepage Kollektivvertrag.at. Hier haben Sie die Möglichkeit, den Kollektivvertrag zu suchen, der für Sie relevant ist. Jeder Kollektivvertrag muss zusätzlich beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) hinterlegt werden. Früher wurden sie zudem im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht. Nach der Schließung der Zeitung finden seit dem 1. Juli 2023 diese Veröffentlichungen auf einer neuen elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform (EVI) statt.

Zu den bekanntesten Kollektivverträgen in Österreich zählen:

  1. Metallindustrie-KV: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie.
  2. Gewerbe-KV: Beschäftigte im Handel und Dienstleistungssektor.
  3. Bau-KV: Arbeiter:innen und Angestellte im Baugewerbe.
  4. Chemische Industrie-KV: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der chemischen Industrie.
  5. Banken-KV: Beschäftigte im Bankensektor, einschließlich Bankangestellter und Finanzexperten und -expertinnen.
  6. Tourismus-KV: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Tourismus- und Gastronomiebranche.
  7. Gesundheits- und Sozialdienstleistungen-KV: Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits- und Sozialwesen, darunter Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.
  8. Öffentlicher Dienst-KV: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, einschließlich Lehrer, Polizisten und Verwaltungsangestellte.
  9. Druck-KV: Beschäftigte in der Druck- und Medienbranche.
  10. Papier-KV: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Papier- und Verpackungsindustrie.

Kollektivverträge in Kürze

  • In einem Kollektivvertrag legen die Gewerkschaften und die Fachbereiche der Wirtschaftskammer die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich fest.
  • Die Kollektivverträge decken 98 Prozent aller Beschäftigten in Österreich ab.
  • In Österreich gibt es rund 800 Kollektivverträge. 450 davon werden jedes Jahr neu verhandelt. Der Kollektivvertrag, der für Sie gilt, muss bei Ihrem Unternehmen ausgelegt sein.

Die häufigsten Fragen zum Kollektivvertrag:

Was versteht man unter einem Kollektivvertrag?
Ein Kollektivvertrag ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, die die Arbeitsbedingungen, Löhne und andere arbeitsbezogene Aspekte für Arbeitnehmer in einer bestimmten Branche regelt.
Wer bekommt einen Kollektivvertrag?
Kollektivverträge gelten für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den in der Vereinbarung definierten Branchen oder Wirtschaftszweigen beschäftigt sind. Dies umfasst Angestellte, Arbeiterinnen, Arbeiter und Fachkräfte in Unternehmen, die unter die jeweiligen Kollektivverträge fallen. In Österreich sind das 98 Prozent aller Beschäftigten.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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