Heidemarie Supper: Arbeit darf nicht krank machen
Heidemarie Supper stammt aus dem Burgenland und arbeitet seit rund 20 Jahren als Sozialarbeiterin. In ihrem Berufsleben hat sie schon vieles gesehen. Sie hat sich bei der Aids Hilfe Wien engagiert und in einem Frauenhaus gearbeitet. Heute unterstützt sie in der Fachstelle für Wohnungssicherung der Wiener Volkshilfe Menschen, die vor dem Verlust ihrer Wohnung stehen. Sie entwickelt mit den Klient:innen einen Haushalts- und Finanzplan und vermittelt bei Gesprächen mit Eigentümer:innen und Hausverwaltung. Das Ziel ist ein langfristiger Wohnungserhalt.
Die Arbeit im Sozialbereich, in dem mehrheitlich Frauen arbeiten, sei physisch und psychisch herausfordernd, sagt Supper und verweist auf die vergleichbare Situation in der Pflege. Seit 2008 ist die 47-Jährige bei der Volkshilfe, seit 2017 Mitglied des Betriebsrats. „Mir gefällt es, wenn mir Kolleg:innen aus der sozialen Arbeit und aus der Pflege von ihrem Arbeitsalltag erzählen und ich mir überlegen kann, was sich verbessern lässt“, sagt Supper. Ein Schwerpunktthema ist die Frage, wie man im Job gesund altern kann. Das Pensionsantrittsalter von Männern liegt bei 65 Jahren. Bei Frauen lag es bisher bei 60, wird aber bis 2033 Schritt für Schritt auf 65 angehoben. „Es reicht nicht, nur aufzuschreien, dass das Pensionsalter steigen muss, um das System zu finanzieren“, sagt Heidemarie Supper. „Es muss auch überlegt werden, wie man so lange arbeiten kann, ohne kaputtzugehen.“
Mit dem Gehalt besser auskommen
Dafür brauche es im Sozial- und Pflegebereich konkrete Maßnahmen, zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf Sabbaticals oder Bildungskarenz, um nach diesen Auszeiten wieder mit neuer Kraft in den Beruf zurückkehren zu können. Auch Altersteilzeitmodelle könnten helfen, stattdessen würde die geblockte Altersteilzeit seit heuer aber schrittweise abgeschafft. Eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden würde die Berufslast erleichtern, außerdem fordert Supper ein höheres Grundgehalt und die Anrechnung von Vordienstzeiten in voller Höhe. Momentan werden im Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft (SWÖ-KV) nur zehn Jahre angerechnet. Auch die Schmutz-, die Erschwernis- und die Gefahrenzulage sollten laut der Betriebsrätin leichter zugänglich werden. Es bräuchte gesundheitsfördernde Angebote und eine Kombination aus höheren Grundgehältern und Zulagen, wie zum Beispiel Beiträgen zum Mittagessen oder bezahlten Fortbildungen, damit Kolleg:innen mit ihrem Gehalt besser auskommen können.
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Ausbildung regeln
Heidemarie Supper kritisiert, dass es bis heute kein Berufsgesetz der sozialen Arbeit gibt. In ganz Österreich stünden diese Berufe auf der Mangelberufsliste. Es brauche mehr Ausbildungsplätze und Bemühungen, Menschen langfristig im Job zu halten. Mit Blick auf die Nationalratswahl 2024 im Herbst betont Supper die Bedeutung eines starken Sozialstaats. „Hände weg von populistischen Forderungen wie der Kürzung der Lohnnebenkosten!“, warnt sie. Unternehmen würden dadurch zwar profitieren, doch die Arbeitnehmer:innen nicht, fließen diese Gelder doch in Familienleistungen, Pensions- und Arbeitslosenversicherung mit ein.
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