Wohnen in Österreich: Wenn Hütten für Paläste zahlen

Altbau in Wien. Symbolbild für Wohnen in Österreich.
Wohnungen zu fairen Preisen sind in Österreich ein rares Gut. | © Adobestock/photo 5000
Wohnungen zu fairen Preisen sind in Österreich ein zunehmend rares Gut. Die eskalierenden Wohnkosten verteilen unverhältnismäßig viel Geld von unten nach oben.
Alles begann mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA im Jahr 2008. Spekulant:innen und Investmentbanken hatten sich verzockt und beinahe das Wirtschaftssystem zum Einsturz gebracht. Um es aufrechtzuerhalten fluteten die Notenbanken den Markt mit billigem Geld. Die Investor:innen steckten es in Betongold. Oder, wie es Mieter:innen nennen: Wohnungen. An diese Investitionen waren Profit-Erwartungen geknüpft, die sich nicht mit der Lebensrealität der Menschen vertragen haben. Damit begann die Explosion der Immobilienpreise und der Mieten. Die Episode Wohnen des Podcasts „Klassenkampf von oben“ zeichnet die Entwicklung nach.

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Wohnen in Österreich wird zum Luxusgut

Diese Investitionswut lässt sich mit Zahlen untermauern. Das Unternehmen EHL Immobilien hat das Transaktionsvolumen von Immobilieninvestments in Österreich aufgeschlüsselt. Im Jahr 2009 das (aufgerundet) 1,3 Milliarden Euro. Zehn Jahre später, also 2019, waren es 6,0 Milliarden Euro. Also mehr als das Viereinhalbfache. Der durchschnittliche Hauptmietzins im privaten Segment stieg in dieser Zeit um 64 Prozent. Die Löhne aber gleichzeitig nur um 32 Prozent. Das bedeutet, dass der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen wuchs. Arbeitnehmer:innen hatten trotz steigenden Reallöhnen weniger Geld übrig.

Auf dem Immobilienmarkt scheint also ein höheres Angebot nicht für sinkende Preise zu sorgen, wie es eine Grundregel der Betriebswirtschaft eigentlich vorsieht. Ganz im Gegenteil. In Wien wurden vergangenes Jahr doppelt so viele Wohnungen gebaut, wie es laut Zuzug gebraucht hätte. Trotzdem sind die Preise gestiegen. Das liegt daran, dass Immobilienkonzerne sich nicht an der Nachfrage orientieren, sondern an der Marge. Familien mit geringem Einkommen, die eine Vierzimmer-Wohnung suchen, versprechen weniger Rendite als eine unvermietete Luxuswohnung, die sie nach ein paar Jahren der Wertsteigerung einfach weiterverkaufen können.

Der Immobilienboom macht außerdem fair eingepreistes Bauland knapp. Denn plötzlich konkurrierten gemeinnützige Bauunternehmen, die günstigen Wohnraum schaffen wollen, auf dem Markt mit Privatinvestor:innen, die bereit sind, deutlich mehr Geld pro Quadratmeter auszugeben. Diese Firmen haben dann häufig nicht einmal Wohnraum geschaffen, sondern lediglich Anlageobjekte. Die Studie „Wohnbauboom in Wien 2018 bis 2021“ kommt zu dem Schluss, dass beinahe jede fünfte neu gebaute Wohnung in der Hauptstadt leer blieb. Weil die Eigentümer:innen mit der Wertsteigerung mehr Profit machen konnten als mit der Vermietung. Eine Leerstandsabgabe, die das verhindern könnte, gibt es nicht.

Inflation treibt auch Mietkosten nach oben

Mit den enormen Preissteigerungen kam der nächste Schock auf dem Wohnungsmarkt. Viele Mietverträge haben Klauseln enthalten, die es den Vermieter:innen erlauben, die Miete an die Inflation anzupassen. Bei Kategoriemieten kam es im Jahr 2022 zu drei Anhebungen um insgesamt 17,5 Prozent. Vermieter:innen durften auch die Indexmieten anpassen. Weil die Regierung die Erhöhung der gedeckelten Mieten im Jahr 2021 ausgesetzt hat, kommt es 2023 außerdem zu einer doppelten Anpassung.

Gegen all diese Mieterhöhungen hätte die Regierung vorgehen können, tat es aber nicht. Stattdessen schütteten ÖVP und Grüne diverse Einmalzahlungen aus, die in erster Linie den Vermieter:innen zugutekommen.

Auch befristete Mietverträge drehen immer weiter an der Miet-Spirale. Verlangen Vermieter:innen hier mehr Geld, als Ihnen per Gesetz zusteht, könnten die Mieter:innen das zu viel gezahlte Geld einklagen. Das Problem ist nur, dass sie damit automatisch die Wohnung los sind am Ende des Mietvertrags. Der wird nicht verlängert werden.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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