Was wir von der Sozialversicherung wirklich haben

Grafik von vielen Händen, die zusammenkommen, um die Sozialversicherung zu repräsentieren.
Die Sozialversicherung formt auch unsere Gesellschaft. | © unsplash/Dan V
Krankheit, Unfall, Pensionierung: Die österreichische Sozialversicherung garantiert den Versicherten nicht nur lebensnotwendige Leistungen. Wie eine aktuelle Studie zeigt, schafft sie auch einen enormen Mehrwert für die Gesellschaft.
Die Sozialversicherung ist eine zentrale Errungenschaft des Sozialstaats, deren Mehrwert die Versicherten im Falle von Unfall, Krankheit oder Pensionierung direkt spüren. Welchen Wert hat die österreichische Sozialversicherung darüber hinaus für die Gesellschaft? Dieser Frage geht eine aktuelle Studie des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung im Auftrag der Arbeiterkammer Wien nach. „Das Ziel der Studie ist es, den gesellschaftlichen Mehrwert der Sozialversicherung aufzuzeigen, nicht nur für die einzelnen Versicherten, sondern für die gesamte Gesellschaft“, betont Monika Weißensteiner, Sozialversicherungsexpertin der AK Wien.

Ein älteres Ehepaar sitzt lachend und glücklich am Küchentisch über Dokumenten und freut sich über die Vorteile der Sozialversicherung.
Länger glücklich leben. Die Sozialversicherung kann allen helfen. | © Adobestock/Vorda Berge

Hintergrund für die Beauftragung der Studie ist natürlich auch die bevorstehende Arbeiterkammer-Wahl. Denn: Eine Stimme bei der AK-Wahl abzugeben bedeutet auch, bei der Auswahl der Versichertenvertreter:innen der Sozialversicherung indirekt mitzureden. So, wie die Wirtschaftskammer die Gremien der Sozialversicherung mit den Vertreter:innen der Arbeitgeber:innen beschickt, so entsendet die Arbeiterkammer Vertreter:innen der Arbeitnehmer:innen für die Funktionsperiode von fünf Jahren. Hier leistet die Studie Aufklärungsarbeit, indem sie diese Zusammenhänge sichtbar macht. Ein weiteres Ziel der Studie ist es, mehr fundierte Informationen über die Selbstverwaltung der Sozialversicherung zu liefern und zu zeigen, warum das österreichische Sozialversicherungssystem so vorteilhaft sowohl für die Betroffenen in Form der einzelnen Versicherungsleistungen als auch für die Gesellschaft insgesamt ist.

Sozialversicherung bietet gerechten Mehrwert

Was genau ist nun der Public Value der Sozialversicherung, also der Mehrwert für die Gesellschaft? Die Studie identifiziert insgesamt 19 Public Values, die die Sozialversicherung mit sich bringt. Zunächst deckt sie die Grundbedürfnisse. Sie sorgt dafür, dass wir gesund länger leben, in Würde altern, sorgenfreier und selbstbestimmter leben und weniger von Armut betroffen sind, indem die Absicherung im Alter sowie bei Krankheit, Unfall oder Erwerbsunfähigkeit gewährleistet und eine hochwertige, effektive und leistbare Gesundheitsversorgung ermöglicht wird. Großgeschrieben wird dabei der Grundsatz „gleiche Chancen für alle“. Denn zu den Vorteilen des Systems zählt, dass jede:r in Österreich Erwerbstätige pflichtversichert ist und damit alle den gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben. Zugang zu den Gesundheitsleistungen haben auch die mitversicherten Angehörigen.

Sozialversicherungsbeiträge sind zweckgewidmet und unterliegen nicht
dem Risiko, für etwas anderes verwendet zu werden.

Anders als bei einer privaten Versicherung, bei der die Versicherten – zum Beispiel in der Krankenversicherung – nach Risiko eingestuft werden, bietet eine staatliche Sozialversicherung eine solidarische und für alle zugängliche Absicherung bei Krankheit, im Alter sowie bei Unfall oder Erwerbsunfähigkeit. Die Versicherten profitieren außerdem im Falle von Krankheit oder Invalidität sowie in der Pension von Geldleistungen, die einen Einkommensersatz darstellen. In Österreich erhalten sie eine ausreichende Leistung, die ihr Leben absichert, etwa eine Pension, von der sie gut leben können und mit der der Lebensstandard gesichert ist, ohne sich eine private Vorsorge leisten zu müssen.

Zweckgebundene Beiträge

Darüber hinaus trägt die Sozialversicherung auch zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung bei und punktet mit den Werten gleiche Chancen für alle, mehr Gendergerechtigkeit, sozialer Ausgleich, wissensbasierte Gesellschaft, sozialer Frieden, resiliente Institutionen und Netzwerke sowie gefestigte Demokratie. „Besonders wichtig ist auch die nachhaltige Finanzierung“, ergänzt Weißensteiner. Denn die Sozialversicherungsbeiträge, die sich aus dem Dienstnehmer:innen- und dem Dienstgeber:innenbeitrag zusammensetzen, sind zweckgewidmet und unterliegen nicht dem Risiko, für etwas anderes verwendet zu werden, wie das bei einer Steuerfinanzierung möglich wäre.

Ein zusätzlicher Beweggrund für die Studie ist zudem, dass sich sowohl die Betroffenen als auch die Interessenvertreter:innen in den Betrieben stärker für die Sozialversicherung und die Selbstverwaltung interessieren. „Es wäre wünschenswert, wenn durch die Studie ein vermehrtes Interesse für die Sozialversicherung etwa bei Betriebsrät:innen geweckt wird“, meint Weißensteiner. So könnte die Studie einen Anstoß dazu liefern, sich selbst zu engagieren und als Versichertenvertreter:in in der Sozialversicherung tätig zu werden. Denn niemand kennt die Bedürfnisse und Probleme der Arbeitnehmer:innen so gut wie die Betriebsrät:innen. Durch die Tätigkeit als Dienstnehmervertreter:innen in der selbstverwalteten Sozialversicherung können sie sich auch für die Versicherungsinteressen ihrer Kolleg:innen einsetzen und an der Aufrechterhaltung sowie dem Ausbau des Leistungsangebots mitwirken.

Sorgenfrei leben, gleiche Chancen und in Würde altern

Die 19 Public Values auf einen Blick
  • Weniger Armut: soziale Absicherung im Alter und bei Krankheit, Unfall oder Erwerbsunfähigkeit
  • Gesund länger leben: Früherkennung von Krankheiten, garantierte Notfall- und Unfallversorgung, Gesundheitsversorgung
  • In Würde altern: sicheres Einkommen und soziale Teilhabe im Alter
  • Sorgenfreier leben: Versorgungssicherheit, Grundeinkommen bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit
  • Selbstbestimmter leben: mehr Freiheiten in der Lebensgestaltung, Wahlfreiheit bei der Versorgung
  • Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung: örtliche Infrastrukturen und Dienste
  • Innovative und produktive Gesellschaft: ökonomische Innovationskraft, technische und soziale Innovationen
  • Resiliente Wirtschaft: robuste Klein- und Mittelbetriebe, faire Wettbewerbsbedingungen, erhöhte Standortattraktivität
  • Sozialer Zusammenhalt: starke soziale Beziehungen, partnerschaftliches Denken und Handeln, Solidarität
  • Gleiche Chancen für alle: gleichwertige Kranken-, Notfall- und Unfallversorgung, gleichberechtigte Altersversorgung
  • Mehr Gendergerechtigkeit: zielgruppenspezifische und bedarfsorientierte Versorgung, Wertschätzung unbezahlter gesellschaftlicher Arbeit
  • Sozialer Ausgleich: Sozialisierung von Lebensrisiken, sozial faire Kostenteilung
  • Wissensbasierte Gesellschaft: Wissen über Gesundheit und Prävention
  • Sozialer Frieden: solidarische Organisation, institutioneller Interessenausgleich
  • Resiliente Institutionen und Netzwerke
  • Nachhaltige Finanzierung: Einnahmen sind zweckgewidmet, effektiver Mitteleinsatz
  • Gefestigte Demokratie: Partizipation, Mitbestimmung, Transparenz
  • Gesunde Umwelt: verringertes Verkehrsaufkommen, klimaschonende Gebäude, reduzierte Emissionen
  • Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen

Quelle: KDZ, 2023

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Über den/die Autor:in

Beatrix Mittermann

Beatrix Mittermann hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

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