Prognose: Was uns 2024 in der Klimapolitik beschäftigen wird

Männer stehen auf einer Photovoltaikanlage und arbeiten an ihr. Symbolbild für die Klimapolitik.
Zeit für ambitionierte Klimapolitik: 2024 stehen die Zeichen auf Veränderung. | © Adobe Stock/anatoliy_gleb
Kommt 2024 die entscheidende Wende in der österreichischen und europäischen Klimapolitik? ÖGB-Experte Jakob Embacher gibt eine Einschätzung.
Das Jahr 2024 markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der österreichischen und europäischen Agenda zu Klima, Ökologie und Arbeitswelt. Die Auswirkungen der Klimakrise sind spürbarer denn je, und auch die Arbeitswelt steht vor neuen Herausforderungen und Chancen. Vor diesem Hintergrund finden mit der Wahl zum EU-Parlament und dem Nationalrat gleich zwei richtungsweisende Entscheidungen statt, die die Klimapolitik stark beeinflussen werden.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund setzt sich klar für ambitionierte Klimapolitik ein. Nur ein eindeutiges Bekenntnis zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens kann ein gutes Leben für alle in der Zukunft sichern und die Klimakatastrophe abwenden. Wir fordern dabei einen aktiven Prozess unter Einbeziehung arbeitender Menschen, um sicherzustellen, dass die Chancen dieser Transformation gerecht verteilt werden. Das ist fair und notwendig, um die Unterstützung in der Bevölkerung sicherzustellen.

Der Forderung nach einer „Just Transition“, also eines gerechten Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Doch was genau bedeutet dieses Konzept? Was erwarten wir uns dabei von den politischen Entscheidungsträgern, die sich 2024 zur Wahl stellen? Und welche Rolle wird das neu geschaffene ÖGB-Klimabüro 2024 einnehmen?

Just Transition bedeutet ein gerechter Übergang für alle

Die Klimakrise hat nicht nur ökologische, sondern auch tiefgreifende soziale Auswirkungen. Extreme Wetterereignisse, steigende Temperaturen und Naturkatastrophen bedrohen die Existenzgrundlagen vieler Menschen, auch in Österreich. Gleichzeitig bedeutet die notwendige Transformation der Wirtschaft einschneidende Veränderungen für Beschäftigte.

Das zentrale gewerkschaftliche Lösungskonzept ist dabei eine „Just Transition“. Dieses Konzept, das seine Ursprünge in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung hat, ist mittlerweile auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene breit verankert. 2015 wurde „Just Transition“ auch in das Pariser Klimaabkommen aufgenommen.

Jakob Embacher ist Teil des neu geschaffenen ÖGB-Klimabüro. Hier soll ein zentraler Beitrag zur „Just Transition“ geleistet werden. | © ÖGB – Roland de Roo

Gewerkschaften verstehen unter Just Transition eine aktive Politik, die die Arbeitsbedingungen in einer sich wandelnden Welt positiv gestaltet und sicherstellt, dass mit der notwendigen Transformation unserer Wirtschaft klare Perspektiven für gute, klimafreundliche Jobs entstehen.

Für den ÖGB beinhaltet Just Transition auch einen Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge. Damit soll sichergestellt werden, dass am Ende der Transformation unserer Wirtschaft ein gutes Leben für alle steht und bestehende Ungerechtigkeiten, wie etwa auch jene zwischen den Geschlechtern abgebaut werden. Außerdem setzt sich der ÖGB dafür ein, dass die Mitbestimmung in den Betrieben gestärkt wird. Unternehmen sollen ihre Strategien zur Erreichung ihrer Klimaziele gemeinsam mit den Beschäftigten erarbeiten.

Richtungsentscheidungen in der Klimapolitik

Das Jahr 2024 ist ein Schlüsseljahr für die Klimapolitik. Die Österreicher:innen sind aufgerufen, sowohl das Europaparlament als auch einige Monate später den österreichischen Nationalrat zu wählen. Beide Wahlen werden entscheidend beeinflussen, wie Klimapolitik in unserem Land während dem laut UN „entscheidenden Jahrzehnt“ gestaltet wird.

Der ÖGB ruft die politischen Entscheidungsträger dazu auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige und sozial gerechte Zukunft zu schaffen. Dazu wurde 2021 ein detailliertes Positionspapier mit dem Titel „Klimapolitik aus Sicht der Arbeitnehmer:innen“ vorgestellt. Darin wird die Forderung nach einer Just Transition in allen relevanten Politikfeldern präzisiert.

Unternehmen sollen ihre Strategien
zur Erreichung ihrer Klimaziele
gemeinsam mit den Beschäftigten erarbeiten.

Jakob Embacher

In Bezug auf die Europawahlen fordern wir klar eine Stärkung der „Just Transition“-Politik auch auf europäischer Ebene. Diese muss garantieren, dass eine ambitionierte Klimapolitik immer auch von sozialen Maßnahmen begleitet wird. Außerdem steht mit der Rückkehr der Austerität, also restriktiven fiskalischen Regeln, die Fähigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Spiel, die Klimawende voranzutreiben. Diese Regeln würden dringend benötigte Investitionen in umweltfreundliche Infrastruktur, erneuerbare Energien und aktive Industriepolitik erheblich einschränken oder gar unmöglich machen. Gewerkschaften in ganz Europa sprechen sich klar gegen die Wiedereinführung dieser ideologisch getriebenen starren Regeln aus. Stattdessen soll eine Goldenen Regel für öffentliche Investitionen dafür sorgen, dass den Staaten die dringend benötigte finanzielle Handlungsfähigkeit erhalten bleibt.

Schutz vor Hitze

Von nationalen Entscheidungsträgern erwarten wir uns eine aktive und gestaltende Rolle der öffentlichen Hand bei der Transformation hin zu einer gerechten und emissionsfreien Wirtschaft. Wir wollen, dass soziale und ökologische Prinzipien in die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik einfließen. Unser Positionspapier bietet hier eine Orientierung. Eine Jobgarantie soll Sicherheit für Arbeitnehmer:innen bieten, während ein qualitätsvolles Angebot an Qualifizierungs- und Umschulungsprogrammen den Umstieg in neue, grüne und soziale Berufsfelder ermöglichen soll. Eine koordinierende Funktion kann hier eine Just Transition Agentur übernehmen.

Außerdem müssen Arbeitnehmer:innen in Zukunft viel stärker vor den Auswirkungen der Klimakrise geschützt werden. Unser Arbeitsschutzgesetz ist vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Klimakrise nicht mehr zeitgemäß. Bei gesundheitsgefährdender Hitze oder Ozonbelastung soll in Zukunft nicht mehr gearbeitet werden. Hier wollen Gewerkschaften im Bündnis mit der Arbeiterkammer und der Klimabewegung im nächsten Jahr den Druck erhöhen. Der Forderung nach einem klimafitten Arbeitsrecht soll durch gemeinsame Aktionen Nachdruck verliehen werden.

Die Rolle des ÖGB-Klimabüros

2024 wird das erste volle Jahr sein, in dem das Klimabüro seine Aktivitäten aufnimmt. Neben der eben beschriebenen Interessenvertretung auf europäischer und nationaler Ebene liegt ein weiterer Schwerpunkt des Klimabüros auf der Entwicklung von Instrumenten, um die Arbeitnehmer:innen und Betriebsräte durch den Transformationsprozess zu begleiten.

Die Einbeziehung von Arbeitnehmer:innen ist für uns der Schlüssel zu einer echten Just Transition. Wir wollen Betriebsrät:innen ermöglichen, sich aktiv in Transformationsprozesse einzubringen. Konkret werden wir im Laufe des Jahres einen Klimawerkzeugkoffer erstellen, der sich am Wunsch vieler Arbeitnehmer:innen nach einem nachhaltigen Arbeitsplatz orientiert. Das bedeutet in vielen Fällen auch ein Mehr an Lebensqualität, etwa durch attraktivere Arbeitszeitmodelle oder ein verbessertes Mobilitätsmanagement, um auch ohne Auto zur Arbeit zu kommen.

Das Klimabüro wird daher auch seinen Austausch mit Betriebsrät:innen fortsetzen. Das bedeutet unter anderem, Diskussionen in den von der Transformation betroffenen Regionen zu führen, um Erfahrungen und Lerneffekte österreichweit miteinander zu teilen.  Denn Just Transition muss vor allem in den Regionen und Betrieben vorangetrieben und verankert werden, damit sie keine leere Formel bleibt.

Zum Autor
Jakob Embacher ist ÖGB-Experte für Klimapolitik und Teil des ÖGB Klimabüro, das Beschäftigte bei der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen soll.

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