Gefährliches Betriebsklima

Arbeiter in Sicherheitskleidung schwitzt in der Sonne.
Sommer, Sonne, Sonnenschein? Hitze kann Schwerstarbeit für den Körper bedeuten. | © Adobestock/patrickjohn71
Der Klimawandel führt zu alarmierenden Temperaturanstiegen im Sommer. Das macht sich auch am Arbeitsplatz bemerkbar. Gesetzliche Regelungen, die Arbeitnehmer:innen vor Hitze schützen, sind bis dato nur heiße Luft.
Monteure verrichten schwere körperliche Arbeit im Freien. „Sie tragen Schutzhelme, Augenschutz, Handschuhe, mehr oder weniger dicke Baumwollkleidung und teils auch schnittfeste Schuhe mit Stahlkappen, um die Unfallgefahr zu minimieren. An Hitzetagen besteht allerdings die Gefahr, dass sie sich gar nicht mehr anders zu helfen wissen, als den Oberkörper frei zu machen und sich der Schutzkleidung zu entledigen“, sagt Michael Preyss. Er ist Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats für die Ostregion bei ELIN Österreich, einem Elektrounternehmen, das für Großkunden arbeitet. Dazu gehören etwa der Flughafen Wien, Krankenhäuser, die Wiener Linien, Kommunen, der ORF. „Man macht sich Gedanken über die Fiakerpferde, aber an die Menschen, die in der Hitze arbeiten, denkt keiner“, beklagt er. „Natürlich trete ich auch für den Tierschutz ein. Aber an Hitzetagen müssen auch die Menschen geschützt werden.“

Hitze am Arbeitsplatz: Kurz vor dem Kollaps

„Hitze bedeutet Schwerstarbeit für den Körper“, schildert Katharina Brugger, Senior Health Expert bei Gesundheit Österreich, dem Forschungs- und Planungsinstitut des österreichischen Gesundheitswesens. Das Kühlsystem des Körpers laufe auf Hochtouren, dadurch sei das Herz-Kreislauf-System sehr beansprucht. Es komme zu Kopfschmerzen, Dehydrierung, Reizbarkeit und/oder Schwächegefühl. Folgen könnten aber auch Bauch- und Muskelkrämpfe, Fieber, ein Sonnenstich oder gar ein Hitzschlag sein – mit potenziell tödlichem Ausgang. „Die Frage ist dann auch immer, wie der Gesundheitszustand einer Person ist. Wer Vorerkrankungen hat, ist stärker gefährdet als ein gesunder Mensch“, ergänzt Andrea Schmidt, Leiterin des Kompetenzzentrums Klima und Gesundheit bei Gesundheit Österreich.

Porträt von Betriebrsrat Michael Preyss
Über 32,5 Grad: Im Bau wird das Schlechtwetterentschädigungsgesetz wirksam. „Die Arbeitgeber müssen sich aber nicht daran halten“, kritisiert Betriebrsrat Michael Preyss. | © Markus Zahradnik

In welchem Arbeitskontext ist aber die Belastung durch die steigenden Temperaturen am höchsten? Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in der AK Wien, beschreibt hier drei Settings: einerseits die Arbeit in Innenräumen wie Büros, die nicht gekühlt, gedämmt oder beschattet sind, andererseits die Arbeit im Freien, Alltag von Monteuren, Bauarbeitern, aber etwa auch Erntehelfer:innen. „Sie sind nicht nur mit der immer extremer werdenden Hitze, sondern auch mit der starken UV-Strahlung konfrontiert. Das führt nachweislich zu weißem Hautkrebs.“

45 Grad in der Krankabine

Stark betroffen sind drittens aber auch Menschen, die berufsbedingt in sehr kleinen, nicht klimatisierten Innenräumen arbeiten, wie etwa in Zug- und Busführerständen oder in Krankabinen. Während Busse heute bereits meist gekühlt seien, sei das bei Zügen nicht immer der Fall. „Neue Garnituren sind verpflichtend klimatisiert. Aber Triebfahrzeuge waren es bis in die 2000er-Jahre hinein nicht und müssen auch nicht nachgerüstet werden. Eine Lokomotive ist aber 40 Jahre in Betrieb.“ Krankabinen seien in der Standardausführung überhaupt bis heute nicht klimatisiert. „Da knallen von außen 35 Grad drauf, und innen hat es dann, wie Messungen der AUVA ergeben haben, um die 45 Grad. Das ist in Wirklichkeit eine Frechheit.“

Arbeitsminister Martin Kocher habe auf eine entsprechende parlamentarische Anfrage allerdings geantwortet: Er sei nicht gewillt, hier Vorgaben zu machen, das müsse in den Betrieben durch die zuständigen Arbeitsmediziner:innen geklärt werden. Das empfindet Bruckner als Hohn. Es sei das jeweilige Unternehmen, das den oder die Arbeitsmediziner:in beschäftige. Wie wahrscheinlich sei es da, dass diese/r dann auf einer klimatisierten Krankabine bestehe?

Kein Handlungsbedarf?

Stichwort gesetzliche Regelungen: Vonseiten der Wirtschaft sieht man hier keinen Handlungsbedarf. „Es gibt ausreichende gesetzliche Vorgaben, die sicherstellen, dass Arbeitszeiten und Arbeitsplätze im Rahmen des Möglichen an die Hitze angepasst werden“, heißt es in einer schriftlich übermittelten Stellungnahme der WKO. Verwiesen wird auf das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, die Arbeitsstättenverordnung und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz. Der Bitte, hier eine:n Ansprechpartner:in aus der WKO zu vermitteln, wurde leider nicht nachgekommen.

Wie aber sind die angesprochenen Regelungen zu bewerten? Als zahnlos, wie es Bruckner formuliert. „Hitzefrei, das gibt es grundsätzlich nicht. Man kann das über Betriebsvereinbarungen machen, es ist aber überhaupt nicht mehr üblich, vor allem im Bürobereich.“ Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sehe zwar vor, dass Arbeitnehmer:innen vor Hitze zu schützen seien. Sanktionen, wenn dies nicht geschieht, gebe es aber keine. „Wir fordern, dass der:die Arbeitgeber:in den Arbeitsplatz klimafit gestaltet und die Arbeitnehmer:innen vor zu viel Hitze schützt.“ In Innenräumen sollte ab einer Temperatur von 25 Grad ein Maßnahmenkonzept vorgeschrieben sein, damit die Temperatur unter 30 Grad gehalten wird. Wer im Freien arbeite, sollte ab 32 Grad Lufttemperatur frei bekommen – „mit Ausnahmen natürlich, man kann ja zum Beispiel nicht das öffentliche Leben lahmlegen“.

Überhitze Baubranche

Andreas Huss ist leitender Sekretär in der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft Bau Holz und Obmann-Stellvertreter der Österreichischen Gesundheitskasse. Er kennt die Problematik des Arbeitens bei Hitze daher aus den unterschiedlichsten Perspektiven. „Hitzearbeit ist eine große Belastung für Dienstnehmer:innen“, betont er. Von dieser seien gerade in der Baubranche viele Beschäftigte betroffen. Das von der WKO angesprochene Schlechtwetterentschädigungsgesetz sehe hier zwar – analog der Regelung bei Regen und extremer Kälte – bei einer Lufttemperatur ab 32,5 Grad vor, dass Dienstnehmer:innen aufhören zu arbeiten, dann um 40 Prozent weniger Lohn erhalten und der Arbeitgeber die 60 zu zahlenden Prozent aus einem dafür eingerichteten Entschädigungsfonds erhält.

Wenn man nicht rasch die Belastung
für Arbeitnehmer:innen minimiert,
wird man nicht viele finden,
die diese Arbeit noch verrichten wollen. 

Gabriela Hiden, Leiterin der Abteilung
Arbeitstechnik und Gesundheit
in der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge

„Der Arbeitgeber muss sich aber nicht daran halten“, kritisiert der Gewerkschafter. Wenn also wegen einer Verzögerung im Bau eine Pönalzahlung droht, gehe die Arbeit auf der Baustelle auch an Hitzetagen weiter. Huss wünscht sich hier daher eine Muss- statt der derzeitigen Kann-Bestimmung, und um diese zu ermöglichen, sollte darüber hinaus gesetzlich geregelt werden, dass sich eine vertraglich festgelegte Fertigstellungszeit eines Gebäudes um diese Schlechtwettertage verlängert. „Damit würde kein Druck mehr entstehen.“ Zu den Standardaufgaben eines Bauleiters zähle es, die Baustellenplanung entsprechend der Wettervorhersage vorzunehmen. „Wenn man weiß, am Nachmittag kommt ein Gewitter, wird man nicht betonieren. Man sollte aber nicht nur darauf achten, was für die Baustelle nicht möglich ist, sondern sich an Hitzetagen genauso fragen, was für den Menschen nicht mehr zumutbar ist.“

Dringender Handlungsbedarf bei Hitze

Gabriela Hiden, Leiterin der Abteilung Arbeitstechnik und Gesundheit in der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge, schaut dennoch ein bisschen neidisch auf die Bau Holz. „Die haben zumindest eine Regelung, aber bei uns in der Industrie gibt es nichts.“ Dabei seien gerade Fabriksarbeiter:innen häufig von der Hitze besonders betroffen. Mit Wellblech gedeckte Hallen etwa würden sich stark aufheizen, in vielen Produktionen werde Hitze erzeugt. Dazu komme die ohnehin belastende Schichtarbeit. Tipps, wie in den Morgenstunden durchzulüften, seien nicht durchführbar. „Erstens würde der Effekt nur kurze Zeit anhalten, und zweitens wollen doch die Nachbar:innen nicht nachts vom Produktionslärm gestört werden.“ Hiden sieht hier daher dringenden Handlungsbedarf. „Wenn man nicht rasch die Belastung für Arbeitnehmer:innen minimiert, wird man nicht viele finden, die diese Arbeit noch verrichten wollen. Und wir haben ja jetzt schon einen Arbeitskräftemangel.“

Doch wie könnte eine Lösung aussehen? Huss plädiert für Schutz wie UV-Schutz-Bekleidung, Sonnenbrillen, Sonnencreme und ausreichend Getränke, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden müssen. „Die großen Baufirmen wie PORR oder STRABAG achten da schon darauf.“ Bei kleineren Firmen vernachlässige man das Thema Hitze dagegen oft. „Dabei weiß man, dass mit der Hitzebelastung auch die Konzentration sinkt“, gibt Huss zu bedenken. Schon jetzt gebe es auf Baustellen je nach Bundesland pro 1.000 Beschäftigungsverhältnisse zwischen 50 und 90 Arbeitsunfälle pro Jahr. Wichtig wäre auch, wo möglich, für Beschattung zu sorgen und eben auf gesetzlicher Ebene so viel wie möglich in diese Richtung zu verankern. Andenken könnte man, den Arbeitsbeginn von derzeit meist sieben Uhr auf 5.30 Uhr vorzuverlegen.

Mehr Pausen an Hitzetagen

Hiden spricht sich für die in der Pro-Ge Beschäftigten für eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden aus, um so für die Arbeitnehmer:innen „mehr erholungswirksame Zeit“ zu erreichen. An Hitzetagen müsste es mehr Pausen geben, orientieren will sie sich da an den 32,5 Grad im Bauarbeiter- Schlechtwetterentschädigungsgesetz, „aber nicht Außenlufttemperatur, da muss man dann in der Fabrik messen und nicht draußen“. Sie sei sich bewusst, dass es nicht möglich sein werde, alle Produktionshallen zu kühlen. „Aber die Sicherheitsvertrauenspersonen müssen jeweils am Standort schauen, wie die Mitarbeiter:innen in heißen Wochen entlastet werden können.“

Preyss wiederum wünscht sich, dass man sich hier gewerkschaftsübergreifend zusammensetzt und gemeinsam überlegt, wie Beschäftigte geschützt werden können. Es gebe zum Beispiel Kühlwesten, erzählt er. Doch wenn sie nicht vorgeschrieben seien, hätten jene Unternehmen, die sie zur Verfügung stellen, einen Wettbewerbsnachteil, da sie von anderen Mitbewerbern preislich unterboten würden. Es brauche also auch für Hitzetage eine vorgeschriebene Schutzausrüstung. „Und es braucht Aufklärung für die Arbeiter:innen – damit niemand mehr mit freiem Oberkörper arbeitet und dann Jahre später an Hautkrebs erkrankt.“

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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