Ein Green Job kommt in Fahrt

Vor drei Jahren begann Sarah Sutlovic ihre Ausbildung zur Fahrradmechatronikerin – als eine der Ersten in Österreich. | © Markus Zahradnik
Sozial, ökologisch, nachhaltig, zukunftssicher: Der neue Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in ist ein Musterbeispiel für die „Just Transition“. Ein Besuch in einer jener Werkstätten, von denen es in Österreich hoffentlich bald mehr gibt.

Ein Klapprad und eine Visitenkarte sollten Sarah Sutlovics Leben entscheidend beeinflussen. Ersteres reparierte sie als Elfjährige gemeinsam mit ihrem Vater. Das Kärtchen vom 2rad-shop Gerhardt steckte ihr als 14-Jähriger ein Freund zu. Fast zehn Jahre später sitzt Sarah Sutlovic in dessen Fahrradwerkstatt in Wien-Wieden, einem engen Raum mit Bikes in allen Formen und Farben. Sarah trägt ein schwarzes Shirt, eine schwarze Hose, schwarze Schuhe, eine schwarze Brille, dazu eine silberne Uhr. Ihre langen rotbraunen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Vor knapp drei Jahren begann sie ihre Ausbildung zur Fahrradmechatronikerin, als eine der Ersten in Österreich. Seither repariert sie nicht nur Patschen, gerissene Ketten und defekte Scheibenbremsen, sondern exerziert in ihrer Werkstatt im Kleinen vor, was Österreichs Regierung im Großen umsetzen will – oder sollte. Seit August 2019 kann man in Österreich den Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in lernen.

Als solche sollen die Absolvent:innen nach dreijähriger Ausbildung Fahrräder, E-Bikes, Scooter, Longboards und Segways reparieren und warten können. Die Ausbildung ist Teil der Maßnahme „Aus- und Weiterbildung im Bereich Fahrrad/Radverkehr“ des Masterplans Radfahren 2015–2025 und wird vom Klimaschutzministerium (BMK) gerne als Paradebeispiel für einen „Green Job“ präsentiert, einen Beruf, der dem Klima nützt und daher Perspektiven und Zukunft bietet. Aber der Reihe nach.

Homöopathische Klimapolitik

Die Europäische Union will bis 2050 „klimaneutral“ werden. Das heißt: Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollen die Mitgliedsstaaten nicht mehr Treibhausgase in die Luft blasen, als in Senken gebunden oder der Atmosphäre entzogen werden. Österreich soll dieses Ziel laut Regierung schon zehn Jahre früher erreichen – ist davon aber meilenweit entfernt. Bis zum heutigen Tag sind die österreichischen Emissionen gegenüber 1990 nahezu unverändert hoch. Seither stieg die Durchschnittstemperatur der Alpenrepublik um 1,34 Grad.

Klima- und Umweltpolitik mutet die Regierung ihren Wähler:innen dennoch in homöopathischen Dosen zu. Österreich plant bis 2040 die Klimaneutralität – um das zu erreichen, wird sich unsere Art zu konsumieren, zu produzieren und uns fortzubewegen ändern müssen – und zwar radikal. „Insbesondere Unternehmen, die von fossilen Energieträgern abhängen, werden ihre Geschäftsmodelle zügig umstellen und neu denken müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, denn diese sind am stärksten von Transformationsrisiken betroffen“, warnt das BMK. Dieser „tiefgreifende Wandel“ werde „umfassende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und damit die Qualifizierungsanforderungen von Beschäftigten, Berufseinsteiger:innen und Arbeitsuchenden haben“.

Das Zauberwort in dieser Debatte heißt „Just Transition“, eine Art Eier legende Wollmilchsau der sozialökologischen Transformation. Laut offizieller Definition zielt „Just Transition“ auf ökologische Nachhaltigkeit, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Verbesserung der Arbeitsplatzqualität, die Beseitigung der Armut und das Erreichen sozialer Gerechtigkeit ab. Ein Grundbaustein des gerechten Wandels ist die Schaffung von „Green Jobs“, etwa im Bereich erneuerbarer Energien, Kreislaufwirtschaft oder öffentlichem Verkehr.

Knapp sieben Jahre hat Thomas Gerhardt damit verbracht, den Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in zu konzipieren. | © Markus Zahradnik

Ein Lehrberuf, der nachhaltige Mobilität fördert

Die konkreten Auswirkungen der Klimakrise auf den heimischen Arbeitsmarkt sind bis dato schwer abzusehen. Ob im Zuge der Transformation Arbeitsplätze verloren gehen, ist umstritten: „Insgesamt gibt es Hinweise darauf, dass die Schaffung neuer Arbeitsplätze den Verlust von Arbeitsplätzen in Summe ausgleichen wird“, beschreibt das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO die unsichere Datenlage. Nachsatz: „Aber das bedeutet nicht automatisch, dass diejenigen, die ihre Arbeitsplätze verlieren, grüne Arbeitsplätze bekommen.“ Manche Branchen, Berufe und Regionen trifft der Wandel stärker, andere werden davon profitieren.

In Regionen beispielsweise, die stark von der Automobilindustrie abhängen, werden die Veränderungen gravierender ausfallen. Nicht alle, die heute Verbrenner herstellen, können morgen Elektroautos produzieren – einerseits weil zur Produktion eines E-Motors weniger Arbeitskräfte benötigt werden, andererseits weil es laut WIFO fraglich ist, „ob die Umstellung auf klimaneutrale Energieträger ohne Änderungen in Mobilitätsmustern ausreichen wird, um die Energie- und Klimaziele zu erreichen“. Eine Studie des Verkehrsministeriums (ehemals BMVIT, heute BMK) rechnet eher damit, dass im Zuge der Transformation in der Automobilindustrie und in Zulieferbetrieben bis zu 24.000 Arbeitsplätze verlorengehen.

Der Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in soll aus dieser vertrackten Problemlage herausführen, ein Job, dessen Produkte ohne fossile Energieträger auskommen und der nachhaltige Mobilität fördert und den Beschäftigten somit eine jobsichere Zukunft bietet. Schließlich sollen laut Masterplan Radfahren 2015–2025 bis 2025 13 Prozent aller Wege per Rad zurückgelegt werden (2014 waren es 6,4 Prozent). Die Corona-Pandemie hat dem Umstieg aufs Rad ohnehin zusätzlich Schwung verliehen.

Sarah Sutlovic steht vor einem Fahrrad und repariert es. Symbolbild für den Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in
„Ich hab kein Problem damit, mich schmutzig zu machen“, sagt Sarah Sutlovic. Die Werkstatt liegt ihr mehr als das Klassenzimmer. | © Markus Zahradnik

Viele Junge wollen in einem Green Job arbeiten

Auch für Sarah Sutlovic war die Pandemie richtungsweisend für ihre Berufswahl. Nach der Schule begann sie eine Lehre zur Restaurantkauffrau, die sie ein Jahr vor Pandemiebeginn abschloss. Angesichts von Lockdowns, zyklisch geschlossenen Betrieben und Insolvenzen erkannte die damals 20-Jährige: „In diesen Beruf brauche ich gar nicht erst einsteigen.“ Die Erinnerung an das Klapprad-Erlebnis mit ihrem Vater im Hinterkopf nahm sie die 2rad-shop-Visitenkarte zur Hand, die ihr ein Freund einst zugesteckt hatte. Sechs Jahre lang hatte sie diese aufbewahrt. „Dann habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und mich beworben.“

Ihr Chef heißt Thomas Gerhardt. Der 57-Jährige ist Geschäftsführer, Mitglied der Bundesinnung der Mechatroniker und stand selbst schon als 15-Jähriger im Fahrradgeschäft seines Vaters. Knapp sieben Jahre hat er damit verbracht, den Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in zu konzipieren, vom Grundriss bis ins letzte Detail des Lehrplans. Heute fungiert er als Bundeslehrlingsbeauftragter. Auf den ersten vom BFI angebotenen Kurs im Jahr 2019 kamen auf 15 Plätze 90 Bewerber:innen – „wie beim Medizinstudium“, freut sich Gerhardt. Bis zum Jahr 2022 absolvierten österreichweit 264 Personen eine Lehre, mehr als 300 könnten es bis zum Start des kommenden Schuljahres werden – eine ungewöhnlich hohe Zahl für einen so jungen Lehrberuf.

Kein Wunder: Laut einer Studie von Wien Energie und der Unternehmensberatung Deloitte möchte ein Viertel der 25- bis 40-Jährigen hierzulande in einem „Green Job“ arbeiten. 40 Prozent lehnen es demnach sogar ab, ihr Geld bei einem „Umweltsünder“ zu verdienen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Arbeitskräften groß. Heute arbeiten rund 200.000 in Umweltberufen, bis 2030 werden 100.000 weitere benötigt. Im Frühjahr vermeldete das AMS 14.000 offene Stellen in klimarelevanten Branchen, das sind 12,5 Prozent aller offenen Stellen.

Sarah Sutlovic sitzt in der Fahrradwerkstatt, hinter ihr sind Fahrräder zu sehen. Sie spricht. Symbolbild für den Lehrberuf Fahrradmechatroniker:in.
Für die angehende Fahrradmechatronikerin geht die Rechnung mit dem „Green Job“ voll auf: Sie schätzt den „Sinn“ ihres Berufs. Ihre Zukunftsperspektiven sind aussichtsreich. | © Markus Zahradnik

Umweltschädliche Berufe haben Tradition

Bereits 2010 hatte das Landwirtschaftsministerium zur großen „Green Job“-Offensive geblasen. Innerhalb von zehn Jahren sollte deren Zahl von 185.000 auf 285.000 steigen. Passiert ist in den Folgejahren wenig, in den Jahren 2017 bis 2020 stagnierte die Zahl der Öko-Berufe bei rund 200.000. Die Krux an der sozialökologischen Transformation ist: Ausgerechnet jene Jobs, die als besonders umweltschädlich gelten, bringen oftmals vielerlei Vorzüge mit sich – hohe Kollektivvertragsabschlüsse, sichere Beschäftigungsverhältnisse, gesellschaftliche Anerkennung, einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad.

„Man braucht nicht so tun, als gäbe es in diesem Prozess keine Verlierer:innen“, wünscht sich auch Gebhard Ottacher mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Ottacher ist Wirtschaftshistoriker und leitet das im Herbst 2022 in Wien eröffnete ClimateLab, ein Innovationszentrum, das die Zusammenarbeit und den Austausch von Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft fördern soll. Bei der Transformation auf dem Arbeitsmarkt gehe es nicht nur um Löhne und Lohnabschlüsse, sondern auch um Ängste, betont Ottacher. Menschen, die über Jahrzehnte gefragte Expertise und angesehenes Fachwissen in einem Bereich erworben haben, hätten vielfach Angst, „plötzlich nicht mehr gefragt zu sein“.

Warnung vor kulturellem Verlust

Mit dem Umbau der Wirtschaft wird vielerorts auch ein „kultureller Verlust“ einhergehen, warnt Ottacher. Bestimmte Berufsbilder haben Regionen und Generationen auch kulturell geprägt. Man denke an den Stolz der „Arbeiterhochburgen“, die Tradition der Knappenchöre oder den Teamgeist der Werksmannschaften. Man denke an die kulturell überhöhten Männlichkeitsideale von harter körperlicher Arbeit als vermeintlich unverzichtbarem Beitrag zum nationalen Wohlstand. „Dieser drohende kulturelle Verlust muss begleitet werden – das muss angesprochen werden, gerade Politiker:innen müssen sich das trauen“, betont Ottacher. Österreich habe schon viele strukturelle wirtschaftliche Veränderung durchgemacht – es komme darauf an, sie in politisch geordnete und sozial verträgliche Bahnen zu lenken.

Eine Aufnahme, in der die Werkstatt zu sehen ist. An der Wand hängen verschiedene Schraubenzieher, hinten ist ein Reifen zu sehen.
Mehr als 500 Personen könnten bis zum Schulbeginn 2023 eine Lehre zum:zur Fahrradmechatroniker:in beginnen – eine hohe Zahl für einen so jungen Lehrberuf. | © Markus Zahradnik

Derzeit ist das Gegenteil zu beobachten: Aus Angst, Wähler:innen an die (extreme) Rechte zu verlieren, schwingt sich Karl Nehammer zum „Autokanzler“ des „Autolands“ Österreich auf, das in seiner Vision bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Verbrenner produzieren wird. Andere wiederum wettern gegen „ideologiegetriebene Bestrafungsfantasien“ (Karlheinz Kopf, ÖVP/WKO) oder „die Zerstörung der Autoindustrie in Österreich“ (Christian Hafenecker, FPÖ). Um für die Zukunft gewappnet zu sein, soll am besten alles so bleiben, wie es ist.

Für die angehende Fahrradmechatronikerin Sarah Sutlovic verlief die berufliche Transformation reibungsloser. Der Gastro Lebewohl zu sagen fiel im Corona-Jahr 2020 den wenigsten schwer. Dreimal kam sie unmittelbar vor dem Bewerbungsgespräch mit einer Corona-positiven Person in Kontakt, beim vierten Mal setzte sie sich gegen eine Reihe anderer Bewerber:innen durch. Nach zwei Wochen Probearbeit ging’s los, zunächst mit einfachen Tätigkeiten wie Reifen- oder Bremsbackenwechseln, dann folgten Laufräder, Hydraulikbremsen oder Nabenreparaturen.

Zukunft des Lehrberufs ungewiss

Die meiste Zeit verbringt Sutlovic in ihrem Ausbildungsbetrieb, rund 20 Prozent in der Berufsschule. Darauf angesprochen verzieht sie leicht das Gesicht und lächelt dann: Es sei eben noch ein sehr neuer Beruf, das merke man auch im Unterricht. Dieser besteht aus Fächern wie Angewandte Mathematik und Fachzeichnen. 25 Schüler:innen hatten den Kurs mit ihr begonnen, 16 sind übrig geblieben. Sutlovic ist eine von drei verbliebenen Frauen, österreichweit sind nur 8 Prozent der Auszubildenden weiblich. „Ich habe kein Problem damit, mich schmutzig zu machen“, grinst die 23-Jährige. In der Werkstatt fühlt sie sich wohler als im Klassenzimmer.

Sarah Sutlovic schätzt vor allem die Abwechslung in ihrem Beruf. Derzeit ist sie im dritten Lehrjahr, „trotzdem ist jeder Tag anders“. Täglich steht da ein neues Rad, mit anderen Komponenten, einer anderen Schaltung, einer neuen Marke, ein 30-jähriger Rad-Oldie oder ein E-Bike, ein Triathlon-Bike oder ein Klapprad. Wenn sie mal nicht mehr weiterweiß, fragt sie die erfahreneren Kolleg:innen, gerade ältere Räder seien manchmal zum Haareraufen. Steht sie gerade nicht in der Werkstatt, berät sie Kund:innen im vorderen Teil des Geschäfts.

Thomas Gerhardt steht in seiner Fahrradwerkstatt und blickt lächelnd in die Kamera.
Geschäftsführer Thomas Gerhardt stand schon als 15-Jähriger im Fahrradgeschäft seines Vaters. Er hat viel Herzblut in die Ausbildung junger Menschen gesteckt. | © Markus Zahradnik

Wenn die Rechnung voll aufgeht

Für die angehende Fahrradmechatronikerin geht die Rechnung mit dem „Green Job“ voll auf: Sie schätzt den „Sinn“ ihres Berufs, die Freude am Arbeiten mit Kund:innen und Rädern und dass die Zukunftsperspektiven ihrer Profession besonders aussichtsreich sind.

Dennoch ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar, ob in Österreich über das Jahr 2024 hinaus noch Fahrradmechatroniker:innen ausgebildet werden. Wie jeder neue Lehrberuf wird auch dieser nach vier Jahren evaluiert; danach wird entschieden, ob es weitergeht. Zwar erhöhen die hohen Absolvent:innenzahlen die Chancen auf eine Fortführung, „aber letztlich ist es eine Entscheidung der Politik“, sagt Lehrlingsbeauftragter Thomas Gerhardt vorsichtig zuversichtlich. „Es ist nicht gesichert, dass die Lehrlingszahlen so hoch bleiben“, gibt die Fachexpertin für Arbeitsmarktpolitik und Berufsausbildung der PRO-GE, Sandra Feizlmair, zu bedenken. Bei den Ausbildungsbetrieben handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um kleinere Fahrradgeschäfte oder E-Bike-Verleihe, die Nachfrage nach Personal ist begrenzt. Außerdem ist der Corona-Boom längst vorüber, die galoppierende Teuerung tut ihr Übriges. „Insgesamt fahren die Leute zwar mehr Rad, aber das schlägt sich nicht im Handel nieder“, beobachtet Gerhardt.

Menschen, die sich umqualifizieren wollen, werden Angebote finden. 

Sandra Feizlmair, PRO-GE Arbeitsmarkt

Weiterbildung ist das Stichwort

Fahrradmechatroniker:innen allein machen also auch noch keine „Just Transition“. Für eine solche braucht es neben dem Schaffen neuer Arbeitsplätze, wie im Bereich erneuerbarer Energien, im Transportwesen oder in der Landwirtschaft, auch den Austausch bestehender Arbeitsplätze. Das bedeutet, dass Beschäftigte in besonders umweltschädlichen Branchen entweder innerhalb der Branche (vom Lkw-Fahrer zum Bim-Fahrer) oder in Richtung einer anderen Branche (von der Lkw-Fahrerin zur Psychotherapeutin) wechseln. „Aus diesem Grund sind Aus- und Weiterbildung, (Re-)Qualifizierung und Höherqualifizierung unerlässlich für einen reibungslosen Just-Transition-Prozess, um die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitskräften zu gewährleisten sowie die Beschäftigungschancen von arbeitslosen Personen zu erhöhen“, heißt es in oben zitierter WIFO-Studie.

Das BMK startete deshalb im Dezember 2020 gemeinsam mit den Sozialpartner:innen und dem AMS mit der Ausarbeitung des Aktionsplans „Just Transition“ zu Aus- und Weiterbildungen. 17,5 Millionen Euro sollen in eine Umweltstiftung fließen, mit deren Hilfe bis April 2025 rund 1.000 Menschen in Umweltberufen qualifiziert werden sollen. Flankiert wird die Umweltstiftung von diversen weiteren Green-Job-Programmen, etwa der Weiterbildungsinitiative „Klima-Winner“ des waff, dem Klimaschutz-Ausbildungszentrum des AMS Niederösterreich oder Ottachers ClimateLab.

„Traut‘s euch!“

„Menschen, die sich umqualifizieren wollen, werden Angebote finden“, ist sich PRO-GE-Gewerkschafterin Feizlmair sicher. Sie will jedoch – neben der öffentlichen Hand – die Betriebe mehr in die Pflicht nehmen. „Diese schreien nach Fachkräften – dann müssen sie auch ausbilden!“ Laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag der AK Wien ist die Beteiligung von Unternehmen an den Ausbildungskosten in den vergangenen Jahren aber zurückgegangen. Zudem müssen bestehende Angebote attraktiviert werden, fordert Feizlmair. Wer heute seinen Beruf verlässt, um Fahrradmechatroniker:in im Handelsgewerbe zu werden, muss in den ersten drei Lehrjahren mit 800 bis 1.350 Euro auskommen, danach steigt er:sie laut Kollektivvertrag mit 2.370 Euro monatlich ein. Ein Industriearbeiter, der sich für ein Pflegestipendium des AMS entscheidet, riskiert derzeit die Halbierung seines Einkommens. Nach Erdöltechniker:innen, die in Kindergärten abwanderten oder ehemalige Pilot:innen, die heute Züge lenken, sucht man bisweilen vergeblich – zu groß ist die finanzielle, gesellschaftliche und kulturelle Fallhöhe.

Soll die „Just Transition“ gelingen, muss an vielen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellschrauben gedreht werden. Fix ist: Der Arbeitsmarkt wird sich transformieren – ob Politiker:innen, Unternehmen und Beschäftigte wollen oder nicht. Von politischer Seite gibt es zwei Optionen: den Wandel über uns ergehen zu lassen oder aktiv mitzugestalten. Sarah Sutlovic hat sich bereits entschieden. Ihre theoretische Abschlussprüfung hat sie hinter sich, im Winter folgt die praktische. „Ich hoffe sehr, dass ich danach weiter beschäftigt werde“, sagt sie. Eine andere Branche könne sie sich derzeit nicht vorstellen. Allen Interessierten möchte sie ausrichten: „Traut’s euch! Macht’s mal ein Praktikum!“

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Über den/die Autor:in

Johannes Greß

Johannes Greß, geb. 1994, studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien und arbeitet als freier Journalist in Wien. Er schreibt für diverse deutschsprachige Medien über die Themen Umwelt, Arbeit und Demokratie.

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