OMV: Wie viel Staat muss sein?

Eine OMV-Tankstelle bei Nacht. Symbolbild für die OMV und die Ausschüttung der Dividende an den Staat.
„Wir als Österreich haben eben nicht die Mehrheit an der OMV“, erklärt Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft der Arbeiterkammer Wien. | © Adobestock/mino21
Die OMV konnte den Konzernerlös von 2021 auf 2022 um 75 Prozent erhöhen. 62,3 Milliarden Euro. Nach Abzug von Steuern bleibt ein Gewinn von 5,175 Mrd. Euro. Der Staat bekomme insgesamt rund eine Milliarde Euro an Dividenden. Es könnte - und sollte eigentlich - mehr sein.
Energiekonzerne vermelden hohe Gewinne, die Kund:innen ächzen unter den gestiegenen Kosten für Gas und Öl – das wird sich in den nächsten Monaten noch fortsetzen. Sicherlich kann die OMV zu einem/r der Gewinner:innen  der Energiekrise gezählt werden. Denn – so die OMV auf Anfrage von Arbeit&Wirtschaft –  die gestiegenen Konzernumsatzerlöse sind tatsächlich „hauptsächlich auf höhere Marktpreise zurückzuführen“. Konnte der Konzern 2021 einen Jahresgewinn von 2,8 Mrd. Euro verzeichnen, so waren es im Jahr 2022 5,175 Mrd. Euro. Das öffentlich umstrittene Russlandgeschäft wurde zwar  2022 mit 2,35 Mrd. Euro wertberichtigt,  dem gegenüber stehen jedoch positive Sondereffekte wie temporäre Hedging-Effekte (Anm.: Absicherungsgeschäfte), der Verkauf von Tankstellen in Deutschland im Mai 2022, der Börsengang von Borouge sowie der Neubewertung des Stickstoffgeschäfts. Sprich: Trotz allem bleibt ein hoher Gewinn über.

Versorgungssicherheit

Arbeit & Wirtschaft versucht, das Bilanzdeutsch zu übersetzen. So wird im Konzernbericht angeführt, dass eine hohe Volatilität der Erdgaspreise potenziell zu Liquiditätsspitzen führen kann, um Margin Calls für kurzfristige Börsenhandelsaktivitäten zu erfüllen und, dass die OMV so auf die Sicherstellung der Energieversorgung reagiere. Vereinfacht heißt das laut Anfragebeantwortung, dass die OMV „auf die Situation mit gezielten Maßnahmen zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität des Unternehmens sowie der sicheren Energieversorgung“ reagiert. Letzteres ist grundsätzlich gut und sinnvoll, ist das Unternehmen bei Gas und Öl doch ein wichtiger Versorger in Österreich.

Das OMV-Gebäude hinter einem Lavendelbusch. Symbolbild für die OMV und die geringe Auszahlung an den Staat.
Warum kann die Allgemeinheit nicht mehr von der OMV profitieren? | © Adobestock/Agata Kadar

„Die OMV verfügt über eine eigene Produktion in Norwegen und Österreich“, heißt es hinsichtlich der nach wie vor bis 2040 laufenden Verträge mit Gazprom, „Zusätzliche verfügen wir über Gaslieferverträge mit Norwegen und Italien sowie über LNG (Anm.: Flüssiggas) Kapazitäten in Rotterdam.“ Darüber hinaus hat die OMV mit ADNOC (Anm.: Abu Dhabi National Oil Company, großer Produzent von Erdgas) eine Vereinbarung geschlossen, die auf eine Partnerschaft über LNG Lieferungen abzielt: „Die OMV Gas Taskforce hat bereits vor Wochen mit den Vorbereitungen für den nächsten Winter begonnen und arbeitet an der weiteren Diversifizierung der Gasquellen.“

Auf die Verträge angesprochen, meldete das Unternehmen zurück, dass man sich dazu nicht äußern könne, da die Vertragsinhalte – konkret jener mit Gazprom bis 2040 – vertraulich wären. Summa summarum kann attestiert werden: Auch wenn der Preis hoch ist, und Geschäfte mit Russland hochumstritten sind, fließen Öl und Gas verlässlich. Aber muss ein Unternehmen, noch dazu zum Teil in staatlicher Hand, so hohe Gewinne einfahren? Oder: Wie könnte die Allgemeinheit mehr profitieren?

Warum gibt es nur so wenig Geld?

Hierbei gilt es etwas auszuholen und das Russland-Geschäft mitzubedenken. Medial wird gegenwärtig das Foto aus 2018 bei der Unterzeichnung des langfristigen Liefervertrages zwischen Gazprom und OMV herumgereicht. Ex-OMV-Chef Rainer Seele und Gazprom-Chef Alexey Miller im Beisein von Ex-Kanzler und -ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Russlands Präsident Wladimir Putin sind darauf zu sehen. Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft der Arbeiterkammer Wien, fasst darauf angesprochen im Grunde zusammen, warum sich die OMV verhält, wie sie es tut: „Ich gehe davon aus, dass ein börsennotiertes Unternehmen hohe Rendite-Erwartungen hatte, weil Gas günstiger war als die Alternativen.“ Die OMV ist eben ein börsennotiertes Unternehmen, somit den Shareholdern verpflichtet, Moral spielt dabei keine Rolle. „Wir als Österreich haben eben nicht die Mehrheit an der OMV“, sagt Leitsmüller etwas resignierend.

Ich gehe davon aus, dass ein börsennotiertes
Unternehmen hohe Rendite-Erwartungen hatte,
weil Gas günstiger war als die Alternativen. 

Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft der Arbeiterkammer Wien

Ein Umstand, der schon lange besteht. Im Rahmen des ersten Börsengangs eines staatlichen österreichischen Unternehmens wurden 15 Prozent der OMV Ende 1987 privatisiert. Heute sind die Eigentumsverhältnisse folgendermaßen: Österreich hält mittels der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) 31,5 Prozent der Anteile, die Mubadala Petroleum and Petrochemicals Holding Company LLC aus Abu Dhabi (MPPH) derer 24,9. Der restliche Anteil ist im Streubesitz. ÖBAG und MPPH haben einen Syndikatsvertrag geschlossen. Das heißt, man entscheidet in Absprache, also auch bei etwaigen Sonderdividenden. Leitsmüller bringt es auf den Punkt: „Wenn man den Einfluss möchte, braucht es quasi 50+1.“ Wolle der Staat mehr Geld, brauche es also entweder eine Mehrheit an den Aktien oder andere Maßnahmen. So gibt es laut Unternehmen für die österreichischen Steuerzahler:innen durch Solidarabgabe, Steuern und weiteren Abgaben wie dem Förderzins „nur“ rund eine Milliarde Euro.

Übergewinnsteuer und Preisgesetz?

Es gebe rechtliche Möglichkeiten, damit der Staat zu mehr Geld kommt. Im Herbst 2022 reagierte zunächst die EU-Kommission auf die stark steigenden Preise und verpflichtete die 27 Mitgliedsstaaten, eine Übergewinnsteuer national umzusetzen. Der Steuersatz bezieht sich bei dem von der heimischen Regierung ausgearbeiteten Modell bei Öl/Gas letztlich auf die Jahre 2018 bis 2021, der Übergewinn wird ab 20 Prozent über diesem Durchschnitt belastet, der Steuersatz beträgt 33 bis 40 Prozent. Dieser Ansatz stellt aus AK und ÖGB Sicht die Minimalvariante dar. Sie schlagen eine längere Laufzeit und einen höheren Steuersatz vor, mit mehr als dem Doppeltem statt dem, was der im Regierungsmodell möglich scheint. Rechtlich wäre das durchführbar gewesen, somit handelt es sich um eine vergebene Chance, um mehr Mehreinnahmen aus Übergewinnen zu erzielen.

Ein weiteres Instrument ist der Preisantrag. Hauptpreistreiber der Inflation waren bzw. sind – neben Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln – nach wie vor Treibstoffe und Heizöl. Die AK hat diesen Antrag im Herbst gestellt, seitdem wird getagt und beraten. Die betreffenden Stellen, in dem Fall Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), kann regulierend in den Markt eingreifen, wenn entweder die Preisentwicklung deutlich höher als im internationalen Vergleich ist oder die Preisforderung die allgemeine Preiserhöhung des Wirtschaftszweiges in einem hohen Ausmaß überschreiten oder die geforderten Preise den allgemeinen Preisindex in einem ungewöhnlichen Ausmaß übersteigen. Weshalb gibt es bisher noch kein Ergebnis?

Zahnloses Gesetz gut ausgestalten

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte fest, dass seit Beginn des Krieges die Bruttomargen etwa im Raffineriebereich um 300 bis 400 Prozent gestiegen sind. Die Arbeit der Preiskommission, bestehend aus Ministerien und Sozialpartnern, hat am 23.3. ihre Untersuchung mit einer Empfehlung abgeschlossen.  Das Ergebnis für BM Kocher: Es gibt keinen Handlungsbedarf, die Preisanstiege in Österreich entsprechen der allgemeinen internationalen. Das Verfahren wird auf Empfehlung der Preiskommission eingestellt. Für die AK ist es unverständlich, dass trotz Rekordinflation und Rekordgewinnen der Mineralölkonzerne die Möglichkeiten des Preisgesetzes nicht genutzt wurden, um die Preispolitik der Konzerne auf den Prüfstand zu stellen.

„Die Endverbraucher:innen-Preise und die Gewinnmargen sind zu hoch“, stellt Susanne Wixforth von der AK Wien, Abteilung Wirtschaftspolitik, klar, es müsse sich etwas tun. Aus diesem Grund hat die AK dem Bericht der Preiskommission nicht zugestimmt, sondern in einer abweichenden Meinung festgehalten, dass die Eurostat-Daten sehr wohl zeigen, dass in Österreich die Inflation weit über dem EU-Durchschnitt liegt.  Der Schluss des Wirtschaftsministers, die Daten gäben keinen Anlass zur Preisregelung, zeigt, dass wir in Österreich eine Zuschauerregierung haben: Die Preise für Lebensmittel, Mieten und Energie steigen, die Regierung schaut zu, so Wixforth.

Die Endverbraucher:innen-Preise
und die Gewinnmargen sind zu hoch.

Susanne Wixforth, stv. Abteilungsleiterin in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien

„Beim Preisverfahren gibt es mehrere Probleme. Erstens ist das Verfahren eben sehr langwierig. Und wenn zweitens das Ergebnis ist, dass die Preise so wie überall anders hoch sind, dann greift das Preisgesetz nicht. Dann gibt es keine Preisfestlegung oder weitere Maßnahmen.“ Das war beispielsweise im Zuge der Finanzkrise 2008 der Fall, da ging es um Lebensmittelpreise und das Ergebnis war damals wie heute für Arbeitsnehmer:innen und Konusment:innen unbefriedigend: Trotz steigender Preise gäbe es keinen Anlass für einen staatlichen Eingriff zur Deckelung der Preise. Wenn das aber regelmäßig das Ergebnis ist, würde „das Preisgesetz in dieser Form nichts nutzen“.

Große Lösungen

Lösungen auf europäischer Ebene wären wünschenswert, es fällt aber schon auf, dass einige Länder, wie Slowenien, Kroatien, Spanien, Frankreich oder Deutschland, die stark in den Markt eingegriffen haben, nicht von so hohen Teuerungen betroffen sind. In Österreich aber fehlen derartige passende Regularien sowie der politische Wille, die vorhandenen konsequent zu nutzen. In diesem Punkt sind sich Wixforth und Leitsmüller einig. Letzterer meint: „Wenn solche Entwicklungen da sind, muss man die Rolle des Staates überlegen. Hier haben wir wirtschaftspolitisch nicht die Instrumente, die es braucht.“ Derzeit gilt offenbar der Schutz den Krisen-Profiteur:innen, während die breite Bevölkerung die massiven Kostensteigerungen vor allem bei Treibstoffen, Energie und Lebensmitteln zu tragen haben.

In dieser außergewöhnlichen Situation, in der immer mehr Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihre Lebenserhaltungskosten bestreiten sollen, brauchen wir wirkungsvolle Instrumente, um gegen Preistreiberei vorgehen zu können. Eine Anti-Teuerungskommission mit entsprechenden Befugnissen für schnelle Markteingriffe bei überhöhten österreichischen Preisen sowie die Einführung einer Beweislastumkehr: Unternehmen müssen bei Einleitung eines Verfahrens darlegen, dass die verlangten Preise nicht auf einer ungerechtfertigten Preispolitik beruhen, würde ein wirksames Kriseninstrument darstellen.

Effektivität vermisst

Es stellt sich abschließend überhaupt die Frage, ob der Staat die Daseinsvorsorge und die strategische Infrastruktur dem Markt überlassen sollte. Eine Frage, der man sich wohl auch intensiver annähern müsste, denn auch Unternehmen, die an den Österreicher:innen verdienen, müssen ihren Anteil zur Verteilungsgerechtigkeit beitragen.

Es stellt sich abschließend überhaupt die Frage, ob der Staat die Daseinsvorsorge und strategische Infrastruktur dem Markt überlassen solle. Eine Frage, der man sich wohl auch intensiver annähern müsste, denn auch Unternehmen, die an den Österreicher:innen verdienen, müssen ihren Anteil zur Verteilungsgerechtigkeit beitragen. Leitsmüller resümiert: „Die letzten Monate haben gezeigt, dass es Zeit ist, die Möglichkeiten des Staats bei den Themen Versorgungssicherheit, Preisstabilität, sensible Infrastruktur neu zu diskutieren und überlegt werden müssen. Es geht hierbei um die Effektivität von gesetzlichen Instrumenten wie der Preiskommission bis hin zur Diskussion um Eigentum/Einfluss und der Rolle der ÖBAG an für Österreich wichtigen Infrastrukturunternehmen.“

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