Ex-Gesundheitsminister Alois Stöger kennt das österreichische System der Sozialversicherungen aus der Sicht der Krankenkassen, der Gewerkschaften, der Regierung und der Opposition.
Aus der sich selbst organisierenden solidarischen Bruderlade von einst soll in Zukunft ein von oben verordnetes praxisfernes Controlling-Ungetüm werden. Das sehen die Pläne zur Organisationsreform der Sozialversicherungen durch die zuständige FPÖ-Gesundheitsministerin, die frühere Controllerin Beate Hartinger-Klein, vor.
Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, kritisiert die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen und des halben Hauptverbands, für die ihrer Ansicht nach viel zu wenig Zeit vorgesehen ist. Auf der Strecke würden die Versicherten bleiben, weil sich die Kassen jetzt mit sich selbst beschäftigen müssen. Und die neue Österreichische Gesundheitskasse werde ein Bürokratiemonster sein.
Hinter dem bürokratischen Begriff der Ausgabenbremse steckt ein Stopp von Bauvorhaben und dem Ausbau der Primärversorgung zur Entlastung von Spitalsambulanzen. Dabei widerspricht die Ausgabenbremse selbst dem Prinzip der Selbstverwaltung, wodurch sie verfassungswidrig sein dürfte.
Wenn die Bundesregierung mit ihrer Politik Konzernen in die Hände spielt, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Karrierewege von RegierungspolitikerInnen zu werfen – und damit auf Finanzminister Lögers Vergangenheit bei Versicherungsunternehmen und Sozialministerin Hartinger-Kleins Vergangenheit bei Gesundheitsunternehmen.
Weder der Rechnungshof noch die Arbeiterkammer können nachvollziehen, wie die Bundesregierung durch die geplante Änderung des Sozialversicherungssystems Geld einsparen will. Die Arbeiterkammer errechnete hingegen eine Belastung von weit mehr als 2,1 Milliarden Euro bis 2023.
Durch die geplante Kassenreform nimmt der Einfluss der ArbeitgeberInnenseite auf die Sozialversicherungsträger entscheidend zu. Damit ist die Selbstverwaltung durch die Betroffenen infrage gestellt.
Österreichs Gesundheits- und Pensionssystem kann sich im europäischen Vergleich sehen lassen, wenngleich es auch Verbesserungsbedarf gibt. So manche negative Schlagzeile zum Sozialversicherungssystem verdient aber genauere Betrachtung.
Die Geschichte der österreichischen Sozialversicherungen hat eine lange Tradition. Mit Wurzeln, die bis ins Mittelalter zurückreichen, entwickelte sie sich über Jahrhunderte hinweg zu der solidarischen Pflichtversicherung, die sie heute ist. Ein Überblick von der Bruderlade bis hin zu den Sozialversicherungsträgern der Gegenwart.