EUROPA-Büro in Brüssel ein – gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro hat es sich zu einer zentralen Ansprechstelle und wichtigen Drehscheibe der europäischen ArbeitnehmerInnenbewegung entwickelt. Frisch durchgestartet: Neu sind die Leiterin Petra Völkerer und der Web-Auftritt. Stabil bleibt die Leistung: 2017 konnten rund 150 Termine mit europäischen EntscheidungsträgerInnen organisiert und über 60 Positionspapiere erarbeitet werden, fast 1.400 BesucherInnen kamen zu AK/ÖGB-Veranstaltungen an der ständigen Vertretung.
Kurs gegen EU-Fehlentwicklungen
Konzentrierte sich das Brüsseler Büro anfangs darauf, die österreichischen ArbeitnehmerInnen ausreichend über die EU zu informieren und EU-fit zu machen, kehrte sich die Informationsrichtung im Laufe der Jahre um.
(Fehl-)Entwicklungen in den Kerngebieten der europäischen Integration waren die Ursache. Etwa ein Binnenmarkt, der u. a. Lohn-, Sozial- oder Steuerdumping zum Geschäftsmodell erhob (EuGH-Urteile Laval und Viking), und eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Krisenkosten vielfach den ArbeitnehmerInnen umgehängt wurden (Troika-Auflagen an Griechenland). Auch die Hoffnung auf faire Globalisierung in der gemeinsamen Handelspolitik blieb aus (u. a. CETA, TTIP, ISDS).
Zeit für die AK, auf die veränderte EU zu reagieren und der europäischen Politik und ihren Institutionen gegenüber eine besonders kräftige Stimme hören zu lassen.
Unter zentraler Beteiligung der AK wurde u. a. 2004 europaweit gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie (Entwurf EU-Kommissar Bolkestein) mobilisiert. Verstärkt ging es nun um klare Ansagen und Forderungen an – und auch gegen – EU-EntscheidungsträgerInnen.
Mit Wissen und aller Kraft dabei
Damit ging auch der wichtige Einstieg ins Kampagnen-Zeitalter einher (noch unter Büroleiter Amir Ghoreishi): Über ihr AK EUROPA-Büro war die AK federführend bei einer Reihe wichtiger Aktionen dabei und stellte neben fachlichem Know-how auch die komplette Software zur Verfügung. Darunter unter anderem die „no2isds“-Kampagne gegen Investorenprivilegien in TTIP, die „no2taxhavens“-Initiative gegen Auswüchse der globalen Steuerungerechtigkeit oder in der jüngeren Vergangenheit die „Social Rights First!“-Kampagne zur Verabschiedung einer „Säule sozialer Rechte“.
In der Folge wurden mitunter auch Grenzen der EU-Politik aufgezeigt. Gemeinsam mit anderen BündnispartnerInnen (Gewerkschaften, NGOs, Parteien) wurde 2011 für eines der wichtigsten Projekte geworben: eine wirklich nachhaltige Bekämpfung der Finanzkrise durch die EU-weite Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS). In mehreren Etappen wurden tatsächlich zwei von drei entscheidenden EU-Institutionen – das Europäische Parlament und die EU-Kommission – überzeugt. Allerdings ist das Vorhaben FTS in den Untiefen des MinisterInnenrates abgesackt und steht nun unter der österreichischen Präsidentschaft vor der endgültigen Beisetzung.
Stattdessen soll es (nach Plänen Deutschlands und Frankreichs) bloß eine Aktiensteuer geben.
Das vorläufige Scheitern dieses Projektes führt schließlich vor Augen, welchen Herausforderungen eine wirksame Interessenvertretung in einem neoliberal verkrusteten Umfeld begegnet. Letztlich ist das nur als Versagen der EU-Politik, zwingende öffentliche Interessen durchzusetzen, zu interpretieren.
Ungleiche Ausgangsbedingungen
Schließlich begegnet die Interessenvertretung bei grundlegenden Reformen – wie dem für die Einführung der Finanztransaktionssteuer unerlässlichen Übergang von Einstimmigkeits- zu Mehrheitsentscheidungen bei Steuerfragen – zuerst einer Phalanx von bestens vernetzten Wirtschaftsinteressen. Wie sehr die Großkonzerne das Geschehen dominieren, wurde in dieser Zeitschrift erst unlängst dargestellt (Arbeit&Wirtschaft Nr. 6/2018 „Business as usual trotz Skandalen“, ab S. 26).
Das Verhältnis der aktiven Interessenvertretungen und Lobbyisten in Brüssel zwischen Arbeit und Kapital beläuft sich auf etwa 1:50.
Damit die – vermutlich nicht nur internationale – Arbeit der AK unter solch ungleichen Ausgangsbedingungen interessenpolitisch bestehen kann, ist eine Reihe besonderer Voraussetzungen zu beachten. Dazu zählt: angesichts der geballten Macht „der Wenigen“ auf die Kraft und den Anspruch „der Vielen“ in der Bevölkerung zu setzen. Und die EU-EntscheidungsträgerInnen konsequent – möglichst direkt und mitunter auch sehr persönlich – damit zu konfrontieren.