Haushaltsbudget 2022: „Die Devise muss lauten: Investieren!“

Inhalt

  1. Seite 1 - Welche Zukunft ist aus dem Budgetentwurf ablesbar?
  2. Seite 2 - Vom Nulldefizit zur Ausgabenbremse?
  3. Seite 3 - Wird den Menschen in Österreich mehr zum Leben gelassen?
  4. Seite 4 - Was bedeutet die Senkung der Lohnnebenkosten?
  5. Seite 5 - Reichen die Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit?
  6. Seite 6 - Welche Effekte haben Klimaticket, Klimabonus & Co?
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Positives, aber auch falsche Versprechungen: Arbeiterkammer-Chefökonom Markus Marterbauer im Gespräch über die Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel.
Markus Marterbauer im Gespräch
„Ich als Ökonom muss sofort die Frage stellen: Und wie finanzieren wir dann Bildung, Pflege und Gesundheit, wenn die Steuern gesenkt werden sollen?“

Wird den Menschen in Österreich mehr zum Leben gelassen?

Um auf soziale Aspekte zu sprechen zu kommen, er hat wortwörtlich gesagt: „Die Entlastungen werden massiv sein, und den Österreichern und Österreicherinnen wird mehr zum Leben gelassen.“ Das klingt ja eigentlich fast schon zu schön, um wahr zu sein, oder?

Als Erstes stört mich einmal der Begriff „Entlastung“, weil er geht eigentlich in die Richtung: Die Steuern zu senken entlastet uns alle. Und ich als Ökonom muss dann sofort die Frage stellen: Und wie finanzieren wir dann Bildung, Pflege und Gesundheit, wenn die Steuern gesenkt werden sollen? Wenn wir das nicht mehr für den Staat oder über den Sozialstaat finanzieren, dann belastet es ganz massiv die Leute, die krank sind, pflegebedürftig sind, arm sind, arbeitslos sind, was auch immer. Das heißt, eine Steuersenkung für manche bedeutet für andere enorme Belastung, weil dann Leistungen nicht mehr möglich sind. Zum Zweiten: Wir haben durch die Steuerreform eine Begünstigung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, durch die Tarifsenkung etc., die aber im Wesentlichen nur die kalte Progression ausgleicht. Das ist auch okay. Mehr ist auch unmittelbar nicht notwendig aus meiner Sicht. Das ist keine wirklich dauerhafte Begünstigung.

Wer also wirklich „entlastet“ wird unter Anführungszeichen, sind die großen Unternehmen, und dort ist es natürlich gerade nicht angebracht, denn die Unternehmen haben ja in der COVID-Krise Milliarden und Abermilliarden an zum Teil berechtigten Hilfen bekommen, um sie sozusagen liquide zu halten. 

Wir haben aber eineinhalb Milliarden Begünstigung für die Unternehmen, vor allem für Großunternehmen, durch die Körperschaftsteuersenkung, die dauerhaft ist. Wer also wirklich „entlastet“ wird unter Anführungszeichen, sind die großen Unternehmen, und dort ist es natürlich gerade nicht angebracht, denn die Unternehmen haben ja in der COVID-Krise Milliarden und Abermilliarden an zum Teil berechtigten Hilfen bekommen, um sie sozusagen liquide zu halten. Aber man könnte sich eigentlich erwarten, dass die Unternehmen, die vom Staat durch die Krise getragen wurden, sich dann erkenntlich zeigen und sagen: „Ja, wir sind durchaus bereit, von den hohen Gewinnen jetzt, die im Aufschwung kommen, mehr abzuliefern, wir sind dem Staat dankbar.“ Aber nein, sie wollen noch eine Unternehmenssteuersenkung. Inakzeptabel eigentlich, weil wir das Geld ja in anderen Bereichen viel dringender brauchen würden.

Da stellen sich mir jetzt zwei Fragen: Blümel hat heute auch gemeint, dass durch die Senkung der Körperschaftsteuer 30.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden. Passiert das?

Milchmädchenrechnung. Im Wesentlichen wird es keinen Effekt haben, außer dass mehr für die Aktionäre und Aktionärinnen übrig bleibt. Die Kapitalgesellschaften, die durch die Körperschaftsteuersenkung profitieren, eineinhalb Milliarden Euro mehr haben schlussendlich, haben im Moment an Cash und Deposits, also an liquiden Mitteln, 97 Milliarden Euro zur Verfügung. So, jetzt kommen eineinhalb Milliarden dazu. Wenn sie mit 97 Milliarden, die sie schon liquide haben, nicht investieren, warum sollten sie investieren, wenn eineinhalb Milliarden dazukommen? Es ist völlig absurd, es wird keinen Effekt haben. Viel stärkere Effekte hätten andere Maßnahmen. Wenn ich die eineinhalb Milliarden in den Ausbau der Kindergärten stecke, dann habe ich massive Qualitätsverbesserungen, aber auch Beschäftigungseffekte, die viel höher sind als das, was hier falscherweise versprochen wurde.

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  1. Seite 1 - Welche Zukunft ist aus dem Budgetentwurf ablesbar?
  2. Seite 2 - Vom Nulldefizit zur Ausgabenbremse?
  3. Seite 3 - Wird den Menschen in Österreich mehr zum Leben gelassen?
  4. Seite 4 - Was bedeutet die Senkung der Lohnnebenkosten?
  5. Seite 5 - Reichen die Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit?
  6. Seite 6 - Welche Effekte haben Klimaticket, Klimabonus & Co?
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Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erscheint ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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