Haushaltsbudget 2022: „Die Devise muss lauten: Investieren!“

Inhalt

  1. Seite 1 - Welche Zukunft ist aus dem Budgetentwurf ablesbar?
  2. Seite 2 - Vom Nulldefizit zur Ausgabenbremse?
  3. Seite 3 - Wird den Menschen in Österreich mehr zum Leben gelassen?
  4. Seite 4 - Was bedeutet die Senkung der Lohnnebenkosten?
  5. Seite 5 - Reichen die Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit?
  6. Seite 6 - Welche Effekte haben Klimaticket, Klimabonus & Co?
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Positives, aber auch falsche Versprechungen: Arbeiterkammer-Chefökonom Markus Marterbauer im Gespräch über die Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel.
Markus Marterbauer im Gespräch
„Die Regionen, die den öffentlichen Verkehr ausgebaut haben und wo viel investiert wurde und wo die Bürger:innen auch beitragen mussten, die bekommen jetzt weniger, und die, die sich überhaupt nicht gekümmert haben, die die sogenannten Nebenstrecken bei den Bahnen eingestellt haben, die bekommen auch einen höheren Kimabonus.“

Welche Effekte haben Klimaticket, Klimabonus & Co?

Als positive Aspekte im Budget haben Sie schon das Klima, die Klimamaßnahmen zur Sprache gebracht. Jetzt wird ja eine CO2-Bepreisung stattfinden, das heißt, da wird es Einnahmen geben aus einer CO2-Steuer. Und gerade die Arbeiterkammer hat immer gefordert, dass es dazu eine soziale Gegenmaßnahme geben muss. Der sogenannte Klimabonus, der jetzt auch regional gestaffelt eingeführt wird, erfüllt er das?

Grundsätzlich ja, das ist ein innovatives Instrument, und Österreich ist eines der wenigen Länder, vielleicht sogar das einzige, ich habe es jetzt nicht genau im Kopf, das diese Einnahmen aus einer CO2-Abgabe wirklich den Bürger:innen direkt wieder zurückgibt und damit mögliche negative Verteilungseffekte hintanhält. Das ist eine sinnvolle Maßnahme. Wieder muss man im Detail, glaub ich, fragen. Also die regionale Differenzierung ist nicht gut durchdacht, auch von den Anreizen her. Die Regionen, die den öffentlichen Verkehr ausgebaut haben und wo viel investiert wurde und wo die Bürger:innen auch beitragen mussten, die bekommen jetzt weniger, und die, die sich überhaupt nicht gekümmert haben, die die sogenannten Nebenstrecken bei den Bahnen eingestellt haben, die bekommen auch einen höheren Kimabonus. Also, das ist kein guter Anreiz. Dazu kommt – das mag vielleicht kleinkariert sein -, dass wir jetzt wieder ein neues Instrument entwickeln, wie man den Bürger:innen Geld zurückgibt.

Also ich finde den Klimabonus gut, aber man hätte es zum Beispiel über die Steuer auch abwickeln können im Sinne von Negativsteuer etc. Jetzt wird das Klimaministerium eine eigene Überweisung für die Bürger:innen erfinden. Da wird sehr viel an Bürokratie wieder aufgebaut. Aber grundsätzlich ist das ein sinnvolles Instrument. Man darf sich von der CO2-Abgabe gerade in dieser Höhe und der Rückverteilung aber nicht zu viele Klimaeffekte erwarten. Das Entscheidende ist, dass die Infrastruktur da ist, also dass investiert wird in den öffentlichen Verkehr, nicht nur in die Schienenstrecken, sondern auch in den mikroöffentlichen Verkehr, Zubringer zu Bahnhöfen …

Der letzte Kilometer …

… Radwege, der letzte Kilometer, alle diese Sachen. Dort müssen wir viel mehr investieren, und das findet ja auf kommunaler Ebene statt, und dort ist jetzt zu wenig, weil die Städte und Gemeinden kein Geld haben.

Wenn man das jetzt zusammenfasst: Es gibt ja auch noch das Klimaticket, also – ich habe es jetzt als DAS grüne Prestigeprojekt verstanden – den Klimabonus. Und dann sind eigentlich recht bescheidene Neuinvestitionen in die thermische Sanierung und ökologische Heizsysteme geplant. Wenn man das jetzt zusammen anschaut, wie ökosozial ist dann diese Steuerreform eigentlich wirklich?

Es muss mehr kommen, damit wir die Klimakrise in den Griff kriegen. 

 

Also wenn man das Budget 2022 insgesamt – Einnahmenseite, Steuerreform und die Ausgabenseite – anschaut, dann muss man sagen: Ja, es gibt jetzt zusätzliche Maßnahmen auf der Ausgabenseite. Ich würde auch diesen Biodiversitätsfonds und die Kreislaufwirtschaft – 100 Millionen für Kreislaufwirtschaft – also da geht es jetzt um Recycling etc. … Das sind gute Maßnahmen, die neu dazukommen. Aber die großen Investitionen, die sind natürlich schon im mittelfristigen Finanzrahmen in der Vergangenheit gesetzt worden. Wir haben doch jetzt 17 Milliarden an Schieneninvestitionen in den nächsten Jahren, das ist das höchste Investitionsbudget in dem Bereich. Und ich würde es gerne in diesem Kontext sehen, weil man nicht immer nur ein Jahr betrachten kann, sondern man muss ein bisschen diese Entwicklung sehen. Und da sehe ich es eigentlich schon sehr, sehr positiv. Dennoch: Es muss mehr kommen, damit wir die Klimakrise in den Griff kriegen.

Abschließend hätte ich eine Frage: Wenn Sie dem Finanzminister noch drei Vorhaben ins Budget hineinschreiben könnten, bevor es beschlossen wird, welche wären das?

Es müssen vier sein …

Dann sagen wir vier.

Auf der Ausgabenseite eine Milliarde für Armutsbekämpfung. Ich halte es für einen Skandal, dass eine so reiche Gesellschaft Armut zulässt, Kinderarmut zusätzlich. Wir haben 800 Millionen, um die Großunternehmen zu entlasten, aber wir haben keine Milliarde zur Armutsbekämpfung. Zweitens eine Milliarde für den Ausbau der Elementarpädagogik, zusätzlich vielleicht Schulen.

Ich meine, jetzt haben gerade die Kindergärtner:innen in Wien gestreikt, und am Land ist die Situation noch schlechter. Wir brauchen dort massive Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Verbesserungen der Qualität. Drittens Pflegebereich: Das ist eine der großen Herausforderungen, auch in der Verteilungsdiskussion. Wir wollen, dass Arm und Reich gleich gute Bedingungen in der Pflege haben, wenn sie alt werden. Und das ist wirklich mit Angst verbunden, dass die Menschen nicht gut gepflegt werden. Dort zu investieren ist zentral. Und das Vierte ist natürlich, dass ich ein Budget nie gut finden kann, das keine Vermögensteuer hat.

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  2. Seite 2 - Vom Nulldefizit zur Ausgabenbremse?
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Über den/die Autor:in

Michael Mazohl

Michael Mazohl studierte Digitale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im ÖGB-Verlag entwickelte er Kampagnen für die Arbeiterkammer, den ÖGB, die Gewerkschaften und andere Institutionen. Zudem arbeitete er als Journalist und Pressefotograf. Drei Jahre zeichnete er als Chefredakteur für das Magazin „Arbeit&Wirtschaft“ verantwortlich und führte das Medium in seine digitale Zukunft. Gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl erscheint ihr Buch „Klassenkampf von oben“ im November 2022 im ÖGB-Verlag.

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