Green Jobs: Fachhochschulen wollen von der Politik Mut

Ein Mann in Schutzkleidung steht auf einem Hausdach und arbeitet an einer Fotovoltaikanlage. Symbolbild für Green Jobs.
Die FHs fordern mehr Mut von der Politik. | © Adobestock/Kawee
Rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden mittlerweile durch Green Jobs erwirtschaftet. Studiengänge für Green Jobs gibt es bereits an vielen österreichischen Fachhochschulen. Diese warnen vor negativen Auswirkungen, die der neue FH-Finanzierungsplan für diese Studienrichtungen bedeuten würde.    
Als Green Jobs werden Arbeitsplätze bezeichnet, die im Bereich des Umweltsektors angesiedelt sind. Nachhaltigkeit steht dabei im Vordergrund, doch viele Unternehmen sind erst dabei, diesen Bereich aufzubauen. Grüne Arbeitsplätze werden aber immer relevanter: Eine neue EU-Richtlinie sieht die Befolgung von Klimazielen für Unternehmen vor und viele junge Menschen wünschen sich eine nachhaltige Beschäftigung. Die für Green Jobs nötigen Ausbildungen wollen FHs liefern. Doch der Entwicklungs- und Finanzierungsplan des Bildungsministeriums macht ihnen einen Strich durch die Rechnung: „Das, was vorliegt, ist kein Entwicklungs-, sondern ein Rückschritts-Plan, der den gesamten Sektor um Jahre zurückwerfen würde. Deshalb wird er breit – von der Arbeiterkammer und der Wirtschaft, der ÖH und den Ländern – abgelehnt und Verbesserungen gefordert“, sagt Josefine Kuhlmann, Studiengangleiterin und Professorin an der FH Burgenland.

Richtlinien verlangen Nachhaltigkeit

Im Jänner 2023 trat die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainabilty Reporting Directive, CSRD) in Kraft. Laut dieser müssen neben börsennotierten KMUs, Unternehmen, die mindestens zwei der nachstehenden Merkmale überschreiten, Bericht erstatten, dass ihre Geschäftspraxen nicht den Pariser Klimazielen zuwiderlaufen:

  • im Jahresdurchschnitt 250 Mitarbeiter:innen,
  • 20 Mio. € Bilanzsumme
  • 40 Mio. € Umsatzerlöse

Außerdem sehen die Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (UN) nachhaltige Städte und Gemeinden vor. Laut einer Berechnung von 2015 entstehen so österreichweit in etwa 210.000 Arbeitsplätze, wie das Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt auf der Homepage wissen lässt. Mittlerweile dürfte es sich aber um mehr handeln.

Green Jobs: FHs bilden aus

Und viele junge Menschen stellen sich ihre berufliche Zukunft auch in diesen Bereich vor. 60 Prozent der 14- bis 18-Jährigen gaben bei einer Umfrage des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) an, dass sie Interesse an Green Jobs haben. Und 70 Prozent aller Befragten zwischen 14 und 69 gaben an, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei der Arbeitssuche immer wichtiger werden.

Es gibt in den FHs viel Know-how
im Bereich Green Jobs und Infrastruktur, wie Labore,
die zur Weiterbildung genutzt werden könnten 

Anna Raith, Referentin für Hochschulpolitik in der AK Wien

Österreichische Fachhochschulen reagieren darauf: „In den letzten Jahren wurde das Studienplatzangebot im Bereich Technik und Ingenieurswissenschaften stark ausgebaut und finanzielle Anreize für Fachhochschulen gesetzt, hier (neue) Studiengänge anzubieten. Dieser Bereich ist derzeit in Hinblick auf die Studierendenzahlen etwa gleichauf mit dem Bereich Wirtschaftswissenschaften und gehört somit mit Abstand zu den größten“, sagt Anna Raith, Referentin für Hochschulpolitik in der AK Wien. Unter die angesprochenen MINT-Fächern (Mathematik, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften und Technik) fallen auch Studiengänge zu Green Jobs, jedoch gibt es keinen eigenen Erhebungen, die speziell den Ausbau dieser Studiengänge aufzeigen.

Berufsbegleitende Studien stärken

Für klimarelevante und nachhaltige Studiengänge kann man sich quer über ganz Österreich an den FHs einschreiben. Ein Beispiel ist die FH Burgenland mit ihrem Studium der International Sustainable Business. „Klimawandel, ‚grüne‘ Energie und Nachhaltigkeit nehmen wir als Hochschule sehr ernst. Wir bekennen uns dazu und sind auch sehr aktives Mitglied im Bündnis Nachhaltige Hochschulen“, sagt Kuhlmann. Auch an der FH Kufstein Tirol, an der man Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement studieren kann, sieht man die Relevanz von Studiengängen für Green Jobs. „Der Aspekt an Nachhaltigkeit ist in allen Studiengängen ein integrativer Bestandteil in der Lehre und der anwendungsorientierten Forschung“, so Thomas Madritsch, Geschäftsführer der FH.

Die Dynamik und Leistungsfähigkeit
der FHs werden damit gehemmt und
angewandte Forschung erheblich erschwert.
Dafür würde aber der ohnehin eklatante
Fachkräfte-Mangel in Österreich Jahr für Jahr
nur noch schlimmer werden.

Josefine Kuhlmann, Studiengangleiterin und Professorin an der FH Burgenland.

Und auch im äußersten Westens Österreichs ist es möglich, ein Studium für eine grüne Arbeit zu absolvieren, wie die Studienrichtung Umwelt und Technik der FH Vorarlberg zeigt. „Im Herbst 2022 haben 16 Studierende begonnen, und wir haben gesehen, dass aufseiten der Unternehmen ein großer Bedarf an Expert:innen herrscht“, sagt Alexandra Dittrich aus dem Kommunikationsmanagement.

Die AK sieht aber noch Entwicklungspotentiale in Österreich. Denn mit berufsbegleitenden Studiengängen wäre es möglich, noch zusätzliche Personengruppen anzusprechen. „Berufsbegleitende Angebote sind beispielsweise für Lehrabsolvent:innen attraktiver. Außerdem gibt es in den FHs viel Know-how im Bereich Green Jobs und Infrastruktur, wie Labore, die zur Weiterbildung genutzt werden könnten“, meint Raith. Die Expertin sieht zudem ein Problem bei der letzten Novelle im Bereich der Weiterbildung, die Weiterbildungen für Interessierte wegen erschwerter Zugangsregelungen und einer längeren Dauer der Lehrgänge unattraktiver machen könnte.

Knapp 60.000 Studierende an den FHs in Österreich

Ein noch dringenderes Problem stellt allerdings der Entwicklungs- und Finanzierungsplan 2023/24-2025/26 des Bildungsministeriums dar. Dieser würde beispielsweise die Entwicklung von weiteren Nachhaltigkeitsstudiengängen hemmen. Und wird daher von den FHs als „erschreckend visionslos“ und „völlig ohne Mut und Ambition“ zurückgewiesen und abgelehnt.

Der Plan sieht keinen generellen Ausbau der Studienplätze an den österreichischen FHs vor, oder auch keine Finanzmittel für neue berufsbegleitende und duale Studienangebote. Knapp 60.000 Studierende sind im Moment an einer FH in Österreich inskribiert. Was der Plan ebenfalls nicht vorsieht, ist ein Ausbau von Studien zu Green Jobs über die nächsten drei Jahre. „Im Entwurf wird zwar erwähnt, dass interdisziplinäre Ausbildungen im Bereich digitale und ökologische Transformation gefördert werden sollen und diese bei der Änderung bestehender Studienangebote Berücksichtigung finden sollen. Konkret gibt es hier aber keine Ziele oder Vorgaben und keine zusätzlichen finanziellen Mittel“, so Raith.

Runder Tisch gefordert

Dass der FH-Entwicklungs- und Finanzierungsplan negative Auswirkungen auf weitere Studienlehrgänge für Green Jobs haben wird, davon ist auch Kuhlmann überzeugt. „Die Dynamik und Leistungsfähigkeit der FHs werden damit gehemmt und angewandte Forschung erheblich erschwert. Dafür würde aber der ohnehin eklatante Fachkräfte-Mangel in Österreich Jahr für Jahr nur noch schlimmer werden. Das gilt natürlich auch für den Ausbau der Studien, die Absolvent:innen für die Green Jobs, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft dringend brauchen, hervorbringen“ so die Lehrgangsleiterin.

Von den Fachhochschulen wird nun ein „Runder Tisch“ mit dem zuständigen Bildungsministerium gefordert, an dem auch die Sozialpartner:innen und die Österreichische Hochschüler:innenschaft (ÖH) teilnehmen sollen, um eine völlige Neuausrichtung des Plans auszuarbeiten. Ob und wann ein solcher Neuausrichtungsprozess starten wird, ist aktuell noch nicht klar. Klar ist hingegen, dass Green Jobs eine immer zentralere Rolle auf dem Arbeitsmarkt einnehmen, weshalb eine Stärkung von Ausbildungsmöglichkeiten an FHs wichtig ist.    

Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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