Green Jobs: Zeit, um Farbe zu bekennen

Green Jobs sind das Allheilmittel. Sie transformieren die Wirtschaft, retten die Umwelt und es gibt mehr davon als von traditionellen Arbeitsplätzen. Angeblich. Denn was ein Green Job ist, ist genau genommen etwas unklar. Eine Spurensuche.
Fangen wir mit der simpelsten Möglichkeit an, sich der Frage zu nähern, was Green Jobs sind: Einfach beim Arbeitsmarktservice (AMS) die entsprechend ausgeschriebenen Stellen suchen. Das Ergebnis ist ein bunter Strauß breit gefächerter Berufe aus allen Branchen: Fahrer:in zur Abholung von Mobil-WCs, Projektleiter im Bereich der Elektromobilität, Universitätsassistent:in, Ferialarbeiter:in als Müllaufleger:in, Elektrotechniker:in, Vollzeit, Teilzeit, in jedem Bundesland.

No jobs on a dead planet

Die Logik hinter Green Jobs ist einfach. Um die Klimakatastrophe abzuwenden, muss sich die Gesamtwirtschaft neu aufstellen. Die Arbeitnehmer:innen sollen diesen Wandel umsetzen. Wirtschaftlicher Anreiz soll sein, dass sich neue Geschäftsfelder, höhere Margen und mehr Arbeitsplätze ergeben. Eine Studie der AK geht beispielsweise davon aus, dass der Strukturwandel dazu führt, dass 0,5 bis 2 Prozent mehr Arbeitsplätze vorhanden sein werden. Die Alternative dazu fasst der global berühmte Gewerkschaftsslogan „There are no jobs on a dead planet“ zusammen.

Hinter dem Strukturwandel steckt mehr als nur der Wunsch, Arbeitsplätze zu erhalten. Im Rahmen des Europäischen Green Deal und des Transition Funds soll die Wirtschaft die Neuaufstellung nutzen, um resilienter und sozial gerechter zu werden. Genau hier fangen die Probleme an. Denn das AMS erwähnt den sozialen Aspekt des Strukturwandels zwar, hat ihn aber nicht in die Definition von Green Jobs mit aufgenommen. So lässt sich im Qualifikationsbarometer nachlesen, dass Green Jobs helfen, „Umweltschäden vermeiden oder zumindest vermindern, sie behandeln, messen und untersuchen“. Dabei stützt sich das AMS auf eine Definition von Eurostat, die mittlerweile 13 Jahre alt ist.

Green Jobs: Sozial ist ökologisch

Der soziale Aspekt sei zentral, um Arbeitnehmer:innen abzuholen, mahnt Michael Soder, Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien: „Leider sind nicht alle Jobs, die als ‚Green Jobs‘ bezeichnet werden, auch gute Arbeitsplätze. Was wir brauchen, sind grüne Jobs, die auch gute Arbeitsbedingungen haben. Nur dann werden wir die Beschäftigten auch für den notwendigen Umbau begeistern können.“

Kritik an der Definition des AMS kommt auch von Anna Daimler. Sie ist Generalsekretärin bei der Gewerkschaft vida: „Das, was für die Gewerkschaft relevanter ist, ist die Frage, ob Nachhaltigkeit aus mehreren Perspektiven betrachtet wird. Ob also nicht nur ökologische Aspekte gemeint sind, sondern auch soziale.“ Darüber hinaus sei es aber sehr komplex, Green Jobs allgemein zu definieren, führt Daimler weiter aus. Als Beispiel nimmt sie den Beruf des/der Flugzeugtechniker:in. Wenn bei diesem Job daran gearbeitet wird, den Einsatz synthetischer Kraftstoffe voranzutreiben, ist es aus Sicht von Daimler ein Green Job. Dazu kommt, dass, egal wie der Schwerpunkt des Berufs gelagert ist, die Qualifikation die gleiche ist.

Entsprechend kritisch begleiten Arbeitnehmervertreter:innen größere Umbauprojekte in der Praxis, die mit dem Strukturwandel begründet werden. Niemand könne genau wissen, welche Jobs in Zukunft tatsächlich wegfallen. „Die Begleitung durch die Gewerkschaften ist so fordernd, weil die Alternative für die derzeit Beschäftigten die Arbeitslosigkeit ist. Und das ist keine Alternative. Natürlich sind deswegen Beschäftigte in den Branchen, die vom Wandel betroffen sind, sehr skeptisch“, erklärt Daimler. Ein Fokus auf die soziale Komponente des Strukturwandels und der Green Jobs könnte hier Bedenken auflösen.

Transparenz schafft Durchblick

Doch es fehlt es Transparenz. „Was das AMS tun könnte, wäre offenzulegen, welche Förderungen an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sind und welche das sind“, fordert beispielsweise Daimler. Soder sieht auch die Bundesregierung in der Pflicht, den Strukturwandel auf breiter Ebene zu begleiten: „Was es braucht, ist ein breites politisches Commitment. Das ist aber schwer, weil es sich dabei um eine Querschnittsthematik handelt. Das bedeutet, sie betrifft Arbeits-, Wirtschafts-, Klima- und Bildungsministerium gleichermaßen. Die Organisation ist komplex.“ Die Folgen vom fehlenden ganzheitlichen Denken, mangelnder Abstimmung und veralteter Definitionen kann in der Praxis kontraproduktive Folgen haben. So ist beispielsweise der öffentliche Verkehr in der Definition von Green Jobs des AMS gar nicht enthalten. Darauf weist die Behörde im Qualifikationsbarometer sogar explizit hin. Ein Sektor, in dem nach Studien der Gewerkschaft vida in den kommenden Jahren 1.500 neue Arbeitsplätze pro Jahr entstehen werden.

Begeisterung für grüne Jobs geht nur,
wenn diese auch gute Arbeitsbedingungen haben.
Aktuell sind jedoch nicht alle auch gute Arbeitsplätze. 

Michael Soder, AK Wien

Der Flaschenhals lässt grüßen!

In der Praxis ist aber nicht nur die Regierung gefragt, sondern vor allem die Gesamtwirtschaft. Sie ist es, die aus- und weiterbilden muss. Aber genau dort scheint der Flaschenhals im Transformationsprozess zu stecken. Daimler erläutert am Beispiel des Tourismus: „Im Tourismus ging die Zahl der zur Verfügung gestellten Lehrstellen bis zum Jahr 2018 kontinuierlich zurück. Erst 2019, kurz vor der Pandemie, gab es eine leichte Trendumkehr. Gleichzeitig hat die Wirtschaftskammer überbetriebliche Ausbildungen, die das AMS finanzieren würde, torpediert. Unternehmen versuchen also, das eigene Versagen über die Politik zu finanzieren und zu kompensieren. Beispielsweise über erleichterte Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern oder AMS-Förderungen. Die Gewinne, die aus den Fachkräften lukriert werden, stecken sie sich aber selbst ein.“ Um den Strukturwandel meistern und auf dem Markt erfolgreich bleiben zu können, müssen Unternehmen investieren.

In der Praxis tut das beispielsweise die Energie Steiermark. Als Energieversorger ist die Firma besonders von der Transformation betroffen. Dazu kommen demografische Probleme: „In den kommenden Jahren werden rund 30 Prozent unserer Mitarbeiter:innen in Alterspension gehen. Wir haben eine enorme Herausforderung, Nachwuchskräfte an Bord zu holen und werden daher weiterhin den Qualifikationsbereich ausbauen“, führt Urs Harnik-Lauris gegenüber Arbeit & Wirtschaft aus. Er ist Konzernsprecher der Energie Steiermark.

„Damit ein sozial-gerechter Wandel gelingt, braucht es nicht nur Aus- und Weiterbildung, sondern auch eine gute rechtliche Absicherung“, Michael Soder, AK Wien.

 

Schwerpunkt Green Jobs

In Zahlen bedeutet das: „Wir investieren in Summe rund zwei Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren in den Ausbau erneuerbarer Energie. Also in die Errichtung von Windenergie, PV-Anlagen und Wasserkraftwerken. Rund eine Milliarde davon geht in den Netzausbau, um es intelligenter zu machen, aber auch in neuartige Speicherlösungen. Aber eben auch in die Aus- und Weiterbildung. Das Unternehmen hat dafür einen Campus gebaut, in dem 300 Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden. Ein Schwerpunkt sind dabei natürlich Green Jobs. „Wir definieren Green Jobs so, dass sie all jene Qualifikationen beinhalten, die es braucht, um den Transformationsprozess Richtung Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien erfolgreich zu gestalten“, erklärt Harnik-Lauris. Der soziale Aspekt ergibt sich aus der Tatsache, dass das benötigte Personal knapp ist. Wer in Zukunft erfolgreich sein will, muss entsprechende Arbeitsbedingungen bieten.

Die Energie Steiermark arbeitet dabei eng mit dem AMS, dem Berufsförderungsinstitut (BFI) und dem Verein Mafalda zusammen. Letzterer fördert junge Frauen in allen Bereichen des Lebens – auch in beruflichen Fragen. Auch Soder weist auf die bestehenden Möglichkeiten hin: „Aktuell gibt es einige gute Initiativen, wie zum Beispiel die Umweltstiftung oder den Just-Transition-Prozess.“ Doch die Regierung müsse vorausschauender und ganzheitlicher agieren: „Damit ein sozial gerechter Wandel gelingt, braucht es aber mehr. Nicht nur verstärkte Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung, sondern auch eine gute rechtliche Absicherung.“

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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